Nachrichten

#Im Wallfahrtsort der Wichtelfans

Im Wallfahrtsort der Wichtelfans

Spott und Entrüstung, vielleicht noch Mitleid. Das sind Beschreibungen, denen Besitzer von Gartenzwergen oft ausgesetzt sind. Nur wenige verstehen die tiefe Hingabe zum bunten Zwerg, der für andere Menschen so abscheulich ist wie ein geschotterter Garten samt grüner Koniferen-Einsamkeit. Doch der Kult um den Nanus vulgaris hortorum animatus, wie der gewöhnliche und zudem beseelte Gartenzwerg auf Lateinisch genannt wird, hat seine Anhänger. Die Internationale Vereinigung zum Schutz der Gartenzwerge (kurz IVZSG) schätzte vor ein paar Jahren die Anzahl der Exemplare in Deutschland auf 25 Millionen.

Wer viele Vorurteile kennt, einige sogar teilt, aber dennoch an den Zwerg glaubt, ist Helma Ortmann. Seit sechs Jahren lebt die Ergotherapeutin und langjährige Restauratorin im Geburtshaus ihrer Mutter. Das steht in Gräfenroda, und dieser Ort gilt als Wallfahrtsort für Wichtelfans. Auch im Garten ihrer Familie standen Zwerge. Helma Ortmann macht keinen Hehl daraus, selbst nicht allzu verliebt in die tönernen Vorgartenfiguren zu sein. Doch Altes, zudem noch echte Handwerkskunst, zu bewahren hat ihr immer Spaß gemacht. Das war der Grund, warum sie Anfang des Jahres die vielleicht bedeutendste Zwergenmanufaktur der Welt von Reinhold Griebel übernommen hatte. Dessen Vorfahren haben seit 1874 mit der Fertigung von Gnömchen in dem 3500-Seelen-Ort unweit des Thüringer Waldes nicht nur Stadtgeschichte geschrieben.

Tradition darf nicht verloren gehen

Nun ist der Zwergenpapst Griebel in Rente. Helma Ortmann tritt als Nachfolgerin in große Fußstapfen. „Ich trage aber meine eigenen Schuhe, sodass ich einfach schaue, wohin und wie weit mich meine Füße und Schuhe durch die Zwergenwelt tragen“, sagt sie selbstbewusst.

„Gartenzwerge sind Weltkultur für Gräfenroda. Ich konnte nicht einfach zusehen, wie so eine vielfältige Handwerkskunst ausstirbt. Dieses Erbe muss bewahrt werden.“ Nun ist Helma Ortmann Hüterin eines Schatzes, denn sie hat nicht nur eine Manufaktur gekauft, sondern Hunderte historische Gussformen dazu bekommen. Ihre „Zwergstatt“ ist ein bunter Abenteuerspielplatz mit unentdeckten Beständen.

Reinhold Griebels Urgroßvater ­Philipp hatte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Idee, in seiner „Thonwaarenfabrik“ neben vielen naturalistisch anmutenden „Thon-Thieren und „Thier-Köpfen“ als Jagdtrophäenersatz auch Gartenzwerge mit den roten Zipfelmützen zu gestalten. Ihm zuvor kam nur Heinrich Dornheim, der schon 1856 die erste deutsche Werkstatt für Zwerge aus Terrakotta gründete. Seine Idee stieß auf große Resonanz in der Gegend rund um Gräfenroda. Über ein Dutzend Betriebe, liebevoll „Gnömchenmacher“ genannt, bildeten einst das kreative Zentrum der seriellen Gartenzwergproduktion.

Gartenzwerge auf internationalen Pfaden

Mit der Industrialisierung begann der Siegeszug der Gnome. Später mit der Familiengartenbewegung, benannt nach dem Mediziner Daniel Gottlob Moritz Schreber, verbreitete sich das Vergnügen am Zwerg weiter. Die bunten Helferlein prägten viele bürgerlichen Vor- und Kleingärten, sicher auch weil Fleiß und Ordnung, gern heimlich und leise des Nachts praktiziert, zum Mythos der Zwerge gehört. In Gräfenroda gingen die Bergmännern nachempfundenen Gesellen bald in Serie und traten ihre Reise um die ganze Welt an.

3 Monate F+ für nur 3 €

Zum Geburtstag von F+ lesen Sie alle Artikel auf FAZ.NET für nur 3 Euro im Monat.

JETZT F+ LESEN


Bis auf Griebels Fabrik hat keine der vielen Manufakturen überlebt. Der Gartenzwerg wurde zu DDR-Zeiten in seiner Heimat kostbares Tauschobjekt für Ferienplätze oder Baustoffe. Der Export in die nicht sozialistischen Länder brachte üppige Devisen. Der in der DDR als VEB Terrakotta weitergeführte Betrieb kam erst nach der Wende wieder in den Besitz der Familie Griebel. Seither setzte Reinhold in vierter Generation mit wechselvollen Aufs und Abs die Produktion fort. Sogar eine Gartenzwergin hat er mit der „Gräfin Roda“ erfolgreich etabliert.

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!