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#Ich bin ein Mann, ich tanz jetzt mal

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Ich bin ein Mann, ich tanz jetzt mal

Tiefe und flache Teller wild durcheinander, eine schief hineingekeilte Pfanne, die das halbe Fach blockiert: Vielleicht ist Spülmaschineneinräumen die letzte Disziplin, in der Männer Frauen überlegen sind. Ansonsten ist die bequeme Vorherrschaft dahin, in der Familie, im Job, am Grill oder im Stadion, wo die Frauen sogar einen Tick lauter jubeln, wenn siegreiche Italiener die Hosen fallen lassen.

Manche (jungen) Männer irritiert das so sehr, dass sie Trost bei Predigern, Nationalisten oder Ermannungspsychologen wie Jordan Peterson suchen, die alle an der alten (heute: „toxisch“ genannten) Übersichtlichkeit festhalten wollen. Freilich erweist sich die Maskulinitätsideologie auch im Rückblick als fragil. So hat etwa die Frühgeschichte entdeckt, dass manche schmuckgefüllten Gräber Männern gehörten, einige mit Waffenbeigaben aber Frauen. Auch die Jagd war in der Urzeit wohl kein männliches Privileg.

Dass Männer trotzdem die längste Zeit mit Gewalt über Frauen geherrscht haben, lässt sich nicht leugnen, vielleicht aber ein Stück weit erklären mit männlicher Angst. Das hat zumindest Klaus Theweleit in seinen „Männerphantasien“ versucht, in denen er den Faschismus auf die Panik vor der Körperauflösung zurückführt: der Mann als „Fragmentkörper“, der Hierarchiefreiheit nicht aushält. So gesehen wäre die Gegenwart mit ihren durchlässig gewordenen Geschlechterkategorien auch eine Befreiung des Mannes, der endlich alles sein darf, weil er kein „er“ im erigierten Sinne mehr sein muss, sondern jede sexuelle Orientierung leben und Gefühle zeigen kann.

Ist der eigene Vater ein Vorbild?

Dass über diesen enormen Wandel im männlichen Selbstverständnis, der in zwei, drei Generationen stattgefunden hat, weit weniger reflektiert wird als über weiblich-emanzipative Selbstfindungen, diese Feststellung der jungen Filmemacherinnen Felicitas Sonvilla und Nina Wesemann, trifft sicher zu. Und so ist zu begrüßen, wenn sich ihre Dokumentarserie vornimmt, „den aktuellen Diskurs, die Unsicherheiten, Ablöseprozesse und Findungsansätze der Männer von heute ausleuchten“ zu wollen. Das auf eine derart naive, theoriefreie Weise anzugehen, ist freilich mutig. Dabei wirkt es zunächst durchaus charmant, dreißig Exemplare der zu erforschenden Art in eine Einzel-Interviewsituation zu bringen, die mehr an Gesprächstherapie als an ein Verhör erinnert, und nun einfach lächelnd alles zu fragen, was Frau so in den Sinn kommt: Was halten junge Männer von der Liebe und vom Vatersein? Was bedeutet ihnen Sex? Welches Verhältnis haben sie zu ihrem Körper? Ist der eigene Vater ihr Vorbild? Wurden Sie schon einmal übergriffig?

Hat erstaunlich wenig zu sagen: Kevin Kühnert (SPD).


Hat erstaunlich wenig zu sagen: Kevin Kühnert (SPD).
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Bild: ZDF und Laura Ettel

So divers wie die ausgesuchten Gesprächspartner sind die Antworten. Der eine fühlt sich „ständig männlich“, andere hinterfragen als schwule oder als Trans-Männer gleich das zugehörige Konzept. Einer erzählt von seinem Fußball-Fanclub, in dem Frauen unerwünscht sind (Ablenkung), andere geben zu, ihr Pornokonsum habe sie katastrophal verblendet. Zwei Interviewte zeigen sich genervt vom tendenziell vorwurfsvollen Cis-Mann-Gerede, andere begreifen sich als stark privilegiert und unterstützen den Feminismus. Tiefes und Flaches wild durcheinander. Gespalten sind die Meinungen über Online-Dating, das aber alle machen. Väter sind oder wären die meisten dabei sehr gerne. Unsympathisch wirkt niemand, und alle reden, so scheint es, grundehrlich. Nur was ergibt sich aus der langen Abfolge von privaten, eher trivialen Antworten?

Sie stellen die Fragen: Felicitas Sonvilla (links) und Nina Wesemann.


Sie stellen die Fragen: Felicitas Sonvilla (links) und Nina Wesemann.
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Bild: ZDF und Laura Ettel

Der Erkenntniswert ist beschränkt, weil es sich nicht um eine repräsentative Auswahl handelt. Die Teilnehmer gehören alle zum Typus neuer Mann, auch die wenigen, die etwas muskulärer auftreten. Mehrheitlich darf man die Gesprächspartner gar zur emanzipatorischen Avantgarde rechnen, auch die beiden (wohl nur aus Vermarktungsgründen hinzugefügten) Prominenten, den mitunter wie ein Queer-Feminist redenden Emo-Rapper Kelvyn Colt und den erstaunlich wenig beitragenden Kevin Kühnert. An die Verunsicherung kommt man so nicht heran. Es wäre weniger angenehm, aber viel aufschlussreicher gewesen, auch aggressive Antifeministen, bildungsferne Machos oder einen fundamentalistischen Muslim oder Katholiken antworten zu hören, statt eine Buntheit zu dokumentieren, die nur die Buntheit der Auswahl widerspiegelt.

Am meisten aber stört die ästhetische Einfallslosigkeit der Serie. Die Bühnensituation, ein müde nach vorn auslaufender Vorhang, bleibt unverändert. Unterbrochen werden die Gespräche von Szenen, in denen die Interviewten gewissermaßen ihr Inneres tanzen. Mit der radikalen Kreativität einer Yoko-Ono-Performance war nicht zu rechnen, aber so riecht es doch sehr nach Filmschulen-Seminar. Dieser bildkünstlerische Minimalismus mag den Fokus bewusst auf den Inhalt der zusammengeschnittenen Selbstauskünfte lenken, aber nun wird doppelt deutlich, dass diese die geweckten Erwartungen – Generationenporträt, Resümee des Männlichkeitsdiskurses, Analyse neuer Geschlechterkonkurrenz – nicht zu erfüllen vermögen.

Dennoch hört man den Redenden gern zu, oft mit der leicht betretenen Faszination, mit der man früher „Wahrheit oder Pflicht“ spielte. Die als weiteres EM-Beiprogramm (mit heruntergelassener Hose) konzipierte Serie aus dem ZDF-Formatlabor Quantum sucht auch gar nicht den großen Bildschirm, sondern ist als Häppchen-Format für die Social-Media-Nutzung optimiert. In dieser Hinsicht funktioniert sie. Dass darin die Zukunft der öffentlich-rechtlichen Produktionen liegen soll (Online-First-Strategie), wird durch diese oberflächliche Plauderei jedoch nicht beworben.

Alle sieben Folgen von Boys, in der Mediathek abrufbar, laufen am Montag, 23.30 Uhr, im ZDF.

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