#Höchste Zeit oder eine entsetzliche Dummheit?
„Höchste Zeit oder eine entsetzliche Dummheit?“
Unterschiedlicher könnte das Echo auf die Aussetzung der Präsenzpflicht an Berlins Schulen kaum sein. Dabei gibt es aus der Sicht der Berliner Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) kaum einen günstigeren Zeitpunkt dafür. Denn am Freitag beginnen in Berlin die Winterferien, es sind nur drei Schulstunden mit Zeugnisausgabe vorgesehen. Nach den Winterferien soll täglich getestet werden. Bis Ende Februar soll die Präsenzpflicht in Berlin ausgesetzt bleiben, in Brandenburg ist sie schon länger ausgesetzt. Die Bildungsverwaltung sah sich dazu zum einen durch die massiv ansteigenden Infektionszahlen gezwungen. Unter den 5 bis 9 Jahre alten Kindern liegt die Inzidenz in Berlin bei 3689, bei den 10 bis 14 Jahre alten Jugendlichen bei 3949 und bei den 15 bis 19 Jahre alten bei 2712. Hoch sind auch die Infektionsraten bei Erziehern und Lehrern.
Außerdem hatten sich in seltener Einmütigkeit die Bezirkselternausschüsse nahezu aller Bezirke zusammengetan, um die Aussetzung der Präsenzpflicht von Giffey zu fordern. Seit Dienstag entscheiden die Eltern selbst, ob sie ihre Kinder in die Schule schicken oder nicht. In Neukölln etwa sind es nur ein bis drei Prozent, die ihre Kinder vorsichtshalber zu Hause lassen. Sie müssen der betreffenden Schule eine formlose schriftliche Mitteilung schicken. Unter besonderen Druck war der Senat durch die unsicheren Quarantänebestimmungen geraten.
Nachdem Amtsärzte einzelner Bezirke schon in den vergangenen Tagen dazu übergegangen waren, die Kontaktverfolgung für Schüler zu beenden und direkte Kontaktpersonen nicht mehr in Quarantäne zu schicken, und ein solches Vorgehen von allen Amtsärzten als Gesamtstrategie angekündigt wurde, war in den Augen der überraschten Bildungsverwaltung eine neue Lage eingetreten. Seither werden nur noch positiv getestete Schüler in Quarantäne geschickt, der Sitznachbar eines infizierten Schülers aber nicht mehr, egal ob er geimpft ist oder nicht. Berufen haben sich die Amtsärzte auf das Robert-Koch-Institut (RKI), das schon seit Mitte Januar die Aufhebung der Quarantäne für Kontaktpersonen gefordert hat. „Es ist nun ein Stadium der Pandemie erreicht, bei dem man sich auf die Alten und Kranken und nicht auf die Jungen und Gesunden konzentrieren muss“, so das RKI.
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Die Aufhebung der Präsenzpflicht durch die Schulbehörde bezeichnete der Reinickendorfer Amtsarzt Patrick Larscheid wenig zimperlich als „entsetzliche Dummheit“, weil sie im Hygienebeirat nicht abgesprochen wurde. Die Berliner Familien, aber auch Kitas und Schulen waren durch die Ankündigung der Amtsärzte ihrerseits maximal verunsichert worden, weil sie der aktuellen Infektionsschutzverordnung des Senats widerspricht. Die Berliner Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne) zeigte sich am Dienstag enttäuscht vom Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz und forderte eine rasche Überarbeitung der Testverordnung. An diesem Mittwoch trifft sich der Gesundheitsausschuss des Senats zu einer Sondersitzung.
Weil die Gesundheitsämter keine Quarantänebescheinigungen mehr ausstellen wollen oder können, werden diese in Berlin inzwischen von Kitas und Schulen ausgestellt, entsprechende Formblätter seien zur Verfügung gestellt worden, sagte Busse am Dienstag in Berlin. Allerdings erkennen aus juristischen Gründen nicht alle Arbeitgeber solche Bescheinigungen an, die den bei ihnen beschäftigten Eltern Kinderkrankentage ermöglichen sollen. Die Bildungsverwaltung will nun bei den Amtsärzten erreichen, dass sie zumindest in Ausnahmefällen Eltern eine entsprechende Bescheinigung ausstellen.
Der Bundesvorsitzende des Realschullehrerverbandes (VDR), Jürgen Böhm, kommentierte die Aussetzung der Präsenzpflicht an Berliner Schulen „als absolute Bankrotterklärung der Politik in der Pandemie“. Das Mantra von den Schulen als sicheren Orten, die nicht zur Verbreitung der Pandemie beitrügen, habe endgültig ausgedient.
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