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#„Ich schäme mich für diese Kirche“

„Ich schäme mich für diese Kirche“

Das neue Gutachten zu sexuellem Missbrauch im Erzbistum München und Freising hat in der katholischen Kirche und unter ihren Mitgliedern ein Beben ausgelöst – auch in den Bistümern der Rhein-Main-Region. Die Anschuldigungen seien „die fortgesetzte Totengräberei für die Volkskirche“, sagte Frankfurts Stadtdekan Johannes zu Eltz am Freitag, am Tag, nachdem das Gutachten in München der Öffentlichkeit präsentiert worden war. Nach den Querelen um die schleppende Aufarbeitung im Erzbistum Köln zeige sich abermals das „systemische Versagen“ beim Umgang mit Opfern und Tätern sexuellen Missbrauchs.

Das Münchner Gutachten thematisiert Dutzende Fälle von Fehlverhalten kirchlicher Verantwortungsträger zwischen 1945 und 2019. Die Rede ist von insgesamt fast 500 Geschädigten und 173 beschuldigten Priestern.

Besondere Brisanz erhält das Gutachten durch die Vorwürfe gegen den emeritierten Papst Benedikt XVI., der sich in vier Fällen Fehlverhalten vorwerfen lassen muss und in einer schriftlichen Stellungnahme gelogen haben soll. Der fast 95 Jahre alte „Papa emeritus“ will sich nach Angaben seines Sprechers dazu noch äußern.

„Nicht enden wollenden Strom der Kirchenaustritte“

Während die Bistümer Mainz und Fulda am Freitag auf Anfrage der F.A.Z. keine Stellungnahmen zu dem Gutachten abgeben wollten, sagte der Limburger Bischof Georg Bätzing: „Ich schäme mich für diese Kirche“. Die Gemeinden vor Ort sind indes mit den konkreten Folgen dieser neuerlichen Debatte beschäftigt. Kaum eine Institution finden die Deutschen zurzeit nach einer Forsa-Umfrage von Mittwoch so wenig vertrauenswürdig wie die katholische Kirche. Demnach haben nur noch zwölf Prozent der Bundesbürger großes Vertrauen in die Kirche, vor fünf Jahren waren es immerhin noch 28 Prozent. Im Bistum Limburg sind 2019 mehr als 9400 Menschen aus der Kirche ausgetreten, das waren rund 1460 mehr als im bisherigen Rekordjahr 2013.

Es ist ein Aderlass, der, so scheint es, kaum zu stoppen ist. Stadtdekan zu Eltz, der zugleich Pfarrer in der Frankfurter Dompfarrei St. Bartholomäus ist, beklagt einen „nicht enden wollenden Strom der Kirchenaustritte“. Seine Gemeinde erreichten zwischen 700 und 800 Austrittsgesuche im Jahr, eine Quote von drei Prozent. Vor allem die Jüngeren, die Familien gründeten oder beruflich besonders engagiert seien, wollten nicht „mit einer Institution verbunden sein, die sich in einer existenzbedrohenden Lage als unbeweglich erweist“, sagt zu Eltz.

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Das düstere Stimmungsbild zieht sich, mehr oder minder, quer durch die Gemeinden, wie eine nicht repräsentative Stichprobe am Telefon zeigt. „Am Glauben zweifle ich nicht“, sagt Jörg Hellmich, Gemeindemitglied im Frankfurter Stadtteil Preungesheim. „Aber ich zweifle an der Institution.“ Das Ausmaß der Skandale sei „einfach erschreckend“. Eine Mitarbeiterin einer anderen Kirchengemeinde erzählt, wie sie am Morgen mit einer Kollegin über diese „traurige Sache“ gesprochen habe. Sie frage sich, wie man „die Kirche da noch verteidigen könne“. Viele kirchliche Mitarbeiter fühlen sich ratlos und alleingelassen. Auf diese „toxische Mischung“ wies auch zuletzt der Direktor der katholischen Akademie in Frankfurt, Joachim Valentin, im Gespräch mit der F.A.Z. hin.

Leitfäden sollen sexuellen Missbrauch verhindern

Der Pfarrer der Frankfurter Sankt-Jakobus-Gemeinde, Werner Portugall, bezeichnet das Gutachten als weiteren Tiefpunkt in einer Reihe von „Lawinen und Erschütterungen“, zumal es wegen der Vorwürfe gegen den früheren Papst sowie gegen den Münchner Erzbischof Reinhard Kardinal Marx einen „besonderen Rang“ einnehme.

Allerdings sei es auch wichtig, die Präventionsbemühungen des Bistums und der Gemeinden zu würdigen. Portugall wird konkret: Seine Gemeinde erarbeitet in diesen Wochen eines der sogenannten institutionellen Schutzkonzepte (ISK), die die Rahmenordnung „Prävention gegen sexualisierte Gewalt“ der Deutschen Bischofskonferenz von 2019 vorsieht.

Bei den ISK handelt es sich um konkret formulierte Leitfäden, die sexuellen Missbrauch verhindern helfen sollen. Darin sollen Fragen wie die Angemessenheit von Körperkontakt, Sprache, Wortwahl und Kleidung in der kirchlichen Jugendarbeit geregelt werden. Oder Fragen wie, welche Standards gelten bei Übernachtungen in Gemeindezentren, und wie müssen Räumlichkeiten beschaffen sein, damit mögliche Täter ihren potenziellen Opfern gar nicht erst zu nahe kommen können? Auch Schulungen von Gemeindereferenten sind Teil des Präventionsprogramms, das sich die Gemeinden selbst geben. Das Bistum formuliert dafür Bausteine auf seiner Homepage, prüft die ISK fachlich und gibt unter Umständen Hinweise für Veränderungen. Das Dokument wird schließlich in die Pfarrgemeinde- und Verwaltungsräte gegeben. In Portugalls Gemeinde soll das im Frühjahr geschehen.

Solche Bemühungen um Prävention und Transparenz geraten im öffentlichen Bild der katholischen Kirche allerdings regelmäßig in den toten Winkel, sobald neue Gutachten das Ausmaß der Missbrauchsfälle beleuchten. Stadtdekan zu Eltz sieht keinen „großen Hebel“, um das zu ändern. Vielmehr müsse man „ordentliche Arbeit im Bistum machen“ und im Zweifelsfall eine „Koalition der Willigen“ mit anderen Bistümern zusammenbringen, um notwendige Reformen und die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle voranzubringen. Dass sich führende Kirchenvertreter zierten, Verantwortung zu übernehmen und zurückzutreten, sei allerdings ein Hemmschuh, ein Motto drücke das aus: „Das Problem, dessen Teil ich bin, kann ich nicht selbst lösen.“

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