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#Unterwegs nach Cambridge

„Unterwegs nach Cambridge“

Es ist ein sehr seltsames Buch – dem man dennoch mit Vergnügen und gespannt folgt. Eine ganze Weile hat man den Eindruck erzählter Nichtig­keiten aus dem Leben einer altklugen begabten Achtzehnjährigen, die zudem eine ungewöhnliche Beauté ist, in Jordans Bank, einem fiktiven Ort im Dis­trikt Fenland in der Grafschaft Cam­bridgeshire in England. Hetty Birtwisle ist eine literarische Leuchte an der Waterland High, „einer Bildungseinrichtung, die bislang selbstvergessen vor der gefürchteten Gesamtschulbewegung verschont geblieben war“. Sie will nach ihrem Abschluss Literatur studieren, am liebsten in Cambridge, und sie wird protegiert von ihrer exzentrischen Lehrerin Miss Braceburn, deren Lichtgestalt der Dichter Robert Browning ist. Hetty wächst mit einem missgünstigen Bruder in kleinbürgerlichen Verhältnissen auf, die der bösartige bildungsfeindliche Vater dominiert.

Wie ein Puzzle fügen sich die Episoden dann zum Porträt einer jungen Frau Ende der Achtziger, in den harten Zeiten unter der Eisernen Lady Margaret Thatcher als Premierministerin des Vereinigten Königreichs. Als nämlich Hetty, die eigentlich Ethel heißt, aus der Enge ihrer Familie ausbricht. Nach einer Prügelei mit dem Vater hat sie von ihrer devoten Mutter erfahren, dass sie adoptiert wurde, direkt nach ihrer Geburt abgegeben von ihrer unbekannten leib­lichen, offenbar bessergestellten Mutter in Birmingham. Daraufhin haut sie ab. Eine Begegnung im Zug nach Birmingham lässt sie, zunächst als Gehilfin, bei der in ihren allerbesten Jahren durchaus zu anarchischen Aktionen neigenden Rose Gilpin-Jones landen, die eine Pension führt mit bemerkenswert unorthodoxen Gästen, die sämtlich ihre besonderen Biographien und Macken haben. Sie nennt sich fortan „Hetty Beauchamp“, und sie macht sich auf die Suche nach ihrer Mutter, ganz eigentlich aber nach Höherem – nach einem schönen Feld eben für sich, weg aus dem Matsch ihres bisherigen Lebens.

Will die Übersetzung vorsätzlich ironisch sein?

Über die erzählerische Freigeisterei des englischen Autors J. L. Carr darf man staunen. Der Nachruf auf ihn in der britischen Zeitung „The Independent“ im Jahr 1994 begann mit dem Satz: „J. L. Carr was one of the most distinctive and idiosyncratic novelists of the post-war era.“ „Unverwechselbar“ ist da noch ge­linde ausgedrückt, das entschiedene „idio­synkratisch“, das ein gemäßigtes „eigentümlich“ weit übertrifft, passt best­ens. Carr, Jahrgang 1912, war zu­nächst selbst Lehrer, ehe er, schon in seinen Fünfzigern, begann, billige Klas­sikerausgaben zu veröffentlichen und eigenwillige handgemalte Karten eng­lischer Grafschaften. Schließlich verfasste er acht kleine Romane, mit unterschiedlichem Erfolg, zwei von ihnen schafften es auf die Booker-Shortlist, „A Month in the Country“ wurde 1987 mit Kenneth Branagh, Colin Firth und Natasha Richardson verfilmt. Seine letzten beiden Bücher publizierte er, noch so eine Idiosynkrasie, im eigenen Kleinverlag Quince Tree Press. Carr verfügt über eine veritable Fangemeinde, vor allem in seinem Heimatland.

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