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#In der Unterwelt funktioniert Multikulti

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In der Unterwelt funktioniert Multikulti

„Wie host‘n schloafn?“ „Oah, froag mi net!“ Es ist ungerecht, aber dieser herrlich leiernde Dialekt lässt noch die banalsten Unterhaltungen zwischen Bibi Fellner und Moritz Eisner charmant klingen. Doch natürlich ist es nicht der Dialekt allein, sondern der Umstand, dass Adele Neuhauser und Harald Krassnitzer ihren grantelnden Figuren in bislang vierzehn gemeinsamen Episoden so klare Konturen gegeben haben, dass man ihnen begegnet wie alten Bekannten, nicht wie verschämt in eine umständliche Handlung hineingestellten Textaufsagern. Und das ist viel, das „O“ und das „A“, um es auf Österreichisch zu sagen.

Unausgeschlafen muss Oberstleutnant Eisner einen Anblick ertragen, der selbst im wilden Wien nicht alltäglich ist: Einem Mann, „südländischer Typ“, wurde in einer anrüchig eingerichteten Wohnung – „könnt oa illegales Puff sein“ – bei lebendigem Leib die Zunge herausgeschnitten, danach haben Täter ihm beide Hände abgetrennt, bevor sie ihn an der Kante einer Schublade erstickten. Tschetschenische Poesie, vermutet die kecke Dame von der Landespolizeidirektion (Kristina Sprenger): „Der Mord selbst war so brutal, dass sich niemand trauen wird, den neuen Mann oder Chef, wenn sie so wollen, in Frage zu stellen.“ Ein gut abgehangener Milieukrimi also?

Mitglied der unfeinen Gesellschaft: Michael Fuith spielt die Unterweltfigur Andy Mittermeier.


Mitglied der unfeinen Gesellschaft: Michael Fuith spielt die Unterweltfigur Andy Mittermeier.
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Bild: ARD Degeto/ORF

Schnell fallen nun einige Stichworte, die politische Aktualität signalisieren: Menschenhandel, Schleuserkriminalität, Flüchtlinge. Dass die jüngste Flüchtlingswelle am deutschsprachigen Fernsehfilm nicht spurlos vorübergeht, ist nur folgerichtig. Man hätte sich freilich mehr Entschlossenheit gewünscht, denn hier wirkt die Thematik ein wenig angestückt. Da rennen einmal Illegale aus einem Hinterzimmer davon; da berichtet eine Afrikanerin von ihrer Flucht auf dem Geisterschiff; da werden Dumpinglöhne für Afghanen erwähnt; da macht Bibi Fellner eine sarkastische Bemerkung zur Behandlung der Menschen im Flüchtlingsheim: „wahrscheinlich sehr liebevoll und human“.

Der Schurke trägt Schnauzer

Und doch steht dies nicht im Mittelpunkt. Zwar spielt das Thema Zwangsprostitution eine Rolle – auch die aus Osteuropa stammenden Frauen halten sich illegal in Österreich auf –, aber bald kreist die Handlung ganz um den tumben Machtkampf in der Zuhälterszene. Hier mischen nicht nur Türken und Tschetschenen mit, sondern auch ein Schurkenschnauzer tragender Bio-Österreicher. Die Unterwelt ist längst multikulti.

Inhaltlich und dramaturgisch erinnert dieser „Tatort“ von Autor und Regisseur Thomas Roth an die ebenfalls im migrantischen Zuhältermilieu spielende Episode „Angezählt“, für die das österreichische Team vor zwei Jahren den Grimme-Preis erhalten hat. Allerdings fehlt der aktuellen Episode die Strahlkraft von „Angezählt“, das mit starken Bildern und erschreckenden Einfällen die Konventionen überschritt. Der Klischee-Bösewicht Andy Mittermeier (Michael Fuith) hingegen scheint viele „Tatort“-Folgen gesehen zu haben. Er weiß, dass man als Chefgauner maliziös lächelnd einen Hund vergiften, die altchinesische „Kunst des Krieges“ zitieren oder mitten in der Nacht – Simsalabim – im Krankenzimmer des Kommissars auftauchen muss.


Der abgegriffenen Szenen gibt es noch mehr. Hinzu kommt eine interkulturell peinlich bemühte Nebenhandlung: Eisners Tochter Claudia ist zu ihrem muslimischen Freund Kerem gezogen, den sie als „Österreicher mit einem türkischen Herzen“ beschreibt. Der besorgte Herr Papa („was soag i, oa Fundamentalist“) bringt immerhin Geschenke vorbei, natürlich die falschen: „Schweinefleisch isst der Kerem keines.“ Da stehen dann alle etwas deppert da.

Doch trotz der leicht klischeehaften und erstaunlich geheimnislosen Handlung ist ein halbwegs solider Milieukrimi entstanden, der weitreichende Fragen an die Gesellschaft stellt: „Was ist denn das für eine Welt? Da passiert jahrelang ein Verbrechen, und jeder schaut weg.“ Und wo das Böse allzu banal wird – „Wie blöd muss man eigentlich sein?“, findet Hubert Kramar alias Dienststellenchef Ernstl dafür abschließend die richtigen Worte –, da bleibt ja immer noch dieser Puderzucker-Dialekt. Dem stets angefressen wirkenden Eisner und seiner fröhlich mit einem Zuhälter-Schlitten herumbrausenden Partnerin würde man wohl auch ganz ohne Drehbuch zuschauen und sich wunderbar unterhalten fühlen.

Der Tatort: Die Kunst des Krieges lief erstmals am Sonntag, 4. September 2016, um 20.15 Uhr im Ersten. An diesem Sonntag, 4. Juli 2021, wird er wiederholt.

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