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#Immer weniger Sterne am Himmel sichtbar

„Immer weniger Sterne am Himmel sichtbar

Wenn wir in den nächtlichen Himmel schauen, können wir immer weniger Sterne erkennen. Schuld daran ist die Lichtverschmutzung, durch die die nächtliche Himmelshelligkeit im letzten Jahrzehnt noch einmal rapide zugenommen hat, wie ein Citizen-Science-Projekt aufzeigt. Dafür haben Menschen von fast 20.000 Standorten aus die Sichtbarkeit von Sternen am Himmel bewertet und so Daten zur Himmelshelligkeit geliefert. Die Auswertung dieser Daten ergab, dass die Aufhellung des Nachthimmels in Europa und Nordamerika seit 2011 um rund 6,9 bis 10,4 Prozent pro Jahr zunimmt – dies ist deutlich mehr als zuvor aufgrund von Satellitendaten angenommen. Ein Grund dafür könnte die zunehmende Umstellung der Beleuchtung auf LEDs sein.

Während unsere Vorfahren noch tausende Sterne und das leuchtende Band der Milchstraße mit bloßem Auge am Nachthimmel sehen konnten, ist dies heute nur noch an wenigen Orten auf der Welt möglich. Denn unsere künstliche Beleuchtung verdrängt zunehmend die nächtliche Dunkelheit. Vor allem in dicht bevölkerten Regionen wird es durch diese Lichtverschmutzung auch nachts nicht mehr richtig dunkel. Hauptgrund dafür ist Streulicht von Straßenlampen, beleuchteten Industrieanlagen, Leuchtreklamen und anderen menschengemachten Lichtquellen. Bereits 2016 stellte eine Studie fest, dass rund 80 Prozent der Weltbevölkerung von Lichtverschmutzung betroffen sind und anomal helle Nächte erleben. Dies hat Auswirkungen auf unsere Gesundheit, weil es den Tag-Nacht-Rhythmus und die Ausschüttung beispielsweise des Schlafhormons Melatonin stören kann. Noch gravierender sind die Folgen für viele Tiere, denn die künstliche Beleuchtung stört ihren Beutefang, ihre Migration, ihre Fortpflanzung und viele weitere Verhaltensweisen.

Freiwillige als Himmelsgucker

Das Problem der Lichtverschmutzung ist schon länger bekannt und in vielen Ländern wurden deshalb bereits Maßnahmen zur Verringerung des Streulichts eingeführt. So wurden Straßenlaternen mit Schirmen gegen das Abstrahlen nach oben ausgestattet, außerdem wurden viele der orange leuchtenden Natriumdampflampen durch die sparsameren LED-Lampen ersetzt. Ob dies allerdings die Lichtverschmutzung durch den diffusen “Skyglow” verringert, ist unklar – und ließ sich bisher nur schwer messen. “Die einzigen Satelliten, die zurzeit die gesamte Erde in Bezug auf Streulicht überwachen können, haben nur eine begrenzte Auflösung und Sensitivität und können kein Licht mit Wellenlängen unterhalb von 500 Nanometern detektieren”, erklären Christopher Kyba vom Deutschen GeoForschungsZentrum Potsdam (GFZ) und seine Kollegen. Dadurch entgeht ihnen das kurzwelligere Licht der weißen LEDs.

Eine Alternative bietet das seit 2006 laufende Citizen-Science-Projekt „Globe at Night“. In diesem Projekt beobachten Freiwillige den Nachthimmel und geben dann in einer App oder einem Online-Formular an, welche von acht Sternkarten für ihren Standort am besten zu dem passt, was sie am Himmel sehen. Jede dieser Karten zeigt den Himmel bei verschiedenen Graden an Lichtverschmutzung und mit dementsprechend mehr oder weniger sichtbaren Sternen. „Die Beiträge der einzelnen Menschen wirken zusammen wie ein globales Sensornetz, das uns einen ganz neuen Forschungsansatz ermöglicht“, sagt Kyba. Für ihre Studie haben er und sein Team nun die Daten von mehr als 51.000 solcher bei wolkenlosem Himmel gemachten Beobachtungen aus der Zeit von 2011 bis 2022 ausgewertet. Sie repräsentieren 19.262 Standorte weltweit, davon ein Großteil in Nordamerika und Europa. Aus diesen Daten und ergänzend einem globalen Modell ermittelten die Forscher die Himmelshelligkeit und ihre Veränderung in den letzten Jahren.

