#Interview: Schauspieler Bill Murray: „Ich bin nicht gut im Entspannen“
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„Interview: Schauspieler Bill Murray: „Ich bin nicht gut im Entspannen““
Exklusiv
Der US-Komiker hatte schon mal Pläne, mit der Schauspielerei aufzuhören. Von der Bühne müsste er deshalb nicht Abschied nehmen, das zeigt sein Projekt mit einem deutschen Weltklasse-Musiker.
Bill Murray: Die Franzosen haben ein Sprichwort: „Lieber bedauern als bereuen.“ Daran glaube ich: Hätte ich all die Filme gemacht, die mir angeboten wurden, hätte ich das sicher bereut.
Haben Sie mittlerweile ein Handy oder einen Agenten?
Murray: Sagen wir so: Wenn man mir etwas Wichtiges zu sagen hat oder mich wirklich braucht, dann kann man mich erreichen. Aber es kann auch immer mal sein, dass ich mal nicht erreichbar bin.
Vor vier, fünf Jahren sagten Sie mal, Sie könnten sich gut vorstellen, die Schauspielerei ganz aufzugeben. Wo stehen Sie heute?
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Murray: Mir gefällt der Gedanke noch immer, mich zur Ruhe zu setzen. Ich habe in den letzten Jahren unheimlich hart gearbeitet, auch wenn es eine sehr glorreiche Strecke war. Solange ich arbeite, gebe ich alles. Ist die Arbeit erledigt, bin ich auch richtig fertig. Aber ich bin nicht gut im Entspannen. Ich werde einfach nur faul und stumpfe ab.
Jetzt sieht man Sie singen, Literatur rezitieren und Rosen ins Publikum werfen. Die Doku „New Worlds“ ist ein Plädoyer für universelle Kultur, Kunst und gemeinsames Erleben. Bei der Premiere in Cannes flossen sogar Tränen. Haben Sie mit dieser Show ein neues Kapitel Ihrer Karriere aufgeschlagen?
Murray: Ja, unbedingt. Als Schauspieler hat man normalerweise nicht das Glück, so eine außergewöhnliche Chance zu bekommen. Ich darf mit Weltklasse-Musikern auf der Bühne stehen, das ist für mich immer noch total unglaublich. Wir sind ein Deutscher, eine Chinesin, eine Venezolanerin und ein US-Amerikaner – politisch übrigens alle eher links –, aber wir passten perfekt zusammen, wie aus einem Guss. Jeder tat das, was er am besten konnte, spielte Cello, Viola, Klavier oder las Gedichte vor, und jeder strahlte dabei. Ich kam mir vor, als wäre ich vom Blitz getroffen worden – im positiven Sinn!
Wie haben Sie den deutschen Cellisten Jan Vogler kennengelernt und kam es zu dem gemeinsamen Projekt?
Murray: Wir lernten uns auf einem Flug kennen. Jan war mir aufgefallen, weil sein Cello einen eigenen Platz neben ihm in der First Class einnahm, und dann auch noch den Fensterplatz! Wir kamen ins Gespräch, als ein Passagier eine Panikattacke bekam und wir ihn ablenkten. Danach überlegten wir, was für andere Projekte wir genauso erfolgreich auf die Beine stellen könnten.
Zwei Alphatiere – wer setzte da seine Ideen durch?
Murray: Nein, Jan allein hatte eine Vision, die mich sofort begeisterte. Er wusste, welche Musiker die Richtigen wären, und hatte auch gleich amerikanische Literatur von Walt Whitman bis Mark Twain an der Hand, die er seit seiner Studentenzeit liebte. Die Truppe ist längst so eine Art künstlerische Familie für mich geworden.
Erst tourten Sie mit „New Worlds“ um den Globus. Aber wie kam es dann zum Film?
Murray: Wir performten an den großartigsten Orten der Welt: in der Oper von Sydney, der Carnegie Hall in New York, der Elbphilharmonie in Hamburg. Der letzte Auftritt war unsere Show auf der Akropolis. Eine Freundin kam auf die Idee, diesen Auftritt für die Nachwelt aufzuzeichnen. Ich war sofort begeistert.
Ihre Liebe zur Musik ist nicht neu. Sie waren mal Lead-Sänger der Rock-Band The Jenerators, zu Ihrer College-Zeit. Wann geben Sie sonst Ihre Stimme zum Besten?
Murray: Am besten war ich bis jetzt wohl darin, übertrieben schlecht zu singen (stimmt laut ein paar dissonante Töne an und lacht.) In Filmen habe ich auch schon gesungen, einmal Balu, der Bär im „Dschungelbuch“, und auch Kater Garfield. Davor hat meine Band mal auf einem Benefiz-Konzert in Kalifornien gespielt, mit richtig großen Rockstars wie Jackson Browne und Don Henley von den Eagles. Ich merkte, dass Jackson Browne mich mal beobachtete. Dann sagte er mir, ich hätte noch „eine Menge Meilen übrig“ – er meinte, dass ich meine Stimme noch nicht verbraucht hatte. Mein Musik-Motor hat wohl einen geringen Verbrauch. Oder ich einen langen Atem beim Singen.
War es für Sie ein fremdes Gefühl, mit Klassik-Musikern von Weltformat auf der Bühne zu stehen?
