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#Im Bann der Auferstehungspflanze

Im Bann der Auferstehungspflanze

In Paris schickte sich der Nationalkonvent an, das Weihnachtsfest abzuschaffen. Die Feiertage des christlichen Kalenders wurden gestrichen und die Kirchen in Tempel der Vernunft umbenannt. Doch dem republikanischen Kalender war kein dauerhafter Erfolg beschieden. Weder in Frankreich noch in den europäischen Staaten wollten die Menschen die christliche Tradition aufgeben. So kam nach der Okkupation großer Teile der heutigen Schweiz durch französische Truppen im Jahr 1798 an Heiligabend viel Volk in Riesbach am Zürichsee zusammen, um eine scheinbar vertrocknete Pflanze zu bestaunen, die von einer Frau in frisches Wasser gesetzt wurde. Alle warteten geduldig, bis sie sich öffnete, wieder Farbe annahm und zu neuem Leben zu erwachen schien, ganz als sei der Frühling schon gekommen. Ging sie schneller oder langsamer auf als in den vorangegangenen Jahren? Daraus schloss man auf besseres oder schlechteres Wetter im neuen Jahr, auf reiche oder karge Ernte.

Dieses Weihnachtsorakel, das sich bis in die Frühe Neuzeit zurückverfolgen lässt, wurde mit unterschiedlichen Ausprägungen in Frankreich und auf der iberischen Halbinsel, in den deutschen Ländern und in der Habsburgermonarchie befragt. In der Christnacht, so glaubten viele, erwache die Blume genau zu der Stunde, da der Heiland geboren war. In katholischen Gegenden legte man sie in ein mit Weihwasser gefülltes Gefäß und betete den Rosenkranz. Lutheraner und Calvinisten hielt man fern, sonst verdüsterte sich der Blick in die Zukunft.

Göttliche Weisheit

Botaniker nennen die sogenannte Rose von Jericho seit Carl von Linné „Anastatica hierochuntica“, die „Auferstehungspflanze“ aus Jericho. Dabei handelt es sich um einen Kreuzblütler, der heute noch in den nordafrikanischen und vorderasiatischen Wüsten zu finden ist. Die grüne Pflanze wird kaum über fußhoch. Stark verzweigte Stengel tragen spatelförmige Blätter, und die endständigen Blütentrauben sind weiß. Nach der erfolgreichen Ausbildung von kleinen Schoten mit winzigen Samen stirbt das einjährige Gewächs ab. Die verholzten, blattlosen Stengel krümmen sich nach innen und bilden einen dichten Knäuel, dessen Durchmesser etwa 10 bis 20 cm beträgt. So sind die Früchte am Ende der Verästelungen von einem engmaschigen Gitter vor der glühenden Sonne geschützt. Sobald die Pflanze mit Wasser in Kontakt kommt, biegen sich die Stengel wieder nach außen. Allerdings ist und bleibt die Jerichorose tot.

Der Vorgang, der sich beliebig oft wiederholen lässt, ist rein physikalisch zu erklären: Die befeuchteten Stengel quellen durch hygroskopische Bewegungen auf. So sichert die Pflanze ihr Überleben, denn nun öffnen sich die Schoten, und die Samen werden durch Wassertropfen herausgespült und durch den Wind verstreut.

Ein Objekt botanischer Studien

Mittelalterliche Kreuzritter und Jerusalempilger erinnerte die wundersame „Blume“ an die Rosenstöcke von Jericho, mit denen Jesus Sirach im Alten Testament die göttliche Weisheit verglichen hatte, und sie verehrten sie als Symbol der Auferstehung Christi. Die Jungfrau Maria habe eine Jerichorose in ihrer Hand gehalten, als sie das göttliche Kind gebar; und auf der Flucht vor Herodes habe sie ihren Sohn auf dieser Blume gebettet. Rasch fand die Rose ihren Platz in der vormodernen Heilkunde. Von Hebammen wurde sie als geburtsförderndes Mittel eingesetzt und den Schwangeren der Sud von eingeweichten Pflanzen eingeflößt. Auch gegen Erkältung und Haarausfall, Depressionen und Menstruationsprobleme, Gelbsucht und Epilepsie sollte das Gewächs wirken.

Wer eine Rose von Jericho erworben oder von einer Pilgerfahrt mitgebracht hatte und nicht für medizinische Belange benutzte, vererbte sie. Erst der aufklärerische Rationalismus entmystifizierte die Auferstehungspflanze. Sie sollte nicht weiter die Zukunft vorhersagen, sondern ein Objekt botanischer Studien sein. Ihr Nomenklator Linné hing sich ein Exemplar als pflanzliches Hygrometer ins Fenster.

Die Rose von Jericho ist noch immer so beliebt, dass es gleich mehrere Pflanzenarten gibt, die unter diesen Namen verkauft werden, darunter ein wechselfeuchtes Moosfarngewächs aus Mexiko, die Selaginella lepidophylla. Wer die „echte“ Rose von Jericho zum Weihnachtsfest erwirbt, sollte sie in kaltes oder lauwarmes Wasser legen; in heißem Wasser entfaltet sie sich zwar rascher, aber ihre Regenerationsfähigkeit nimmt ab. Nach einer Woche sollte man sie gut trocknen, damit nicht der Schimmel ihrer Auferstehungskraft ein Ende setzt.

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