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#„Ich und die Anderen“: Das neue Sky Original hat Kultpotential

„Ich und die Anderen“: Das neue Sky Original hat Kultpotential

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In „Ich und die Anderen“ gerät die Welt um einen Geschäftsmann aus den Fugen. Im Rahmen der Berlinale feiert das neue Sky-Original von David Schalko seine Weltpremiere und hinterlässt einen großartigen Eindruck.

Irgendwie ist heute alles anders. Die Menschen in Tristans (Tom Schilling) Umfeld benehmen sich merkwürdig. Diskretion scheint plötzlich für alle ein Fremdwort zu sein. Alle scheinen über ihn in jeglicher Hinsicht Bescheid zu wissen. Sein neuer Ansprechpartner: ein mysteriöser Taxifahrer (Ramin Yazdani), der ihm alle Wünsche erfüllen will. Aber mit welchen Konsequenzen? Tristans nächster Wunsch folgt nach kurzer Zeit: Alle Menschen sollen sich fortan nur noch die Wahrheit sagen.

Damit ist die nächste Eskalationsstufe in David Schalkos („M – Eine Stadt sucht einen Mörder“) Serie erreicht, die sich in den sechs Episoden in immer neue skurrile Wendungen und Kettenreaktionen bewegt. „Butterfly Effect“ lässt grüßen, etwas „Matrix“ gesellt sich später ebenfalls hinzu. Besiedelt ist dieser Mikrokosmos von Exzentrik und Skurrilität. Begriffe wie „Authentizität“ werden hier sowieso in ihre Einzelteile zerschlagen. Tristans Eltern (Martin Wuttke und Sophie Rois) tauchen als penisfixierte Paradiesvögel auf, Lars Eidinger als zwielichtiger Chef rollert auf dem Hoverboard durchs Büro.

Die beste deutsche Serie seit langem

Wenn eine deutsche Serie oder auch nur ein einzelner Film erscheint, der sich selbst als besonders schräg und originell begreifen will, dann ist in der Regel Vorsicht geboten. Auf Schalkos Serie treffen diese Bezeichnung allerdings tatsächlich einmal im besten Sinne zu. „Ich und die Anderen“ ist vielleicht das bislang beste Sky-Original, Ja, es ist generell mal wieder eine Serie, die man unbedingt sehen sollte. Schalkos Gedankenexperiment ist in einem wahnsinnigen Tempo erzählt und inszeniert. Wo in anderen Serien bereits nach ein bis zwei Folgen alles gesagt wurde, zieht „Ich und die Anderen“ alle Vorzüge aus seiner insgesamt vierstündigen Laufzeit.

Jede Episode ein neuer Gedanke, ein neuer Wunsch. Jede führt noch eine Stufe weiter hinab in den Irrwitz und Exzess. Zugegeben, hier und da verstrickt sich das alles etwas in privatem Geplänkel. Gegen Ende übertreibt es Schalko nebenbei mit postmodernen Meta-Spielereien; Cliffhanger und Durchbruch durch die vierte Wand inklusive. Auch hier darf nicht einfach Schluss sein, alles soll ja in einer möglichen Staffel 2 noch weitergehen können. Nicht jeder Gedanke mag zudem neu ersponnen sein, den Schalko durchexerziert. Nichtsdestotrotz gelingt ihm in den besten Momenten eine wundervoll zugespitzte Gesellschaftsdiagnose, in der Inhalt und surreale Form auf bestmögliche Weise Hand in Hand gehen.

Wandelnde Influencer

Wenn Tristan durch die Straßen läuft und jeder in seiner Umgebung ein Urteil über ihn ausspricht, jeder alles über ihn zu wissen scheint, dann ist das auch Tom Schilling selbst als öffentlicher Star. Es ist aber zugleich auch der gläserne moderne Mensch an sich, der sich durch eine Welt aus aufpolierten Fassaden und gelebten Kalendersprüchen bewegt. Keine Geheimnisse mehr, die Sterne über uns am Himmel als „Taschenlampen unbekannter Fremder“, wie Tristan sinniert.

Selbst der Chatverlauf auf dem Smartphone bleibt nicht geschützt, sondern taucht in riesigen Lettern auf dem Fernsehbildschirm für das Publikum auf. Influencer-Plattitüden, leere Glückseligkeitsversprechen, Konsumterror, Charity-Ideologien, Selbstoptimierung im Konflikt zwischen eigenen und fremden Ansprüchen, die nicht mehr nur als Befragungsprozess, sondern vor allem in aufgesetztem Hedonismus zur Schau getragen wird, all das fasst David Schalko in eine zügellose und immer wieder überraschende Digital-Ästhetik.

„American Psycho“ im Jahr 2021

Die Welt in „Ich und die Anderen“ ist zum Instagram-Feed, zur einzigen Vermarktungsmaschinerie verkommen. Das zeugt hier und da von Holzhammermethodik, entfaltet aber gerade in seiner satirischen Überhöhung eine ungeheure Kraft. Man muss diese Serie nicht direkt mit den ganz großen Kalibern vergleichen, aber folgendes Gedankenexperiment lohnt: Wenn Bret Easton Ellis heute noch einmal „American Psycho“ schreiben würde, Patrick Bateman würde eventuell gar keine Menschen mehr heimlich töten müssen. Seine höchste Grausamkeit bestünde vielleicht vielmehr in dem zerstörerischen Bestreben, sich selbst und andere glücklich zu machen, um jeden Preis immer richtig handeln zu wollen.

Was in „Ich und die Anderen“ anfangs in seinem magischen Realismus noch an Werke wie Thomas Glavinics Roman „Das Leben der Wünsche“ erinnert, wird zunehmend zum Wahnsinnstrip. Das geht so weit, dass Markenwelt, Alltagsräume, fleischlicher und technoider Körper, künstliche Intelligenz und menschliche Ratio bis zur Kollision verschwimmen. Posthumanes Fernsehen in den Kinderschuhen? Schalkos Serie ist nicht nur eine erhellende und kontroverse Dystopie über Subjekt und Gesellschaft, sie ist noch dazu verdammt unterhaltsam. Wahrscheinlich ist es noch zu früh für ein solches Kompliment, aber „Ich und die Anderen“ könnte die Serie des Jahres werden.

„Ich und die Anderen“ soll nach seiner Weltpremiere bei der 71. Berlinale voraussichtlich im Sommer 2021 bei Sky laufen.

Von

Janick Nolting

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