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#Warum ein Internist für eine liberale Sterbehilfe ist

Um die unterschiedlichen Perspektiven, mit denen die Gesellschaft und damit auch die Ärzteschaft auf die Suizidhilfe blickt, abzubilden, haben wir zwei Ärzte gebeten, ihre Position zu erläutern. Manche Fragen in den beiden Interviews sind identisch, um die Antworten gut miteinander vergleichen zu können. Ein Link zum Interview mit dem Psychiater Andreas Reif finden Sie am Ende.

Eva Schläfer

Redakteurin im Ressort „Leben“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Herr Oblinger, welche Erfahrung haben Sie mit assistiertem Suizid?

Seit Juni 2020 habe ich über 90 Freitodbegleitungen gemacht. An erster Stelle handelt es sich um krebskranke Patienten im fortgeschrittenen Stadium oder Endstadium der Krankheit, denen das Leben wegen Schmerzen, wegen Atemnot und aus anderen Gründen so unerträglich geworden ist, dass sie es beenden wollen. Die zweithäufigste Gruppe sind neurologische Krankheiten, für die oft keine Therapiemöglichkeit existiert, ALS zum Beispiel – eine aufsteigende Lähmung, die dazu führt, dass die Patienten bei völlig klarem Verstand langsam ersticken. Eine weitere Gruppe sind alte Leute, die lebenssatt oder multimorbid sind, gelegentlich auch lang verheiratete Ehepaare.

Waren Sie schon einmal mit dem Suizidwunsch eines psychisch Erkrankten konfrontiert?

Psychisch Erkrankte werden meistens schon im Vorfeld von den Sterbehilfeorganisationen an einen Psychiater zum Gutachten verwiesen, die bekomme ich nicht vorgestellt. Bei den Krebspatienten kommt es durchaus vor, dass sie gerne noch länger gelebt hätten, die Krankheit ihnen aber keine Chance lässt. Sie sind gelegentlich deprimiert – nicht depressiv. Psychiater behaupten immer, die Suizidwilligen seien alle bloß depressiv und müssten nur behandelt werden, dann wollten sie nicht mehr sterben. Ich meine, dass wir sehr unterschiedliche Patienten haben. Meine Patienten sind Charaktere, die sich im Leben immer auf die Hinterfüße gestellt und gesagt haben, ich entscheide für mich, ich weiß, was für mich gut ist, ich übernehme die Verantwortung für mein Handeln. Diese Menschen sind in ihrem Leben nie mit der Psychiatrie in Berührung gekommen. Dass man bei den psychisch Kranken versucht, ihre Krankheit zu therapieren, erscheint ja sinnvoll. Aber das ist eine andere Kohorte. Meine Patienten sind selbstbestimmt und entschieden.

Dr. Wolfgang Oblinger ist Facharzt für Innere Medizin. Seit drei Jahren führt er assistierte Suizide in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) und mit Dignitas durch.


Dr. Wolfgang Oblinger ist Facharzt für Innere Medizin. Seit drei Jahren führt er assistierte Suizide in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) und mit Dignitas durch.
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Bild: privat

Warum begleiten Sie Menschen an ihrem Lebensende?

Das hat vor allem mit Freiheit, Selbstbestimmung und mit Würde zu tun – Begriffe, die zwar immer wieder genannt werden, in der politischen Realität aber meist keine ernsthafte Rolle spielen.

In beiden Entwürfen wird die „ergebnisoffene Beratung“ gefordert. Ist das aus Ihrer Sicht richtig?

Meines Erachtens nicht. Bei allen Freitodbegleitungen, die ich gemacht habe, finden Vorgespräche statt, in denen Motivation und Alternativen zur Sprache kommen. Die Leute, die ich begleitet habe, haben sich das alles sehr lange und gründlich überlegt. Da muss ich nur noch fragen, warum sie nicht ein Hospiz oder Palliativversorgung in Anspruch nehmen wollen. Wieso soll sich jemand, der sich schon alles gründlich überlegt hat, noch einmal rechtfertigen müssen, sein Innenleben ausbreiten? Beim Castellucci-Entwurf muss er sogar zweimal zum Psychiater. Das ist – gewollt und abschreckend – erniedrigend!

Wenn Sie einen Suizid begleiten: Wie oft sind Angehörige zugegen, und wie erleben Sie die Angehörigen in dieser Ausnahmesituation?

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