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#„Peter Pan & Wendy“ bei Disney+: Eine fantasielose Neuverfilmung

Peter Pan und Wendy auf einem Felsen
Foto: The Walt Disney Company Germany

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Regisseur David Lowery („The Green Knight“) hat mit „Peter Pan & Wendy“ den Disney-Klassiker zeitgemäß neu verfilmt. Sein Remake ist jedoch ernüchternd trist geraten.

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Eigentlich ist der Peter-Pan-Stoff ein zeitloses Faszinosum. Da geht es um das Zähmen der Kindheit. Sie passt nicht in die Welt der Erwachsenen, muss unterdrückt und domestiziert werden. Es gilt, sie an die herrschende Ordnung anzupassen und sie zu disziplinieren. Wie kann es also möglich sein, diesen zwanghaften Prozess zu unterwandern? Welche Freiheiten erlaubt er überhaupt?

Regisseur David Lowery und Drehbuchautor Toby Halbrooks schließen in „Peter Pan & Wendy“ an diese interessante Ausgangssituation an. Ihre Protagonistin Wendy tollt zu Beginn noch mit ihren jüngeren Geschwistern durch das Kinderzimmer und soll dort schon längst nichts mehr zu suchen haben. Man trägt im gemeinsamen Spiel fiktive Kämpfe aus, Geschichten beflügeln die Vorstellungskraft. Doch da steht ein Abschied bevor, es handelt sich allein um eine Schwellenphase: Wendy soll auf ein Internet geschickt werden und Verantwortung lernen, wie es sich für eine Erwachsene gehört.

„Peter Pan & Wendy“ erzählt den Klassiker neu

Weil sich die kindliche Gedankenwelt allerdings gegen den unausweichlichen Eingliederungsprozess wehrt und sich vor ihm fürchtet, schweben auf einmal die Fee Tinker Bell und Peter Pan persönlich durchs Fenster, um die Heranwachsenden ins sagenumwobene Nimmerland zu geleiten. Kameramann Bojan Bazelli bringt diesen Film dabei buchstäblich zum Schweben.

Immer wieder wirbelt „Peter Pan & Wendy“ sein Publikum in langen Einstellungen und schwindelerregenden Kamerafahrten durch seine Welt. Das beginnt gleich in den ersten Szenen mit einer kontinuierlichen, stimmungsvollen Erkundung der Räume des Elternhauses und setzt sich später beim Gleiten durch den Himmel oder im Kämpfen und Springen durch eine Monsterhöhle fort.

Jude Law in "Peter Pan & Wendy" als Captain Hook
Jude Law als Captain Hook Foto: The Walt Disney Company Germany

Jude Law spielt Captain Hook

David Lowery kann bei seiner Inszenierung also voll und ganz auf eine talentierte Basis zurückgreifen, um die Geschichte einer Weltflucht zu erzählen. Sie handelt natürlich auch von der Illusion der Filmerfahrung an sich: im Flug durch ein Fenster hinein in einen anderen Kosmos. Er führt die Ängste und Konflikte der Realität hinüber in eine andere, fiktionale, um das eigene Leben besser greifen zu können.

Durch die Brille des Märchens finden die Figuren zu sich. Dort erfährt die erdrückende Welt der Erwachsenen mit all ihren Normen und Vorstellungen von Adoleszenz ihr bedrohliches Ebenbild in Gestalt des Piraten Captain Hook. Jude Law spielt diesen Kinderjäger mit souveräner, ehrfurchtgebietender Präsenz. Die ewig Jungen will er vernichten, er legt sie in Ketten. Und die Klasse eines Schauspielers erkennt man daran, auch in einer solch grotesken Kostüm- und Maskenparade nicht lächerlich zu erscheinen.

Nichtsdestotrotz birgt diese Spiegelwelt kaum etwas Magisches, Verzauberndes oder gar Lustvolles an sich. Es ist ein Peter Pan für betrübliche Zeiten. Zur Realität der unzähligen Disney-Realfilm-Remakes gehört inzwischen eine ungeheure Tristesse. Jede kreative Miniatur, jede Spielerei soll zur Bedeutung der Welt aufgebauscht werden. Das Düstere, vermeintlich Reife in den erdfarbenen Realfilmbildern soll das Abstrahierte und Neugeformte der Animation ablösen. Insofern unterscheidet diese Filme gar nicht allzu viel von den Erwachsenen in „Peter Pan“, die von solchen angeblichen Kindereien nichts mehr wissen wollen und können. Ihr blindes Heischen nach Naturalismus tötet jede fantasievolle Vision.

Fliegendes Piratenschiff in "Peter Pan & Wendy"
Die Kinder nehmen es mit den Piraten auf. Foto: The Walt Disney Company Germany

„Peter Pan & Wendy“ löst sich vom Kindlichen

Gewiss, die Landschaften, die David Lowery in „Peter Pan & Wendy“ in Szene setzt, sind mit einer ähnlichen Rauheit und Haptik aufgeladen, wie es ihm bereits in seiner genialen Sagen-Adaption „The Green Knight“ gelungen ist. Doch scheitern sie in diesem Disney-Remake nicht nur an der Begrenztheit der Schauplätze, sondern auch an einem gewissen Unvermögen, ihre immensen Weiten und Dimensionen mit Leben zu füllen.

Jede Schönheit, die die gezeichneten Bilder der Vorlage aus dem Jahr 1953 noch bargen, zerschellt hier an schroffen Klippen und landet in kargen Wiesen. Unheimlich verloren wirken alle Figuren in „Peter Pan & Wendy“, wirkt aber auch ihre gesamte formale Rahmung. Sie mag sich gewisse Freiheiten im Umgang mit dem älteren Zeichentrickfilm sowie der Theatervorlage von 1904 erlauben, frischt ihre überholten Welt- und Rollenbilder auf und verfrachtet sie doch nur in eine Momentaufnahme ästhetischer Beliebigkeit.

Tinker Bell
Yara Shahidi spielt Tinker Bell Foto: The Walt Disney Company Germany

Gegen den Stillstand

Auch das kennt man aus anderen Neuverfilmungen, Spin-offs und Prequels, man denke etwa an „Cruella„: Protagonisten und ihre Gegenspieler sollen plötzlich psychologisch mit Leben gefüllt, mit überflüssigen Hintergrundgeschichten und Biographien versehen werden. Selbiges geschieht hier in der üppig auserzählten Rivalität von Peter Pan und Captain Hook. Es verwässert lediglich ihre Sinnbildlichkeit, vermenschlicht auf engstirnige Weise, was auch vorher schon vom Menschlichen erzählen konnte.

Hier wird es allein zur Schablone für allzu transparente Charaktere, die zum Schluss ihre Welten wieder säuberlich zu trennen wissen. Sich mit voller Freude und Konsequenz im Träumen verlieren, das traut sich Lowerys Remake keineswegs. Er strickt daraus ein ambitioniertes Plädoyer gegen den Drang des Konservativen, des Stillstehens und Nachtrauerns einer verlorenen Zeit. Insofern löst sich „Peter Pan & Wendy“ in seinen fahlen Aufnahmen bewusst von einem reinen Verklären des Kindlichen und Naiven. Nur, alles Freudvolle raubt er sich dabei gleich mit.

„Peter Pan & Wendy“ läuft seit dem 28. April 2023 bei Disney+.

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Von

Janick Nolting

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