Nachrichten

#Hat der Sturm auf das Kapitol eine läuternde Wirkung?

Hat der Sturm auf das Kapitol eine läuternde Wirkung?

Im Herbst waren die Vermutungen darüber, welche Folgen die Präsidentenwahl für Amerika haben werde, oft von einem düsteren Grundton bestimmt. Besonders düster war der Ausblick in einem Artikel in der Zeitschrift „The Atlantic“, der übersetzt so überschrieben war: „Die Wahl, an der Amerika zerbrechen könnte“.

Klaus-Dieter Frankenberger

Zugrunde lag den pessimistischen Ausblicken die Erwartung, dass angesichts von Polarisierung, Feindseligkeit und aufgeheizter Atmosphäre im Land die unterlegene Seite – in der Regel war Donald Trump gemeint – weder die eigene Niederlage eingestehen noch die Legitimität des Siegers anerkennen werde. Beides hat der Präsident bis zuletzt tatsächlich so gemacht.

Die Verliererseite würde dann alles dafür tun, um dem neuen Präsidenten das Regieren so schwer wie möglich zu machen – Obstruktion als politische Methode, um das Ergebnis eines demokratischen Vorgangs zu hintertreiben. Die Beschädigung von Schlüsselinstitutionen der Demokratie würde in Kauf genommen. Manche hielten es sogar nicht für ausgeschlossen, dass es zu offener Gewalt komme, dass der „Kalte Krieg in Amerika“, über den der Politikwissenschaftler Torben Lütjen geschrieben hat, „heiß“ werde – das „Bürgerkriegszenario“.

Niemand konnte sich einen „6. Januar“ vorstellen

Und dennoch dürften selbst die größten Pessimisten sich nicht vorgestellt haben, dass, nach einer anfeuernden Rede Trumps, in der dieser abermals über den Diebstahl eines „Erdrutschsieges“ schwadronierte, ein Mob das Kapitol in Washington stürmen würde. Das Geschehen am 6. Januar 2021 macht viele so fassungslos, weil es auf der einen Seite wider alle demokratischen Prinzipien und Gepflogenheiten ist, weil es auf der anderen aber zeigt, welche Folgen ständiges Hetzen und das Verunglimpfen politischer Gegner haben kann: Radikale maßen sich in grotesker Weise an, als das Volk aufzutreten, zetteln einen Aufruhr an.

Es stellt sich somit die Frage, ob dieser 6. Januar eine läuternde Wirkung auf Politiker hat, genauer: auf Republikaner, die von der Delegitimierung von Institutionen und dem politischen Tribalismus politisch profitiert haben; die einem radikalen Populisten im Weißen Haus nur selten widersprachen, wenn überhaupt, und die bis zuletzt an der Legende vom Wahlbetrug mit strickten.

F+ Newsletter

Erhalten Sie jeden Freitag um 12 Uhr eine Empfehlung unserer Redaktion mit den besten Artikeln, die Sie exklusiv mit Ihrem Zugang zu F+ FAZ.NET komplett lesen können.

„Das habt Ihr nun davon“, hat Mitt Romney diesen Senatoren unter dem Eindruck der Ereignisse und physischer Gefahr entgegen gerufen. Romney, republikanischer Präsidentschaftskandidat von 2012, war einer der wenigen, die während der vergangenen vier Jahre nicht durch Opportunismus und Speichelleckerei aufgefallen sind. Es wird auch andere Republikaner geben, die jetzt ehrlich erschrocken sind; vielleicht auch jene, die jetzt erst entdeckt haben (wollen), wie zerstörerisch die Rhetorik Trumps wirkt.

Bidens „Progressive“ sind auch ein Problem

Werden diese Leute demnächst wieder auf einen Kurs der Fundamentalopposition gehen und dem neuen Präsidenten bei jeder Gelegenheit Knüppel zwischen die Beine werfen, damit er ja keinen Erfolg hat, so wie sie es mit Barack Obama gemacht hatten? Angesichts der Zerrissenheit der Republikanischen Partei ist freilich nicht auszuschließen, dass ein moderater, geläuterter Flügel zur selektiven Zusammenarbeit bereit ist. Im Sinne Bidens wäre das – Stichwort Überparteilichkeit, Stichwort Versöhnung. Er könnte so Distanz zu den „Progressiven“ im eigenen Lager halten, selbst wenn das generell und besonders im Moment heikel wäre. Schließlich hegen viele Demokraten Rachegedanken.

Wenn Biden sein Amt demnächst antritt, wird er es mit einem Kongress zu tun haben, in dem die Opposition nicht eine oder sogar beide Kammern kontrolliert. Diese Konstellation – Weißes Haus und Kongress tragen parteipolitisch dieselbe Farbe – ist am Beginn einer neuen Präsidentschaft nicht ungewöhnlich; es ist Produkt des politischen Pendelschlags.

Als Obama 2009 antrat, hatten „seine“ Demokraten in beiden Kammern die Mehrheit; als Trump ihn 2017 ablöste, stellten die Republikaner in Senat und Repräsentantenhaus die Mehrheit. 2001, unter George W. Bush, war es im Senat etwas komplizierter. Aber die allgemeine Stimmung nach den Terroranschlägen vom 11. September half ihm zunächst dabei, Mehrheiten für seine innen- und außenpolitischen Vorhaben zu bekommen.

Auch Trump hatte Probleme

„Unified government“ ist zwar der Wunsch jedes Parteistrategen, aber eine Garantie, dass der Präsident mit Leichtigkeit sein Programm durchsetzt und Mehrheiten für Personalvorschläge bekommt, ist es nicht. Zwar gelang das Trump in der Steuerpolitik und bei seinen Kandidaten für Bundesgerichte und den Supreme Court, aber nur unter Inkaufnahme extremer parteipolitischer Polarisierung.

In der Gesundheitspolitik gelang es ihm schon nicht mehr, Obama setzte seine Gesundheitsreform wiederum durch, ausschließlich gestützt auf die eigene Partei. Dieses Durchregieren gegen die Partei „auf der anderen Seite des Ganges“ ist eigentlich so nicht vorgesehen; dem Geist der Verfassung entspricht es nicht.

Die Mehrheit der Demokraten im Repräsentantenhaus ist dünn; im Senat herrscht Gleichstand, der aber durch die Rolle der Vizepräsidentin Harris zugunsten der Demokraten aufgelöst wird. Dass sich bei den Stichwahlen in Georgia beide Kandidaten durchsetzen würden, war übrigens so nicht unbedingt zu erwarten, ist aber von enormer Bedeutung: für den Bundesstaat, für die Machtbalance in Washington, für den Handlungsspielraum des Präsidenten.

Der wird dadurch größer, Biden wird aber dadurch nicht allmächtig. Die Republikaner, die keine Trumpisten sind, und jene, die sich unter dem Eindruck des 6. Januar politisch resozialisieren, könnten Kooperationspartner sein. Wenn sich die beiden Parteien aber ideologisch weiter homogenisieren, wird auch Biden die Grenzen des Amtes kennenlernen. Für einen internationalen Vertrag braucht er eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Senat.

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!