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#Wenn der Schreibtisch zweimal klingelt

Wenn der Schreibtisch zweimal klingelt

Zu den vielen Hiobsbotschaften, die uns in diesem Annus horribilis auch noch den Advent vermiesen wie mindestens seit Jesu Geburt nicht, gehört nicht zuletzt diese: Deutschland, das Land der Dichter, Denker und Diplomingenieure, fällt nach einem Befund des Europäischen Patentamts im Rennen der bereits vierten industriellen Revolution zunehmend hinter Amerika, China und sogar Korea zurück! Nun waren wir Deutsche immer schon miserable Revolutionäre, abgesehen vielleicht von 1989. Aber auch jener Umsturz war ja höchstens ein halber, weil im Westen alles beim Alten blieb und im Osten manches. Doch unseren Tüftlern konnte selbst nach der Wiedervereinigung lange Zeit keiner das Wasser reichen. Das soll nun vorbei sein?

Berthold Kohler

Uns kommt das wie ein chinesisches Märchen vor. So wie diese angebliche Mondlandung. Die Ankunft Deutschlands in der digitalen Postmoderne haben wir dagegen mit eigenen Augen gesehen. Neulich fuhren wir ein Auto mit Hybrid-Antrieb zur Probe. Dort, wo bis vor kurzem nur ein Tacho und vielleicht noch ein Drehzahlmesser ihren Dienst verrichteten, blitzt jetzt ein Anzeigendisplay auf, als hätten die Ingenieure das Cockpit einer F-35 mit der Schalttafel einer Biogasanlage gekreuzt. Das soll nicht innovativ sein?

Und erst unser neuer Arbeitsplatz der Zukunft! Wenn uns einer anruft, pfeift unser Schreibtisch Bonanza. So muss es auch an allen Ecken und Enden geblinkt und gepiept haben, als in Tschernobyl der Reaktor durchging. Auch damals war es ja völlig wurscht, auf welche Taste man danach in welcher Reihenfolge drückte.




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Inzwischen kann man dank grandioser Erfindungen wie dem Headset alles gleichzeitig machen: sprechen, hören, tippen – und das alles in rasender Geschwindigkeit. Unser verehrter Vorgänger schrieb seine Kommentare noch mit dem Stift auf Papier, bevor er sie seiner Sekretärin in die Maschine diktierte. Anschließend musste alles in Blei gegossen und auf der Mutter aller Maschinen gedruckt werden. Heutzutage kann ein jeder mit einem Knopfdruck in alle Welt senden, was in seiner Homeoffice-Echokammer gerade die Abschirmung seines Aluhuts durchschlagen hat. Nicht einmal dem amerikanischen Präsidenten fällt beim Schleudern seiner Geistesblitze noch ein „Säzzer“ in den Arm.

Unsere digitalen Heinzelmännchen, ob sie so geschwollen daherreden wie Alexa oder nur monoton murmeln wie der ungetaufte Mähroboter, drängen sich inzwischen derart unaufhaltsam in alle Bereiche unseres Lebens, dass man sich sogar manchmal wünscht, sie wären, von wem auch immer, nie erfunden worden. Wohl dem, der sich in dieser Maschinenwelt noch menschliches Personal leisten kann. Wie etwa die Queen. Die hat zwar, wie die Dokumentarserie auf Netflix zeigt, mit ihrer Familie ein wirklich schweres Los gezogen. Aber auf ihre Dienerschaft konnte sie sich immer verlassen. Früher jedenfalls.

Doch kommt es im Zeitalter der unendlichen digitalen Revolution auch im Vereinigten Königreich zu Vorkommnissen, wie das Land sie nicht einmal in der „Glorious Revolution“ von 1689 erlebt haben dürfte. Wer wurde jetzt mit großem Brimborium zuerst gegen Corona geimpft? Nicht etwa die 94 Jahre alte Elisabeth II., sondern eine deutlich jüngere Bürgerliche, die zudem noch Margaret hieß, was die Queen als doppelte Provokation ansehen muss.

Shocking auch diese unglaubliche Revolte auf Schloss Sandringham, der Weihnachtsresidenz der Königin: Die dortigen Lakaien sollen sich geweigert haben, in eine vierwöchige Quarantäne zu gehen, um der Queen und ihrem Prinzgemahl mit Christmas Crackers und Plumpudding aufwarten zu können. Angeblich aus Protest gegen diese unerhörte Verweigerung hat die Haushälterin in Sandringham nach 32 Jahren im Dienste der Krone gekündigt.

Diese Konsequenz mag aus deutscher Sicht etwas unlogisch erscheinen. Aber sie wäre typisch britisch bis hin zu dem Aspekt, dass die ganze Geschichte im Boulevardblatt „The Sun“ erschienen ist. So kann man also hoffen, dass sie gar nicht stimmt und wenigstens in den höchsten Kreisen Britanniens die Welt noch nicht ganz aus den Fugen geraten ist, wo doch sonst überall der Wurm beziehungsweise das Virus drin ist, möglicherweise sogar in unserer schönen neuen Dockingstation.

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