#Hier entsteht das neue Krakau
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Zwei Besuche in Nowa Huta, der einstigen kommunistischen Musterstadt Polens, die kurz nach dem Zweiten Weltkrieg am Stadtrand Krakaus aus dem Boden gestampft wurde. Wer vor zehn Jahren die Hallen der Stahlhütte betrat, ausgerüstet mit Helm und Schutzbrille, konnte zuschauen, wie sich große Bleche, weiß glühend und zischend, auf einer Art Fließband durch die halbdunklen Fabrikhallen bewegten. Damals produzierte der indische Stahlgigant Arcelor Mittal hier vor allem Bleche für die Automobilindustrie, zuletzt mit 3500 Mitarbeitern.
Wer heute an einem Werktag vor dem Werkstor steht, hört den Wind pfeifen und die Vögel zwitschern. Hin und wieder hält ein Auto am Schlagbaum und fährt dann auf das weitläufige Gelände. Arbeiter sind nicht viele zu sehen. Der Konzern hat 2019 die Produktion in der Stahlhütte eingestellt. Man befürchtete den Niedergang eines ganzen Stadtteils, der zeitweise 100.000 Einwohner hatte. Vor dem Werksmuseum steht eine Schulklasse. Einer der Jugendlichen sagt stolz und wehmütig: „Mein Großvater hat hier gearbeitet.“
Die Gründung von Nowa Huta („Neue Hütte“) war politisch bedingt. Die herrschenden Kommunisten wollten Krakau, der einstigen Haupt- und Königsstadt Polens, die im Krieg kaum zerstört wurde, einen kleinen Bruder an die Seite stellen. Die konservativ-katholische Metropole sollte so dem Einfluss des Proletariats ausgesetzt werden, das – vermeintlich – mit dem neuen System sympathisierte. Der starke Arm der Arbeiter sollte wuchtige Mietshäuser bauen, aber bitte keine einzige Kirche. Die Bevölkerung leistete jedoch Widerstand, der auch durch Polizeieinsätze nicht gebrochen wurde. 1977 entstand unter tatkräftiger Mithilfe der Bürger die Kirche „Arche des Herrn“, die mit ihrer bauchigen Gestalt an Le Corbusiers Kapelle in Ronchamp erinnert. Schirmherr dieser Entwicklung war der damalige Erzbischof Karol Wojtyła, der wenig später als Johannes Paul II. Papst wurde.
„Viele junge Leute kommen, um hier zu leben“
Heute ist Nowa Huta, nach der Wende ein Brennpunkt der Kriminalität, ein beliebter Teil Krakaus geworden. „Viele junge Leute kommen, um hier zu leben“, erzählt Stanisław Moryc, der Vorsitzende der Stadtbezirksversammlung. „Sie freuen sich über hohe Decken und Parkettböden. Manche kaufen auch Wohnungen. Die Preise sind noch erschwinglich, aber haben schon angezogen.“ Noch deutlicher wird ein Stadtverordneter aus dem „alten“ Krakau, Łukasz Maślona: „Viele in unserer Stadt beginnen, die Einwohner von Nowa Huta zu beneiden. Die Stadtplanung des alten Systems hatte auch gute Seiten: Nowa Huta ist begrünt und großzügig angelegt und doch zugleich eine 15-Minuten-Stadt, in der jeder Einwohner alles Nötige in fußläufiger Entfernung hat.“
Einige Häuserblocks weiter führt Jarosław Klaś, Leiter eines nach dem Dichter Cyprian Norwid benannten Kulturzentrums, durch sein Haus. Es zeigt polnische Malerei des 20. Jahrhunderts, aber auch ein paar düstere Grafiken aus Eisenhüttenstadt. Die Stadt in der damaligen DDR war als „Stalinstadt“ gegründet worden, etwa zur gleichen Zeit wie Nowa Huta. „Natürlich erwarten viele Besucher, hier auch diese Werke des sozialistischen Realismus zu sehen“, sagt der 33 Jahre alte Direktor zur Erklärung. „Viele Menschen in unserem jungen Stadtteil haben ihn noch mit aufgebaut, in freiwilligen Arbeitseinsätzen“, sagt Klaś. „Die Identifizierung mit dem Viertel ist in Nowa Huta höher als in anderen Teilen Krakaus.“ Was die Identifikation weiter stärkt, sind die „Bürger-Budgets“. In diesem inzwischen in ganz Polen praktizierten Verfahren können Bürger direkt darüber abstimmen, für welche Projekte ein Teil des städtischen Haushalts verwendet werden soll.
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