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#„Hassreden schlagen in Hassverbrechen um“

„Hassreden schlagen in Hassverbrechen um“

Es sei eine wirklich schreckliche Erfahrung, als Armenier in der Türkei geboren zu sein, schreibt Robert Koptas auf Twitter. „Wir machen diese Erfahrung durch, um verdammt zu sein, und wir nennen es Leben.“ Koptas ist eine der wichtigen Stimmen der Armenier in der Türkei. Und aktuell klingt er erschöpft. Er sei „sehr müde, traurig, verärgert und wütend“, schreibt er weiter. Der 1972 in Istanbul geborene Koptas war von 2010 bis 2015 Chefredakteur der in Istanbul erscheinenden armenischen Zeitung „Agos“, die der 2007 von einem türkischen Nationalisten ermordete Hrant Dink gegründet hatte. Auch sein Nachfolger Yetvart Danzikyan beklagt die aktuelle Situation. Wann immer, wie jetzt, ein Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien ausbreche oder ein Parlament in der Welt eine Resolution zum Genozid an den Armeniern verabschiede, stünden die Armenier in der Türkei im Scheinwerferlicht – und unter ihnen gehe die Angst um.

Rainer Hermann

So wie bei dem türkischen Parlamentsabgeordneten Garo Paylan. Von zwei Seiten wird er derzeit bedrängt. Zum einen gerät Paylan in das Fadenkreuz seiner Widersacher, weil er ein prominenter Vertreter der Armenier in der Türkei ist. Er hat sich für eine friedliche Lösung des Konflikts im Kaukasus ausgesprochen. Türkischen Nationalisten gefiel das nicht. Die nationalistische Denkfabrik Asam plazierte ganzseitige Anzeigen: In ihnen wirft sie Paylan „Verrat“ vor und fordert „die unabhängige Justiz“ der Türkei und das Parlament auf, die „nötigen Schritte“ gegen Paylan einzuleiten. Der ist aber bekannt dafür, sich nicht einschüchtern zu lassen.

„Besorgniserregende Vorgänge“

Zum anderen ist Paylan einer der sieben Abgeordneten der prokurdischen Partei HDP, deren Immunität nach dem Willen der Staatsanwaltschaft in Ankara aufgehoben werden soll, um sie strafrechtlich verfolgen zu können. Paylan wird zur Last gelegt, dass die HDP 2014, als er ihrem Vorstand angehörte, zu Kundgebungen aufgerufen hatte, um die von der Terrormiliz „Islamischer Staat“ angegriffene syrisch-kurdische Stadt Kobani zu unterstützen.

Raffi Kantian, der Vorsitzende der Deutsch-Armenischen Gesellschaft, nennt die Vorgänge um Paylan „besorgniserregend“. Noch schützt ihn seine parlamentarische Immunität bedingt. Die würde ihn aber nicht vor paramilitärischen Gruppen im Untergrund wie der ultranationalistischen „Türkischen Rachebrigade“ schützen, auf deren Konto zahlreiche Attentate und Morddrohungen gehen. Den Zorn türkischer Nationalisten hat sich Paylan jüngst zugezogen, weil er einen hupenden Autokonvoi als „Provokation“ bezeichnet hatte, der mit aserbaidschanischen Flaggen um das armenische Patriarchat in Istanbul gefahren war. Hassreden schlügen in Hassverbrechen um, warnte Paylan. Einer seiner Kollegen in der HDP-Fraktion, Ömer Faruk Gergerlioglu, fragte, wie die Behörden eine solche Kundgebung überhaupt erlauben konnten.

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Die Anzeige der Denkfabrik gegen Paylan verlängert die Liste der Hassnachrichten gegen die türkischen Armenier. Die Hrant-Dink-Stiftung hat in den türkischen Medien im vergangenen Jahr 803 Fälle von „Hassrede“ gegen Armenier gezählt, weit mehr als gegen jede andere Minderheit des Landes. Die türkischen Medien unterscheiden in ihrer aggressiven Berichterstattung dabei nicht zwischen den armenischen Bürgern in der Türkei und den Handlungen der Republik Armenien. Sie verwenden ausschließlich den Begriff „die Armenier“.

Zahlreiche Übergriffe auf Armenier

In Sorge sind die Armenier der Türkei auch wegen der Übergriffe, die es in den vergangenen Monaten bereits gegeben hat. So wollte im Mai ein Angreifer das Tor der armenischen Kirche im Istanbuler Stadtteil Bakirköy in Brand setzen, drei Wochen später wurde das Kreuz am Tor der Kirche im Istanbuler Stadtteil Kuzguncuk abgerissen. Im August wurden Gräber des armenischen Friedhofs in Ankara entweiht, und bei der Hrant-Dink-Stiftung ging ein Drohbrief ein.

Vor dem Ersten Weltkrieg lebten in Istanbul und in Anatolien mehr als 1,5Millionen Armenier. Heute gehören in der Türkei weniger als 60.000 türkische Staatsbürger der armenischen Kirche an. Hinzu kommen mehrere zehntausend armenische Staatsbürger, die in der Türkei arbeiten. Präsident Recep Tayyip Erdogan hat wiederholt gedroht, sie aus dem Land zu werfen. Auf der Grundlage des Vertrags von Lausanne 1923 betreiben die Armenier in Istanbul neun eigene Schulen, davon zwei Sekundarschulen. Das armenische Patriarchat geht in das Jahr 1461 zurück. Patriarch Sahag II. hat sich, im Gegensatz zum Chef der staatlichen Religionsbehörde Diyanet, bisher aus gutem Grund nicht zu dem Krieg im Kaukasus geäußert.

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