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#Haute-Couture-Woche in Paris: Eine ästhetische Sackgasse

Bei der Haute-Couture-Woche in Paris übertreiben viele Marken den Überschwang. Nur die großen Häuser haben so gute Designer, dass kaum eine Kollektion daneben geht – und selbst Karl Lagerfelds einstige Entwürfe übertroffen werden.

Die Blüten sprossen aus allen Ecken. Sie sprangen oben aus dem Ausschnitt, kletterten unten unterm Saum hervor, am Ende war das letzte Model eine einzige große Rose. Giambattista Valli ließ seine Phantasie in alle Richtungen blühen. Und wenn ein Bustierkleid nur kurz und knapp geriet, dann hängte der italienische Modeschöpfer wenigstens eine Schleppe daran, so lang und so bauschig, dass die Models am Ende kaum noch durch die Gänge ­kamen. Ein Model blieb einen Moment lang buchstäblich in der ersten Reihe ­hängen. War das symbolisch? Ein Wink des Schicksals? Hatte sich der Modegott in diese Schau eingehakt?

Giambattista Valli, ein Liebling der schönen und reichen Römerinnen, der schon seit mehr als einem Jahrzehnt seine Kollektionen bei der Pariser Haute-Couture-Woche präsentiert, will auffallen, ja, er muss auffallen, schon aus geschäft­lichen Gründen. Je knalliger die Farben, je bauschiger die Organza-Kleider, je ab­gedrehter die Idee – desto größer der ­Applaus.

Kein Wunder, denn bei der Haute Couture muss man keine dieser stets nüchternen bis schlecht gelaunten Einkäufer in der ersten Reihe für sich gewinnen, schließlich werden die handgefertigten Einzelstücke nicht über Kaufhäuser und Boutiquen in aller Welt verkauft, sondern direkt aus den Ateliers der Marken in ­Paris. Nein, hier kommt es nicht darauf an, dass die Kleider im Laden überzeugen. Hier müssen die Kundinnen in der ersten Reihe in Kauflaune versetzt werden.

Leicht: Maria Grazia Chiuri sieht Dior für heute anders.


Leicht: Maria Grazia Chiuri sieht Dior für heute anders.
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Bild: EPA

Die Kundinnen aus dem Mittleren Osten sind begeistert

Und das gelingt Valli gut. Der Applaus für all die überdimensionierten Kreationen ist groß. Die Kundinnen aus dem Mittleren Osten sind begeistert. So kann man sich auf großen Festen in Abu Dhabi und Dschidda blicken lassen, in einem einzigartigen Look für eine einzigartige Frau. Wenn in den Tagen nach der Schau die Kundinnen in sein Atelier in der Nähe der Place Vendôme kommen, dann achtet die Marke auf die geographische Distanz. Das ausufernde rote Blütenkleid? Nach Dallas und Dubai kann man das verkaufen, aber nicht nach Doha und Dubai. Man stelle sich nur vor, zwei Damen kämen im gleichen Kleid in die Oper von Dallas oder zu einer Hochzeit am Persischen Golf! Was hätte die Investition von vermutlich mehr als 50.000 Euro dann gebracht?

Die Mode ist eine radikal angewandte Kunst. Der Modemacher lässt sich also von den Wünschen seiner Kundinnen ­leiten. Und nicht nur bei Valli sind das vor ­allem Frauen aus dem Mittleren Osten. Sie lieben auffällige Kleider, geschmückt, ­bestickt, verrückt. Und sie verändern die Sicht der Designer auf die Mode, auch für dieses Frühjahr – denn in der Haute Couture geht es immer um die gleich folgende Saison, im Prêt-à-porter wird es nun um Herbst und Winter gehen.

Technisch: Hana Soukupova zeigt für Schiaparelli auch Handys.


Technisch: Hana Soukupova zeigt für Schiaparelli auch Handys.
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Bild: AP

Daher wirkt Vallis Frühjahrskollektion befremdlich, mehr östlich als westlich, noch immer Kunst, aber mit einer großen Dosis Kitsch. Darin steckt ein Kompliment: Der Designer weiß sich auf die Frauen einzustellen. Aber darin steckt auch eine Gefahr: dass die Couture ästhetisch in einer Sackgasse endet.

Daniel Roseberry adelt sogar den Kitsch

Zu Beginn weist nichts darauf hin. Am Montagmorgen zeigt die neu erblühte Marke der legendären Elsa Schiaparelli, dass man tief aus Pariser Traditionen schöpfen und dennoch vollkommen Neues bieten kann. Ironischerweise ist Daniel Roseberry ein Designer aus der Neuen Welt, der das mit einem verblüffend ­frischen Zugriff schafft. Zum Beispiel das Kleid für Hana Soukupova, bestehend aus Hauptplatinen, Handys, sogar einer Computerlüftung aus dem Vor-iPhone-Zeitalter, als wär’s ein Stück von Paco Rabanne, etwas schwer, wie das tschechische Model sagt, aber durchaus tragbar – und mit der verblüffenden Aussage, dass Schiaparellis Methode, wirklich alles auf die Kleider zu nähen, auch heute noch funktioniert, erst recht, wenn man auch für Wiederverwertung werben kann.

Da ist dann die goldene Brille, die Jennifer Lopez fotogen für die erste Reihe aufsetzt, nur ein matter Abglanz der Ideen. Aber selbst höchste Handwerkskunst kann man zum hollywoodgerechten „Merch“ herunterbrechen. Wer könnte das so gut wie ein amerikanischer Designer? Daniel Rose­berry, der diese Marke so präzise nach vorne treibt, adelt sogar den Kitsch.

Andere ertrinken darin. Es ist ver­blüffend, wen die Modekammer so alles zulässt zur Haute-Couture-Woche, dem Hochamt all der Modewochen, die sich großspurig „Fashion Week“ nennen. ­Sollten denn für die Couture nur technische Kriterien gelten, also ein eigenes ­Atelier und überwiegende Handwerksarbeit? Oder käme es nicht auch auf ästhetische Stimmigkeit an?

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