#Irgendwas mit Bühne
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„Irgendwas mit Bühne“
Vor mehr als fünfzehn Jahren saß Philip Rubner gelangweilt im Flur seines Gymnasiums in Markneukirchen, einer Kleinstadt im sächsischen Vogtland. Plötzlich erklang Gesang in den leeren Korridoren. Songs aus der Musical-Adaption von „Moulin Rouge“ zog durch die Räume. Rubner wurde mitgerissen. In seiner Phantasie stellte er sich eine Inszenierung vor, mit großer Bühne und ausgefallenen Kostümen. Das dieser Moment zu einem entscheidenden für ihn würde, ahnt er damals noch nicht.
Wenige Wochen später ist er Teil des Schultheaterensembles und gestaltet das Bühnenbild. Heute ist der Dreißigjährige dort angekommen, wo er lange schon hinwollte: Er ist Ausstattungsleiter des Deutschen Nationaltheaters in Weimar und damit einer der jüngsten Verantwortlichen für die Bühne und das Kostüm an einem deutschsprachigen Mehrspartenhaus. Momentan arbeitet er mit Regisseur Jan Neumann an der Oper „Carmen“ von Georges Bizet, die ab Mai 2021 gezeigt werden soll. Seine letzte Sprechtheateraufführung „Romulus der Große“ von Friedrich Dürrenmatt feierte letztes Jahr in Wiesbaden Premiere. Rubners Bühnenbilder sind minimalistisch und trotzdem nicht ohne Detail. Er versteht sich als jemand, der Texten mit seiner künstlerischen Rahmengestaltung den Raum zur Entfaltung gibt. So hat er es zumindest während seiner Ausbildung gelernt.
In letzter Sekunde
Direkt nach dem Abitur absolviert er einen Freiwilligendienst am Theater Regensburg, wo er in der Requisite mitarbeitet. Ein Jahr der Selbstfindung, wie er heute rückblickend sagt. „Dann fing der Bewerbungsmarathon an.“ Rubner schickt Mappen an Kunsthochschulen. An der Bauhaus-Universität in Weimar wird ihm ein Innenarchitekturstudium angeboten. Er zweifelt kurz, träumt aber dann doch weiter vom Bühnenbild. Aus Wien erhält er kurz vor seinem Umzug nach Weimar dann doch eine Zusage und beginnt ein Studium der Szenographie an der dortigen Akademie der Bildenden Künste bei Erich Wonder und Anna Viebrock. Die „Altmeister“, wie er sie nennt, seien für ihn wichtige Mentoren gewesen. Er ist begeistert von Wonders Bühnenkunst und assistiert ihm bei zwei Aufführungen, darunter den „Rigoletto“ für die Wiener Festwochen.
2015 gestaltet Rubner seine erste Sprechtheaterproduktion am Theater in Weimar. Für „Tannöd“ von Otto Thoß transformiert er die Bühne des E-Werks in einen Wald aus abgesägten Baumstämmen und fängt mit schwarzen Kostümen die Traurigkeit des Landlebens ein. 2017 ruft ihn der Weimarer Intendant Hasko Weber an und fragt ihn unvermittelt, ob er nicht die verantwortliche Position des Ausstattungsleiters übernehmen wolle. „Das war eine große Herausforderung gerade einmal zwei Jahre nachdem ich mit dem Diplom fertig war“, erinnert er sich. Mit knallbunten Kostümen in Fünfziger-Jahre-Optik, die mit der Industriearchitektur des Kraftwerks korrespondiert, bringt er Duncan Sheiks und Steven Saters Adaption von Wedekin ds „Frühlings Erwachen“ auf die Bühne der thüringischen Kulturstadt. Kurze Zeit später gestaltet er für „Nathan und seine Kinder“ von Geertje Boeden, „A Clockwork Orange“ von Hasko Weber und „Das Recht des Stärkeren“ von Jan Neumann Bühne und Kostüm.
Die Eingebungen des Ausstellungsleiters
Rubners Inspirationsquellen sind für gewöhnlich Architekturzeichnungen und -fotografien, die er leidenschaftlich sammelt. Er ist Fan des kanadischen Architekturfotografen Robert Polidori. Aber auch Weimars Vergangenheit, mit den Stätten der Klassik und der Bauhausmoderne liefert ihm Ideen für seine Arbeiten. „Die Geschichte der Stadt wird einem tagtäglich beim Arbeitsweg bewusst. Das Theater hier hat eine wichtige Stellung. Wir kondensieren all diese historischen Brüche und Kontinuitäten“, sagt er schwärmerisch. Auch seine eigene Geschichte spiegele sich in der Stadt. Als gebürtigen Sachsen bewegt Rubner bis heute die Wendezeit. Deswegen hat er gemeinsam mit Mareike Hage die Installation „Horizonte 1989“ entworfen, für die 2019 eine zwanzig Meter lange Betonmauer auf dem Theaterplatz aufgebaut wurde, um an die deutsch-deutsche Teilung zu erinnern. Die Frage, ob er nicht doch lieber Architekt geworden wäre, verneint Rubner aber entschieden. Seine Liebe zum Theater sei viel zu groß. „Das Sprechtheater fasziniert mich wegen der tiefgründigen Probenarbeit. Ein Text wird völlig auseinandergenommen. Das schafft Freiräume für die ästhetische Gestaltung.“
Am Musiktheater reizt ihn hingegen die vielfȁltige Tradition von Inszenierungen und die Musik als Träger eines Stückes. Etwas überraschend bekennt Rubner dann noch, dass seine eigentliche Leidenschaft das Musical sei, als Bindeglied zwischen den zwei Welten. Auch im Bühnenbild von „Carmen“ werden sich diese Spannungen wiederfinden, die Oper soll als ein rauschafter Gang durch die Epochen angelegt sein, in dem der opulente Eklektizismus der Uraufführung ebenso reflektiert wird wie der zeitgenössische Umgang mit Bizets Oper. Den Romulus aus Dürrenmatts Komödie hat Rubner hingegen über eine endlos lange Treppe steigen lassen – was fast ein wenig an seinen eigenen Weg vom kleinen Vogtland auf die großen Bühnen des Landes erinnert.
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