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#„In der Pandemie nimmt die Staatsgläubigkeit zu“

„In der Pandemie nimmt die Staatsgläubigkeit zu“

Der Ökonom und Präsident des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest, hat vor einer wachsenden Staatsgläubigkeit in Europa gewarnt. Er kritisierte, dass derzeit dirigistische Ansätze dominierten. „In der Pandemie nimmt die Staatsgläubigkeit zu“, sagte Fuest am Donnerstagabend bei einem Vortrag am Schweizerischen Institut für Auslandforschung an der Universität Zürich.

Niklas Záboji

Zwar zeigte er Verständnis für die Corona-Hilfen auf europäischer Ebene, auch den Anleihekauf der Europäischen Zentralbank. Ebenso sei klar, dass der Staat in der Krise als Retter erscheine. Ein Teil der EU-Hilfen ist laut Fuest aber nichts weiter als ein „schuldenfinanzierter Transfer“.

Besonders scharfe Kritik übte er am „Green New Deal“, mit dem die Kommission die EU klimaneutral machen will, und der Taxonomie, mit der Finanzprodukte als nachhaltig klassifiziert werden sollen. „Wenn man sich das anschaut, muss man gerade als Ökonom unruhig sein“, sagte Fuest. Er sieht in der Taxonomie eine „bürokratische Einteilung der gesamten Wirtschaft“, die zu Planwirtschaft und einer Lenkung von Kapital führe, „von der man dachte, sie wäre überwunden“. Das erinnere an die Wirtschaftspolitik der Sowjetunion.

Schon vorher erkennbar rückläufig 

Auch eine Lenkung von Kapital durch „grüne Geldpolitik“ lehnt Fuest ab. Zwar solle die EZB Umweltrisiken betrachten, sofern diese die Geldwertstabilität beeinträchtigen. Eine Privilegierung von nachhaltigen Anleihen als Refinanzierungsinstrument überschreite aber ihr Mandat. Für Klimaschutz müsse vielmehr die Umweltpolitik sorgen – nach Fuests Meinung über einen CO2-Preis, der es den Marktteilnehmern überlasse, wo welche Technologie eingesetzt wird. Eine spezielle Kapitallenkung durch Staat und Geldpolitik sei sogar schädlich, da sie den CO2-Preiseffekt konterkariere.

Bei der Pandemiebekämpfung – dem eigentlichen Thema seines Vortrags –  gab Fuest an, keinen wirklichen Konflikt zwischen Gesundheitszielen und wirtschaftlichen Zielen zu sehen. Ausgangssperren würden anders als Masken und Tests das wirtschaftliche Leben zwar verhindern. Verschiedene Untersuchungen der Lockdowns im Frühjahr zeigten aber, dass die Aktivitäten in der Gastronomie oder auch Stellenanzeigen schon vor den staatlichen Beschränkungen erkennbar rückläufig waren.

Eher leide die Wirtschaft also, unabhängig von den Restriktionen, durch die Verbreitung des Virus, als dass die Restriktionen die Wirtschaft behinderten, meinte Fuest. So sei es schon im Fall der Spanischen Grippe gewesen, sagte er mit Verweis auf eine Forschungsarbeit von Sergio Correia, Stephan Luck und Emil Verner. Und auch das Beispiel Schweden, wo es im Frühjahr nur vergleichsweise geringe Corona-Beschränkungen gab, lehre, dass Gesundheitsschutz und wirtschaftliche Prosperität in keinem wirklichen Zielkonflikt stünden. So habe Schweden rund zehn Mal so viele Todesopfer wie die Nachbarländer Norwegen und Finnland und dennoch einen ähnlich schweren Wirtschaftseinbruch verzeichnet. 

Kräfteverschiebung der Weltwirtschaft 

Mitunter überraschende Ergebnisse präsentierte der Ifo-Präsident aus einer laufenden Forschungsarbeit zusammen mit den Ökonomen Andreas Peichl und Florian Neumeier. Sie haben im Juli Deutsche über die Lockdown-Maßnahmen im März und die Lockerungen im Mai befragt. Das Ergebnis: Die Sterblichkeitsquote aufgrund von Covid-19 sei tendenziell unterschätzt worden und die einzige Information, die die Einstellung der Teilnehmer veränderte, sei die Sterblichkeit von über 70-Jährigen gewesen.

Und während Westdeutsche „deutlich“ und junge Menschen allgemein stärker auf die Bereitstellung von Informationen zu den Folgen des Coronavirus reagierten, hätten Ostdeutsche ihre Haltung nicht geändert. Männer reagierten zudem auf Informationen über ökonomische Kosten, Frauen hingegen nicht – Frauen dagegen reagierten auf Information über die Sterblichkeit der über 70-jährigen und Männer nicht.

Zurückhaltend äußerte sich Fuest mit Blick auf die momentane wirtschaftliche Entwicklung. „Von vollständiger Erholung sind wir noch weit entfernt“, sagte er. Selbst China sei noch nicht über den Berg. Die jüngste Erholung sei vor allem durch die globale Industriekonjunktur getrieben, in anderen Bereichen der Wirtschaft sehe es hingegen noch nicht so gut aus. Fuest hob hervor, dass die Corona-Krise die Finanzkrise in puncto Wachstumseinbruch in den Schatten gestellt habe – und dass eine Kräfteverschiebung der Weltwirtschaft sehr wahrscheinlich sei: China dürfte als Gewinner hervorgehen und seinen Anteil am globalen Bruttoinlandsprodukt um 10 Prozent steigern, Amerika in etwa gleich bleiben und die EU „deutlich“ verlieren.

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