#Insolvenzen: Pleitegeier kreist nicht nur über Zombie-Firmen
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Viele schwache Unternehmen geraten in Schieflage, weil sie mitten in der Krise Corona-Hilfen zurückzahlen müssen. Doch die Insolvenzwelle erwischt auch Firmen aus einst stabilen Branchen.
Das neue Jahr hat mit einer hohen Zahl an Insolvenzen begonnen, nachdem die Zahl der Unternehmenspleiten schon seit Juni 2023 Monat für Monat mit jeweils zweistelligen Raten gegenüber dem Vorjahreszeitraum gewachsen ist. Für Januar zählt nun das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) 1077 Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften, etwa so viele wie im Dezember.
Die am Donnerstag veröffentlichte Zahl ist 40 Prozent höher als im Januar des vergangenen Jahres und liegt knapp 20 Prozent über dem Januar-Durchschnitt der Jahre vor der Corona-Pandemie. Für Schlagzeilen haben im Januar vor allem die Insolvenzen des Kaufhauskonzerns Galeria Karstadt Kaufhof und anderer Gesellschaften der Signa -Gruppe gesorgt.
Nach Einschätzung von Steffen Müller vom IWH sind nicht nur die schlechten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die steigenden Insolvenzzahlen verantwortlich. Laut Müller spielen auch die Corona-Hilfen eine Rolle, weil sie häufig an Unternehmen gezahlt worden seien, die auch schon vor der Pandemie und der anschließenden Krise unproduktiv gewesen seien. Die Unternehmen müssten die Hilfen nun in einem anhaltend schweren Umfeld zurückzahlen, womit viele der schwächeren Unternehmen überfordert seien. „Die hohen Insolvenzzahlen heute sind zum Teil ein Nachholeffekt der Staatshilfen während der Corona-Pandemie“, sagt Müller.
Doch erwischt die Krise längst nicht nur Zombiefirmen, die mit Corona-Hilfen künstlich am Leben gehalten wurden. So stellen sich laut einer Studie der Unternehmensberatung BCG auch Unternehmen aus Schlüsselbranchen wesentlich öfter auf Restrukturierungen ein als in den vergangenen Jahren. Restrukturierungen finden häufig in Zusammenhang mit Insolvenzverfahren statt.
Auch Autobranche, Chemie und Immobilien im Insolvenzfokus
Laut BCG-Studie sind vor allem in den Branchen Automobil, Chemie und Immobilien im deutschsprachigen Raum Restrukturierungen zu erwarten. Die Automobil- und Chemieindustrie sind Pfeiler der deutschen Volkswirtschaft. Während die energieintensive Chemiebranche unter den gestiegenen Energie- und Rohstoffpreisen sowie sinkender Nachfrage leidet, muss sich die deutsche Autoindustrie gegen die Konkurrenz durch Elektroautos chinesischer Hersteller behaupten – und zwar nicht nur auf den asiatischen Märkten, sondern auch im Heimatmarkt. Die Immobilienbranche wiederum ist durch die scharfe Zinswende in Probleme geraten.
Am Mittwoch warnte zudem der Handelsverband HDE vor weiteren Insolvenzen und einer Fortsetzung des Ladensterbens. Auch die Fahrradbranche stellte sich am Mittwoch auf Insolvenzen ein, weil Hersteller und Händler auf hohen Lagerbeständen sitzen. Besonders gefährdet seien nun Hersteller von Fahrradkomponenten. Die Pandemie hatte die Nachfrage nach Fahrrädern sprunghaft steigen lassen, doch nun dreht sich der Spieß am Markt um. Selbst die angesichts der Alterung der Gesellschaft vermeintlich resistente Pflegebranche stellt sich auf noch mehr Insolvenzen ein, weil Personal fehlt, um die Pflegeheime auszulasten.
Wegen der schlechten Wirtschaftslage erwartet der Verband der Volks- und Raiffeisenbanken (BVR) für das Jahr 2024 einen Anstieg der Unternehmensinsolvenzen um 7,8 Prozent auf etwa 19.300. Die genossenschaftlichen Banken haben als Finanzdienstleister für kleine und mittlere Unternehmen einen guten Überblick über die Situation im Mittelstand. Immerhin haben die Unternehmen laut BVR in den vergangenen zwei Jahrzehnten ihre Eigenkapitalquote spürbar erhört. Hätten sie das nicht getan, würden die Insolvenzen jetzt noch stärker steigen.
Im Januar 14.000 Arbeitsplätze von Insolvenzen betroffen
Andreas Bley, Chefvolkswirt des BVR, kann den Insolvenzen auch positive Aspekte abgewinnen. Wenn schwache Unternehmen verschwinden, würden knappe Ressourcen freigesetzt, die in anderen Bereichen dringender benötigt würden. Der Wandel der Wirtschaft in Richtung Klimaneutralität sei ohne ein gewisses Maß an Betriebsaufgaben und Neugründungen nicht denkbar.
Ähnlich wie der IWH-Ökonom Müller sieht auch Bley das aktuelle Insolvenzgeschehen als eine Normalisierung gegenüber den künstlich niedrigen Insolvenzen während der Pandemie. Für die betroffenen Mitarbeiter eines insolventen Unternehmens ist der Stellenabbau freilich ein Schicksalsschlag. Laut IWH sind von den im Januar gezählten Insolvenzen allein in der Gruppe der größten Unternehmen 14.000 Arbeitsplätze betroffen.
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