Stärkere Helligkeitszunahme als gedacht

Die Auswertungen ergaben, dass sich das nächtliche Streulicht in den letzten zehn Jahren weiter dramatisch verstärkt hat: In Europa hat die diffuse Himmelshelligkeit in der Nacht um rund 6,5 Prozent pro Jahr zugenommen, in Nordamerika sind es sogar 10,4 Prozent. Im weltweiten Durchschnitt liegt die Zunahme bei jährlich rund 9,6 Prozent. “Das bedeutet, dass sich im Verlauf einer Kindheit von 18 Jahren der nächtliche Himmel um den Faktor vier erhellt”, erklären Kyba und seine Kollegen. “Wenn die Entwicklung so fortschreitet, wird ein Kind, das an einem Ort mit 250 sichtbaren Sterne geboren wurde, dort an seinem 18. Geburtstag nur noch 100 Sterne sehen können.“ Zudem zeigen die mit “Globe at Night” erhobenen Daten, dass die vom Boden aus wahrgenommene Lichtverschmutzung erheblich stärker zugenommen hat, als es die Satellitendaten nahelegten. Denn diese hatten nur eine Helligkeitszunahme von rund zwei Prozent ermittelt.

Die Wissenschaftler vermuten, dass der Unterschied zwischen der menschlichen Beobachtung und den Satellitenmessungen auf mehrere Faktoren zurückgeht. Das eine ist die Ausbreitungsrichtung des Streulichts: „Satelliten reagieren am empfindlichsten auf Licht, das nach oben gen Himmel gerichtet ist”, erklärt Kyba. “Aber es ist horizontal abgestrahltes Licht, das den größten Teil des Himmelsleuchtens ausmacht. Wenn also Werbung und Fassadenbeleuchtungen häufiger, größer oder heller werden, könnten sie einen großen Einfluss haben, ohne dass sich das auf den Satellitenbildern entsprechend widerspiegelt.” Ein zweiter Faktor ist die Umstellung von Natriumdampflampen auf LEDs in der Straßenbeleuchtung. “Weil menschliche Augen nachts empfindlicher für kurzwelliges Licht sind, haben LEDs einen großen Einfluss auf unsere Wahrnehmung der Himmelshelligkeit”, so Kyba. “Das könnte daher ebenfalls ein Grund für die Diskrepanz zwischen Satellitenmessungen und den Beobachtungen im Rahmen von ‚Globe at Night‘ sein.”

Aus ihren Ergebnissen zieht das Forschungsteam zwei wesentliche Schlüsse: Zum einen hat sich die Lichtverschmutzung des Nachthimmels trotz – oder vielleicht auch wegen – der Umstellung auf LEDs weiter rapide verschlimmert. „Und zum anderen konnten wir demonstrieren, dass die Citizen-Science-Daten eine wichtige Ergänzung zu den bisherigen Messverfahren darstellen“, so Kyba. Noch umfasst das “Globe at Night”-Projekt allerdings zu wenig Daten aus anderen Regionen der Erde und vor allem aus den ärmeren Ländern. „Hätten wir eine breitere Beteiligung, könnten wir Trends für andere Kontinente und möglicherweise sogar für einzelne Staaten und Städte ermitteln”, sagt Co-Autorin Constance Walker vom National Optical-Infrared Astronomy Research Laboratory in Arizona. “Das Projekt ist noch nicht abgeschlossen, also schauen Sie heute Abend ruhig mal rein und sagen Sie uns, was Sie sehen!“

Quelle: Christopher Kyba (Deutsches GeoForschungsZentrum Potsdam (GFZ), Ruhr-Universität Bochum) et al., Science, doi: 10.1126/science.abq7781

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