Nachrichten

#Grenzüberwinder wollte er sein

Inhaltsverzeichnis

Grenzüberwinder wollte er sein

Natürlich hatte er auch einen bürgerlichen Namen: Said Mirhadi, geboren am 27. Mai 1947 in Teheran. Doch in Deutschland kannte man ihn nur unter seinem Vornamen, den er als Dichternamen gewählt hatte, immer in Großbuchstaben geschrieben: SAID. Doch er hatte nichts Großspuriges. Seine Briefe und Erkundigungen, ob man ein Gedicht von ihm abdrucken wolle, waren von vollendeter Höflichkeit und Bescheidenheit. Und von jener Eleganz, die auch seine Lyrik auszeichnete. Das letzte Gedicht, das er der F.A.Z. vor seinem Tod anbot, titellos wie meistens bei ihm, beweist es. Wir veröffentlichen es unter diesem Nachruf, als letzten Gruß an diesen leisen weisen Mann.

Dabei kam er als wütender Mann nach Deutschland. Im Frühjahr 1965 war das, Said Mirhadi war noch keine achtzehn und unzufrieden mit der politischen Lage in seinem Heimatland Iran unter der Herrschaft des Schahs. Im brodelnden akademischen Milieu der späten sechziger Jahre studierte er Politologie in München, und dieser Stadt sollte er sein Leben lang treu bleiben. Einmal nur noch kehrte er ihr den Rücken, 1979, nach der Revolution in Iran, als ihn die Hoffnung nach Hause trieb, dass dort nun eine neue Ära anbrechen würde. Sie kam, aber die Unterdrückung aller bürgerlichen Freiheiten nahm unter dem Ajatollah Chomeini eher noch zu. Nach kurzer Zeit war der desillusionierte Heimkehrer wieder zurück im deutschen Exil; über seine Erfahrungen im entstehenden Mullah-Regime hatte er Tagebuch geführt, und diese Notizen begründeten die deutsche Schriftstellerkarriere von SAID: 1987 brachte er sein Hörspiel „Ich und der Schah – Die Beichte des Ayatollah“ als Buch heraus. 1995 erschienen seine iranischen Aufzeichnungen dann unter dem Titel „Der lange Arm der Mullahs“. Es war seine erste Publikation beim Verlag C.H. Beck, der danach über anderthalb Jahrzehnte hinweg auch die Gedichtbände verlegte. Mit dem Ende dieser Zusammenarbeit wurde es stiller um SAID, aber er blieb Dichter bis zuletzt.

Sein lyrisches Debüt gab er 1989, in einem Kleinverlag und unter dem simplen Titel „Liebesgedichte“, womit aber schon das wichtigste Genre der Dichtung von SAID bestimmt war. Er knüpfte als Kenner sowohl der persischen als auch der deutschen Lyrik an die reiche gemeinsame Tradition an, die sich seit Goethes „West-östlichem Divan“ im deutschen Sprachraum herausgebildet hatte, und da in seinen Gedichten die Sehnsucht wichtigstes Thema war, die nach Liebe und die nach Heimat, erfüllten sie einmal mehr die Erwartungen des hiesigen Publikums an einen persischen Dichter, obwohl der auf Deutsch schrieb und Präsident des deutschen PEN-Zentrums wurde.

Die Trennung der Kulturen, die wechselseitige Abgrenzung von Orient und Okzident, nannte SAID vor elf Jahren in einem Interview „tödlich“, aber ungeachtet seiner eigenen Erfahrungen sah er in den Religionen die Hoffnung zur Überwindung dieser Gegensätze. Die Mystik war ihm ein Rückhalt; unser Gedicht beweist auch dies. In seiner zweiten Heimatstadt München ist SAID am vergangenen Samstag gestorben, kurz vor seinem vierundsiebzigsten Geburtstag.

SAID

in manchen nächten
suchen platanen nach einem gott
der schweigen kann
die dunkelheit zieht sich zurück
der mond ruft die zikaden
die unbelehrbaren beten
auf eine geste des triumphs verzichten sie

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!