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Im Wirtshaus

„Die Idee des Autobiografischen“ heißt der neue Band über die Schriftstellerbrüder Ernst und Friedrich Georg Jünger, der gerade im Verlag Vittorio Klostermann erschienen ist. Es ist der vierte Band einer Reihe, die Thomas Bantle, Alexander Pschera und Peter Trawny für die Ernst und Friedrich Georg Jünger-Gesellschaft herausgegeben haben. Eine Reihe, die seit 2017 den programmatischen Titel „Jünger-Debatte“ hat und damit den Anspruch, nicht mehr nur weihevolle Huldigungen über die Jüngers zu veröffentlichen, sondern „Würdigung, Analyse und Kritik gleichberechtigt“ nebeneinanderzustellen.

Julia Encke

Julia Encke

Verantwortliche Redakteurin für das Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin.

Was sich offenbar nicht geändert hat, ist, dass die Jünger-Gesellschaft, deren Tagungen im Kloster Heiligkreuztal stattfinden, nicht weit vom Jünger-Haus in Wilflingen, eine Männergesellschaft ist. Wenn man kurz nach Jüngers Tod als Frau eine solche Tagung besuchte und sich hinterher im Gasthof nicht huldigend äußerte, konnte es einem passieren, dass Tagungsteilnehmer auf einen einredeten, sie wüssten gar nicht, was man habe, Jünger hätte einen sicher gut gefunden. „Sie sehen seiner langjährigen Haushälterin sehr ähnlich!“ Unter Gelächter wurde dann auf die Haushälterin gezeigt, die mit streng eingeflochtenem blondem Zopf ein paar Tische weiter neben Jüngers Witwe saß.

Das ist lange her. Denkt man. Im aktuellen Band, in dem nur Männer schreiben, steht dann aber ein Beitrag des Schriftstellers Botho Strauß, „Jünger oder Die Fliegen des Geistes“. Sie freuten sich „ganz besonders“ darüber, dass Strauß ihnen diesen „bislang unveröffentlichten Text“ zur Verfügung stelle, so die Herausgeber. Allerdings ist nur ein Teil davon neu. Den ersten Abschnitt findet man so ähnlich schon unter dem Titel „Refrain einer tieferen Aufklärung“ in Günter Figals und Heimo Schwilks „Magie der Heiterkeit – Ernst Jünger zum Hundertsten“ von 1995. „Die Epoche der deutschen Nachkriegsliteratur“, schrieb Strauß überwältigt, „wird erst vorüber sein, wenn Allgemeingut wird, dass sie vierzig Jahre lang vom Jüngerschen Werk überragt wurde.“

Am eigenen ewigen Stammtisch

Diese Nachkriegsliteratur verachtet Botho Strauß, wie er in dem nun undatiert erscheinenden Text erneut kundtut, noch heute. Denn ein monströser Absatz, in dem Strauß es offenbar für läppisch hält, sich von den Nazis abzusetzen, ist jetzt erstmals zu lesen: „Die deutsche Nachkriegsliteratur zeichnet sich bekanntlich weniger durch verschwenderischen Gedankenreichtum aus als durch eine verlässliche herrschaftskritische Gesinnung. Man war (und ist es bis heute) eifriger darum bemüht, sich vom „Ungeist“ (den Nazis) abzusetzen, als dem Geist selber zu begegnen. So konnten sich auch die Gutachter niemals zu gültigen Erben der Schlegel-Musil-Doderer entwickeln.“ Die deutsche Nachkriegsliteratur: Johnson, Bachmann, Celan, alle.

Wer Jünger zum „Verfasser von Herrenreiter-Prosa“ mache, bleibt für Strauß „hinter der Linie“. Und das gilt im zweiten, ebenfalls neuen Teil des Strauß-Textes, insbesondere für eine Frau. Eine „Jugendgeliebte“, die im „TV“ über Jünger „verkniffene Bemerkungen ablässt“, wie er schreibt. „Mit den Mundwinkeln zog sie den ganzen Autor herunter.“ Eine Frau, die „gar nichts weiß“, die „von der Überforderung ihres Verstandes lauter Macken und Zuckungen ins Gesicht bekommt“. „So viel Überschuss an Energie hatte sie in ihren schmalen Intellekt gepresst! Als wäre das die geeignete Opferstätte für ihre frohe Leiblichkeit, die sie immer besaß. Ach, der Teufel Geistreich hatte sie böse genarrt (…), so dass er endgültig das schiefe Mal der Bitternis und Verächtlichkeit an ihren sinnlichen Mund heftete.“ Strauß hat den alten Beitrag „im vergangenen oder vorvergangenen Jahr“ für diesen Band „umgeschrieben und erweitert“, erklärte er gegenüber dem Verlag. Ihn drängte es offenbar, das ganze Arsenal der Misogynie neu aufzufahren, für uns, im Jahr 2021, an seinem ganz eigenen ewigen Stammtisch.

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