Nachrichten

#Die reinste Plage

„Die reinste Plage“

Carolin Unger ist eine resolute Frau. Sie beschwert sich nicht oft. Wenn ihr ein Problem begegnet, dann versucht sie, es zu lösen, be­vor sie um Hilfe ruft. Als sie auf dem ländlichen Anwesen, in dem sie mit ihrer Familie nördlich von Frankfurt wohnt, von seltsamen Geräuschen in der Nacht geweckt wird, schnappt sie sich eine Ta­schenlampe, um der Sache auf den Grund zu gehen. Auf der Suche nach der Quelle wird Unger schnell fündig: Sie kommen von oben aus einem Neben­gebäude. Mit einer Leiter steigt die Frau hoch zur Klappe, über die der Zugang zum Dachboden erfolgt. Als sie sie öffnet, funkelt ihr ein Paar Augen entgegen, begleitet von gefletschten Zähnen und einem bedrohlichen Fauchen und Knurren. Erschrocken weicht Unger zurück, fällt beinahe von der Leiter und knallt die Klappe wieder zu. Bei Tageslicht stellt sich heraus, dass sich eine Waschbären­familie – eine Fähe mit ihren vier Jungen – auf dem Dachboden eingenistet hat. Das dort gelagerte Stroh strotzt vor Fä­kalien, es stinkt nach Urin. Um hereinzukommen, haben die Kletterkünstler mit dem maskenartig gezeichneten Fell um die Augen und den geschickten Vorderpfoten ein paar Dachziegel verschoben, die nun dem Sturm eine Angriffs­fläche bieten. Die Innendämmung ist zerfleddert. Fangen oder vertreiben lassen sich die nachtaktiven Räuber nicht so leicht. Die Hausbesetzung geht mittlerweile ins dritte Jahr. Beim Vorgehen gegen die Plagegeister sind Carolin Unger die Hände gebunden. Getötet werden dürfen sie nur von Jägern, die den entsprechenden Jagdschein besitzen.

Wissen war nie wertvoller

Lesen Sie jetzt F+ 30 Tage kostenlos und erhalten Sie Zugriff auf alle Artikel auf FAZ.NET.

JETZT F+ LESEN

Andrea Volkmann lebt in der Stadt. Als sie in ihrem Garten in der Dämmerung einen Waschbären sichtet, ist die Tierfreundin begeistert von dem „possier­lichen Kerl“ und tauft ihn Paulchen. Doch er frisst nicht nur das für ihn ausgelegte Futter, sondern auch das für die Vögel. Das ärgert Volkmann, was sich auch in dem geänderten Namen niederschlägt. Fortan heißt der Waschbär Paul. Seit er durch die Katzenklappe in die Wohnung eingedrungen ist und dort auf der Suche nach Fressbarem ganze Räume verwüstet hat, ist nur noch vom „Dreckviech“ die Rede.

Waschbären sind extrem anpassungsfähige Allesfresser. Sie breiten sich rasant in Deutschland aus. Eine Fähe kann jedes Jahr bis zu drei Würfe mit maximal fünf Jungen zur Welt bringen. Das führt zwangsläufig zu Konflikten mit den Men­schen, da sich die Tiere auch in Städten wohlfühlen. Kassel ist eine Hochburg. Dort kommt ein Waschbär auf einen Hektar Fläche. Das ist die größte Populationsdichte in Deutschland überhaupt. Von Nordhessen breite sich der Räuber nun nach Süden aus, berichtet Tim Stöveken, der seit mehr als 25 Jahren ein Niederwildrevier in der Wetterau betreut.

Jagd auf Waschbären: eine komplizierte Geschichte

1954 wurde der aus Nordamerika eingeschleppte Waschbär zum Schutz der heimischen Arten als „bejagdbar“ ins hessische Jagdrecht aufgenommen. In den Siebzigerjahren überschritt die er­legte Anzahl erstmals die Tausendermarke. Aktuell bringen Jäger landesweit jedes Jahr laut offizieller Statistik 28.000 bis 30.000 Tiere zur Strecke, davon rund 3000 im Wetteraukreis. Etwa 75 Prozent werden in freier Wildbahn geschossen, der Rest zunächst in Lebendfallen gefangen und dann mit einem Fangschuss getötet, wie Stöveken sagt. Gefangene Waschbären dürfen nicht an anderer Stelle wieder ausgesetzt werden. Sollen sie nicht getötet werden, müssen sie kas­triert und in einer genehmigten Haltung dauerhaft ausbruchsicher untergebracht werden.

Für Stöveken ist der Waschbär ein Tier wie jedes andere. Zum Artenschutz gehe es darum, die Population in Schach zu halten. Natürliche Fressfeinde hat der Einwanderer, der heimische Beutetier­arten teils in atemraubendem Tempo dezimiert, hierzulande nicht. Vor allem Amphibien und am Boden brütende Vö­gel sind gefährdet. Als das Kiebitzvorkommen in der Wetterau bedrohlich sank, zäunten Ornithologen im Bingener Ried eine gar nicht so große Fläche ein, um Raubtiere wie den Waschbären und den Fuchs von den Nestern fernzuhalten. Die Vogelkundler waren überrascht vom Erfolg dieser simplen Maßnahme. Den Kiebitzen geht es wieder besser. Auch andere Bodenbrüter fanden sich auf dem geschützten Areal ein.

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!