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#„Ich schlage den Bürgermeister tot“

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Schnellen Schrittes läuft Bernhard Voget den dunklen Flur mit den Ahnenporträts an der Wand entlang und dann die knarzende Holztreppe hinauf ins Obergeschoss. Von hier bietet sich ein wunderbarer Blick in den blühenden Garten auf der einen und den Gutshof auf der anderen Seite. „Da drüben in dem Fachwerkhaus war früher der Schweinestall“, erzählt er. „Dort hinten waren Kühe und daneben die Pferde untergebracht.“ Heute betreibt Voget hier Ackerbau, in der Mitte des Hofs stehen sechs hohe Getreidesilos samt Förderanlagen. Vogets Kinder lugen kurz aus der Tür, seine Frau kommt gerade mit dem Fahrrad von der Schulkonferenz. Es ist wieder Leben eingezogen auf dem Hof, auf ihrem Hof in Körner, einem 1800-Einwohner-Dorf nahe Mühlhausen in Thüringen.

Stefan Locke

Korrespondent für Sachsen und Thüringen mit Sitz in Dresden.

Das hätte sich die Familie, hätten sich Vogets Vorfahren vor 70 Jahren nicht mehr vorstellen können. Damals schienen Hof und Landwirtschaft, welche die Familie an diesem Ort seit Anfang des 19. Jahrhunderts betrieben hatten, für immer verloren. Dabei hatte Vogets Großvater, Rudolf Sutor, seinen Betrieb in der sowjetischen Besatzungszone zunächst behalten können. Er bewirtschaftete 95 Hektar und fiel damit nicht unter die Bodenreform, nach der Großgrundbesitzer, die mehr als 100 Hektar Land besaßen, enteignet wurden. „Junkerland in Bauernhand“ lautete die Parole. Das Land wurde zum Großteil an sogenannte Neubauern vergeben, von denen viele „Umsiedler“, also Vertriebene aus den einstigen Ostgebieten Deutschlands waren. Auf diese Weise war knapp ein Drittel der landwirtschaftlichen Nutzfläche in der sowjetischen Besatzungszone neu verteilt worden.

Trotz dieser Umwälzung hatte die Agrar­produktion in der gerade gegründeten DDR bereits 1950 wieder das Vorkriegsniveau erreicht. Doch waren 95 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe in privater Hand. Das war der SED ein Dorn im Auge. „Angesichts der Effizienz und Produktivität erwies es sich als geradezu töricht, die Sozialstruktur auf dem Land nach der Bodenreform ein zweites Mal zu verändern“, sagt der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk. Aber die Großbauern sollten als soziale Gruppe beseitigt sowie Klein- und Mittelbauern kollektiviert, also in Agrargroßbetriebe eingegliedert werden, die sogenannten Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG).

Erst wird das Telefon abgestellt

Damit legte die Partei die Lunte an ein Pulverfass, das ihr elf Monate später, im Juni 1953, um die Ohren fliegen sollte. Auf dem Land setzten Agitatoren Bauern enorm unter Druck, sich den LPGs anzuschließen. Sie sollten ihr Land, ihr Vieh und ihre Maschinen in Genossenschaften einbringen. Die Funktionäre machten immer mehr Tempo. „Allein aufgrund einer einzigen im Februar 1953 verabschiedeten Verordnung wurden innerhalb von fünf Wochen mehr als 6500 Bauern von ihren Höfen vertrieben“, sagt der Agrarhistoriker Jens Schöne, der die Vorgänge rund um den 17. Juni auf dem Land erforscht hat. Bauern, die sich weigerten, wurden mit bewusst überhöhten Steuerforderungen und Ablieferungssolls sowie gezinkten Anklagen überzogen.

Bernhard Voget auf dem Hof der Familie in Körner


Bernhard Voget auf dem Hof der Familie in Körner
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Bild: Dominique Wollniok

So erging es auch Rudolf Sutor in Körner. Auf einem Tisch hat sein Enkel Bernhard Voget Akten von damals ausgebreitet. Voget ist 46 Jahre alt und hat den Betrieb vor 15 Jahren von einem Onkel und den Eltern übernommen. Sie haben unmittelbar miterlebt, was vor 70 Jahren geschah. Allerdings sei in der Familie jahrzehntelang nicht darüber gesprochen worden, erinnert sich Voget. „Das Kapitel Thüringen war abgeschlossen, es wurde nicht thematisiert, wahrscheinlich war es für alle einfach zu schmerzhaft.“

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