Murray: Das war für mich in jedem Fall etwas ganz Besonderes. Unvergleichlich. Diese Künstler sind wie Dynamos und erzeugen mit ihren Instrumenten eine unfassbare Energie. So etwas war mir neu. Zu viert mit ihnen auf der Bühne zu stehen fühlte sich an wie bei den Beatles oder den Rolling Stones. Wir konnten eine fantastische Energie erzeugen und dann hin und her spielen. Das war für mich eine richtig große Sache.
Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie die Doku mal selbst sahen?
Murray: Ich fand es grandios, die Show mal selbst zu sehen, sonst war ich ja immer Teil davon. Mir wurde dabei noch klarer, wie brillant die Musiker sind, jeder ist auf seinem Instrument ein Superstar. Kein Wunder, dass das Publikum so ausrastet. Auch ich fühlte mich nach jeder Show so bereichert und lebendig … Man möchte die ganze Welt umarmen.
Das klingt nach Liebe.
Murray: Ja, Liebe trifft es perfekt. Es ist die Liebe zur Musik, die uns verbindet. Liebe ist auch das, was wir dem Publikum schenken wollen. Das sollen sie auch nach der Show noch lange Zeit spüren.
Natürlich kommt auch Ihr charakteristischer lakonischer Humor nicht zu kurz. Nervt es Sie, dass man Sie immer für komisch hält?
Murray: Kommt drauf an. Wenn ich einsam bin oder normal mit jemandem reden will, rufe ich meine Geschwister an oder andere Familienmitglieder oder Freunde. Die reden dann mit mir, nicht mit einem dieser Charaktere oder Clowns, die ich sonst sein kann. Wir waren neun Kinder zu Hause, in einer großen Familie gibt es ja immer den Wettbewerb um die Aufmerksamkeit der Eltern. Unser Abendbrottisch war die Bühne, auf der wir Kids so etwas wie Castings aufführten. Wer meinen Vater zum Lachen brachte, der war der Gewinner des Abends.
Ist Ihr Kultstatus als Komiker glücklichen Zufällen geschuldet oder haben Sie Ihr Talent bewusst kultiviert?
Murray: Meine Mimik nutze ich schon bewusst. Vor der Kamera sind es die Emotionen einer Szene, die meinen Körper in Bewegung versetzen. Manchmal schaue ich mir einen Film bei der Premiere an und denke: „Verdammt noch mal – ich bin gut! Das habe ich wirklich toll hingekriegt!“ Der Trick besteht darin, Gesten oder Gesichtsausdrücke für eine Rolle so gut zu beherrschen, dass Deine Körpermaschine dann blind auf die Situation reagiert. Wenn man etwas zu bemüht macht, sieht man das, das wirkt gleich unecht.
Haben Sie heute, nach 50 Jahren im Job, noch immer Respekt vor Ihrem Beruf?
Murray: Ja, ich habe immer mein Bestes gegeben. Wenn ich arbeite, hänge ich mich richtig rein. Ich habe nie nur des Geldes wegen gearbeitet, ich tue nur das, worauf ich Lust habe.
Regisseur Wes Anderson gelingt es seit fast 25 Jahren, Sie selbst für die winzigsten Rollen zu bekommen. Wie schafft er das?
Murray: Er versprach mir sehr lange Arbeitszeiten und einen niedrigen Lohn. Eigentlich so was wie Zuckerbrot und Peitsche. Aber das reicht schon! Eigentlich verliert man dabei noch Geld. Denn man gibt in der Zeit unterwegs mehr für Trinkgelder aus als man überhaupt verdient. Aber: Man sieht dabei etwas von der Welt. Außerdem darf man Wes’ magische Universen kennenlernen, die er in seinen Filmen erschafft. Er hat natürlich nur so viel Spaß, weil wir Schauspieler bei ihm auftauchen. Ich glaube, wir machen das alle nur, weil wir ihn mögen.
Sie haben seit „Rushmore“ 1998 in jedem seiner Filme mitgespielt. Haben Sie eine Art Vater-Sohn-Beziehung?
Murray: Ich bin ein grummelnder, nörgeliger Veteran. Zumindest komme ich mir oft so vor. Vielleicht hat unsere Freundschaft sogar etwas von einer Vater-Sohn-Beziehung. Meine sechs Söhne sind leider nur längst nicht so wohlerzogen wie Wes.
Sechs Söhne? Alle Achtung!
Murray: Ich hätte ja am liebsten noch mehr gehabt, aber die Bühne hat meine Pläne durchkreuzt. Ich war zweimal verheiratet und habe zwei Söhne mit meiner ersten und vier mit meiner zweiten Frau. Ich bekam mit der zweiten Ehe auch eine zweite Chance, Kinder zu erziehen, und war dann darin viel besser als beim ersten Mal, glaube ich. Kindererziehung ist eine gewaltige Aufgabe! Ich befürchte, ich habe die Mühe meiner Ehefrauen nie genug geschätzt.
Zur Person: Bill Murray ist seit „Und täglich grüßt das Murmeltier“ das wohl bekannteste Knautschgesicht des Kinos. Doch der 71-Jährige tritt auch als Musik- und Literatur-Entertainer auf, wie die am 22. März startende Kinodoku „New Worlds“ zeigt.
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