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#Ich fürchte, Sie haben Hizbullah

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Ich fürchte, Sie haben Hizbullah

Für Karikaturisten ist Libanon ein gutes Land. Vielleicht zu gut. Bernard Hage, der das politische und gesellschaftliche Leben seit bald drei Jahren mit seinen immer samstags in der Tageszeitung L’Orient – le Jour erscheinenden Zeichnungen seziert, fühlt sich unter Druck. Als Karikaturist, sagt er an diesem Nachmittag in einem von Baulärm umschwirrten Hipster-Café nahe dem Hafen, sei er in der Lage, surreale und absurde Szenarien zu entwerfen, mit denen er die Realität aufspieße.

Doch in einem Land, in dem Absurdität zum Alltag gehört, wird es schwierig. Neulich, als bekannt wurde, dass sich der zwar zurückgetretene, aber kommissarisch noch amtierende Ministerpräsident des Landes mit einem 130 Seiten starken Lebenslauf in Qatar um einen Job beworben habe (was er als „lächerlich“ zurückwies), war wieder so ein Moment. „Das ist besser als jeder Cartoon!“, ruft Hage. „Manchmal fühlt es sich an wie ein Wettbewerb, als müsste ich denen mal sagen: Leute, es ist mein Job, solche Witze zu machen, nicht eurer.“

Bernard Hage hat sich in kurzer Zeit einen Namen gemacht. Gut dreihundert Menschen kamen kürzlich zur Vorstellung seines neuen Buches, das Karikaturen aus den vergangenen Jahren versammelt und teils mit Fußnoten versieht, damit nicht nur Libanesen sie verstehen können. Auch aus Paris erreichten ihn Glückwünsche, ausgerechnet aus der Direktion des „Institut du monde arabe“. „So viel Anerkennung von kulturellen Institutionen habe ich in meinem eigenen Land nie erfahren“, sagt er. Dabei ist er mit seinen unverkennbar minimalistischen schwarzhumorigen Karikaturen, für die die französischsprachige Zeitung ihm manchmal ganze Seiten reserviert und freie Hand lässt, zum ersten Chronisten einer für Libanon so verheerenden Zeit avanciert.

Zeitstrahl des Zerfalls

Sein Buch dokumentiert diesen Niedergang von Wirtschaftskrise und Inflation über die Pandemie bis zur Explosion im Hafen von Beirut. Bernard Hage hat nichts ausgelassen von dem, was viele Libanesen innerhalb von nicht einmal zwei Jahren ihre Lebensstandards und oft auch die Hoffnung verlieren ließ. In einer Karikatur verbannt er die „Mittelschicht“ in einen Schaukasten des „Museums für ausgestorbene Arten“. In einer anderen liegt Libanon als kranker Mann im Bett, während der Arzt diagnostiziert: „Ich fürchte, Sie haben Hizbullah.“

Hages Humor ist dunkler geworden mit der Zeit. Eine von wenigen Karikaturen, die nicht sarkastisch sind, stammt aus den frühen Tagen der Proteste, die im Herbst 2019 zumindest für ein paar Wochen konfessionsübergreifend das ganze Land auf die Straße trieben. Damals hatte er eine „Thawra Vision 2030“ erstellt (thawra bedeutet Revolution) mit „Dingen, die wir in naher Zukunft gerne hören würden“. Es sind kleine Szenen, die eine Mutter bei der Frage zeigen, ob ihr Kind gerne im Park die Ente füttern möchte; einen Polizisten, der einem Passanten mit Hund verbietet, auf dem Fahrradstreifen zu spazieren; eine Stimme aus dem Off, die den nächsten Halt der Metro ankündigt. Doch jene Tage, in denen die Wünsche nach Parks, Metros und Fahrradwegen nicht utopisch klangen, waren schnell vorbei.

Als Libanese, scherzt Hage, verbringe man ohnehin die meiste Zeit seines Lebens damit, die Emigration zu planen. Die mannigfachen Krisen haben seine eigenen Planungen beschleunigt. In ein paar Wochen will er nach Berlin aufbrechen, im Juli dort unter seinem Künstlernamen „The Art of Boo“ an der Seite der Künstlerin Paola Yacoub ein paar Zeichnungen in der Galerie des DAAD ausstellen. Deutsch hat er schon gelernt. „Aber jetzt gehe ich nicht, um eine andere Kultur zu entdecken, sondern ich fliehe. Ich breche weniger würdevoll auf, als ich wollte.“

Drei seiner engsten Freunde haben das Land schon verlassen, alle nach der Explosion, die auch Hages Beziehung zur Stadt veränderte: „Ich erkenne Beirut kaum wieder, die Stadt ist wie im Limbus.“ Die Gouraud Street, in der er seine Jugend verbrachte, zieht sich durch genau jene Viertel, die am schwersten getroffen wurden. „Meine Erinnerung hängt an bestimmten Orten, an diesem Café, an jenem Haus. Das alles zerstört zu sehen ist, als würde jemand in mein persönliches Leben einbrechen und sagen: Das ist nichts.“

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