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#Gram und Schmerz fürs Kinderherz

Gram und Schmerz fürs Kinderherz

Eine Biene aus Pappmaché sitzt irgendwo im Tiefgeschoss der Berliner Kunst-Werke auf dem Fußboden und macht keinen fröhlichen Eindruck. Es ist die Biene Maja. Zwischen ihren Beinen ergießt sich eine gelbe Lache aus Acryllack, sie kann den Honig nicht halten. Maja ist inkontinent, und so schaut sie auch drein. Ein paar Schritte weiter hängt ein gemaltes Bild mit einem Greis im Totenbett, eigentlich eher ein Männchen im Kinderbett; eine Frau im Cape, vielleicht ein Malerkittel, steht daneben, ragt regelrecht hervor, richtet den Blick in die Ferne und also in die Zukunft. Nicht triumphierend, aber selbstbewusst: Sie steht voll im Künstlerinnenleben. Die Wände ringsum sind im wüsten Gestus eines Arnulf Rainer mit Farbe befingert, bepatscht, beschmiert – in einem Braun, das einigermaßen zwingend an Fäkalien denken lässt, zumal sich daran etliche Schmeißfliegen, in spielerischer Bricolage aus Miesmuscheln gebastelt, schadlos halten.

Bilder einer posthumanistischen Ära?

Zwischen solchem Kunsttrödel und allerlei mediterranem Treibgut findet sich ein Gussgewicht für eine Waage: es ist, als wäre es nicht schon schwer genug, mit einem Wackerstein verdrahtet: Lebensmüde Geister würden sich das in die Tasche stecken und ins Wasser gehen. Das doppelte Gewicht liegt neben einer Holzkiste, auf der sich rundum ein romantisches Meeresidyll mit Segelbooten entfaltet. Die Kiste dient wiederum als Sockel für eine Fauna aus surrealen Figürchen, die sich des Arkadien bemächtigt und vielleicht schon das posthumanistische Zeitalter eingeläutet hat.

Noch aber spielt eine Künstlerin lustvoll mit der Apokalypse und all den neuralgischen Aussichten, die im großen Saal aufgefächert sind. Kaum ein Thema lässt Amelie von Wulffen in ihrem Œuvre der letzten Jahre aus: weder die alternde Gesellschaft und den Verlust ihrer Eltern noch die ernüchternde Öko-Bilanz oder einen grundsätzlichen Ekel vor dem Zustand der Gegenwart. Vieles in ihrer Bilderwelt ist autobiographisch gefärbt. Die Frau im vorgerückten Lebensalter etwa, die dem barmherzigen Papst Benedikt XVI. beim Händeschütteln so innig in die Augen schaut, ist die Mutter der Malerin in der Situation, als sie Joseph Ratzinger einmal leibhaftig begegnen durfte. Die Tischgesellschaft mit dem Kritikerpapst Joachim Kaiser, dem Schriftsteller Michael Ende und russischen Dissidenten hat so einmal tatsächlich in ihrem Münchner Elternhaus getagt. Und das Schlachtengemälde mit Kavallerie, das sie abgemalt hat, hing über dem Bett des Vaters.

Doppelter Boden der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft

Nicht, dass man all diese Fingerzeige auf die Vita der Malerin ohne Erklärung erkennen könnte – es hilft schon, wenn sie einem erzählt werden, am besten durch die 1966 geborene Künstlerin selbst, so auch in einem ungewöhnlich eloquenten Booklet. Das Personal in ihrer Malerei – darunter Ingeborg Bachmann, Paul Celan, Martin Heidegger (aber auch John Travolta) – lässt auf ein durch und durch bildungsbürgerliches Milieu schließen, und wie es in Szene gesetzt ist, deutet es auf den moralischen doppelten Boden der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft hin.

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