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#In sicheren Räumen

In sicheren Räumen

Hier spricht jemand Klartext. Caroline Fourest räumt mit Verve den öffentlichen Diskurs auf, der vor lauter Empörungsreflexen eine vernünftige Verständigung mittlerweile nahezu unmöglich macht. Längst sind es nicht mehr bloß die Rechtsextremen, die ihr politisches Projekt zu einer Frage der Identität erklären. Auch die postmoderne Linke ist auf den Geschmack gekommen und führt den Kampf der politischen Hypersensibilisierung.

Hannah Bethke

Die linksidentitäre Selbstbehauptung hat viele Gesichter. Ob es um gendergerechte Sprache geht, Antirassismus, Diversitätsgebote oder Dekolonialisierung – die Praxis der Subsumierung entweder unter die Bösen oder die Guten ist institutionell bereits tief verankert. An der Universität, in der Verwaltung, in Film, Kunst und Medien, überall ist die eigene Identität plötzlich politisch, und sie steht gleich unter Verdacht, wenn sie nicht zu einer als diskriminiert geltenden Minderheit gehört. Die französische Journalistin und Filmemacherin Caroline Fourest hat diesen identitätspolitischen Verdrehungen eine scharfsinnige Kritik gewidmet.

Caroline Fourest: „Generation beleidigt.“ Von der Sprachpolizei zur Gedankenpolizei. Über den wachsenden Einfluss linker Identitärer. Eine Kritik. Aus dem Französischen von A. Carsticuc, M. Feldon, Ch. Hesse. Edition Tiamat, Berlin 2020. 144 S., br. 18,– €.


Caroline Fourest: „Generation beleidigt.“ Von der Sprachpolizei zur Gedankenpolizei. Über den wachsenden Einfluss linker Identitärer. Eine Kritik. Aus dem Französischen von A. Carsticuc, M. Feldon, Ch. Hesse. Edition Tiamat, Berlin 2020. 144 S., br. 18,– €.

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Bild: Edition Tiamat

Fourest hat für „Charlie Hebdo“ gearbeitet und weiß genau, wovon sie spricht. In ihrem Buch legt sie ihre Orientierung offen: Sie ist homosexuell und war deshalb etlichen Anfeindungen ausgesetzt. Sie kennt es, beschimpft und ausgegrenzt zu werden. Trotzdem wählt sie nicht den Weg der identifikatorischen Aufladung des Politischen, sondern sieht sich selbst in der Tradition der republikanischen, universalistischen Linken: „Der Kampf für die Gleichheit hat mich geprägt, doch dem für die Freiheit bleibe ich innigst verbunden.“ Wo die eigene Identität als Waffe gegen jegliche Kritik eingesetzt wird, nimmt diese biographische Transparenz der Gegenseite den Wind aus den Segeln.

Opferzentrierte Ideologie

Fourest erzählt von „Safe Spaces“ an Universitäten, die Studenten vor diskriminierenden „Mikroaggressionen“ schützen sollen. Aus Sicht der „opferzentrierten Ideologie des Antirassismus“ droht diese Gefahr überall: in der Art, wie wir sprechen, in Seminarthemen und Büchern, sogar in der Darstellung von Geschichte, die historisches Unrecht beim Namen nennt. Das führt so weit, dass „segregierte Werkstätten“ entstehen, die „Rassifizierte“ von „Nicht-Rassifizierten“ (den Weißen) trennen. Wer aufgrund seiner Hautfarbe privilegiert ist, gehört ausgeschlossen. Das ist das Diktum einer neuen Linken, die im Namen des Antirassismus rassistische Denkweisen neu festschreibt, nur unter umgekehrtem Vorzeichen: „Sag mir, welcher Herkunft du bist, und ich werde dir sagen, ob du reden darfst!“

Fourest kritisiert die Verharmlosung des politischen Islams und beobachtet die absurden Vorwürfe der „kulturellen Aneignung“, die etwa in Kanada so weit gingen, dass Yoga-Kurse boykottiert wurden, aus Angst, sich eine indische Kultur anzueignen. Sie kritisiert die Forderung von Schauspielern, ihre Herkunft und sexuelle Orientierung bei der Vergabe von Rollen zu berücksichtigen und für eine stärkere Repräsentation unterdrückter Minderheiten zu sorgen. Man müsse nicht das sein, was man spielt. Eine solche Offerte missachte den Geist des Theaters, „das allen Menschen erlaubt, in alle erdenklichen Rollen zu schlüpfen, ohne sich einem DNA-Test zu unterziehen“.

Die politische Korrektheit wird zur Karikatur

Fourest erkennt, wie „brandgefährlich“ die politische Motivation der identitären Linken ist: „Die neue Generation denkt nur daran, zu zensieren, was sie kränkt oder ,beleidigt‘.“ Sie beanspruchten, die Welt von Ungleichheit, Unterdrückung und Ausgrenzung zu befreien, und verfielen dabei einer Doppelmoral, die am Ende genau das forciert, was sie eigentlich bekämpfen will.

Die „politische Korrektheit“, schreibt Fourest, sehe der „freiheitsbedrohenden Karikatur immer ähnlicher, die ihre Gegner von jeher gezeichnet haben“. Die soziale Frage habe die Linke indessen vollständig aus den Augen verloren. In der Tat sind die aggressiven Debatten zur linken Identitätspolitik keine Themen der Unterschicht; sie entstehen in privilegierten Milieus, welche die Beschränktheit ihrer eigenen Perspektiven nicht wahrhaben wollen. Die identitäre Rechte, warnt Fourest, profitiere am Ende davon. Eine treffendere Analyse wird man so schnell nicht finden.

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