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#Israel ist das Land der gläsernen Corona-Patienten

Israel ist das Land der gläsernen Corona-Patienten

Israel hat sein Impfregime schnell auf den Weg gebracht. Nahezu ein Viertel der Bevölkerung ist schon mit einer ersten Dosis geimpft worden, und auch die Impfungen mit der zweiten Dosis haben begonnen. Für dieses Tempo ist nicht nur eine effiziente Organisation des Impfprozesses erforderlich, sondern auch eine schnelle Versorgung mit weiterem Impfstoff.

Jochen Stahnke

Jochen Stahnke

Politischer Korrespondent für Israel, die Palästinensergebiete und Jordanien mit Sitz in Tel Aviv.

Pfizer lieferte Berichten zufolge in einer ersten Tranche rund vier Millionen Dosen des Biontech-Impfstoffs, denen regelmäßig Lieferungen mit jeweils Hunderttausenden weiteren Dosen per Flugzeug folgen. Israel ist nicht nur das Land, das am schnellsten impft, sondern auch das, welches gemessen an der Einwohnerzahl am meisten Impfdosen geliefert bekommen hat.

Grund dafür ist wohl weniger der höhere Preis, den Israel an Pfizer zahlt, sondern vor allem ein Abkommen, wesentliche Daten über den Impfprozess, Nebenwirkungen und medizinische Auswirkungen mit dem Unternehmen zu teilen. Nun hat das Gesundheitsministerium in Jerusalem den Vertrag veröffentlicht, nachdem Datenschützer Besorgnis über die Weitergabe von Patientendaten geäußert hatten. Allerdings enthält das Dokument Schwärzungen an wichtigen Stellen.

Viele Details bleiben im Unklaren

In dem Abkommen versichert Pfizer einen Lieferumfang, der es Israel erlaubt, „eine schnelle Impfrate zu ermöglichen, um so rasch wie möglich Herdenimmunität erreichen sowie ausreichend Daten zu erlangen“. Was für Daten Israel konkret an Pfizer liefert, geht aus dem Dokument nicht eindeutig hervor. Darin heißt es, Israel werde „mindestens“ wöchentliche Impfdaten zu Altersgruppen „und anderen demografischen Untergruppen“ an Pfizer übermitteln. Dazu wöchentliche Daten über Corona-bedingte Krankenhauseinweisungen, schwere Fälle, an Beatmungsgeräte angeschlossene Patienten, Todesfälle und symptomatische Fälle. Schließlich erwähnt der Vertrag „zusätzliche Untergruppen-Analysen und Analysen über die Impf-Wirksamkeit, wie von den Parteien vereinbart“. Von Blutgruppen bis hin zu zurückliegenden Erkrankungen – das kann vieles heißen.

Damit bleibt weiterhin unklar, welche Daten genau an Pfizer weitergegeben werden. In dem veröffentlichten Vertrag heißt es zwar, es sollten „keine feststellbaren/identifizierbaren Gesundheitsdaten“ geteilt werden. Die Juristin Tehilla Shwartz-Altshuler von der Denkfabrik Israel Democracy Institute überzeugt das nicht. Vielmehr habe Pfizer es auf Israels seit vielen Jahren digitalisierte Impfdatenbank „Nahliel“ abgesehen, die vom Gesundheitsministerium verwaltet wird, so wie mehrere andere medizinischen Datenbanken in Israel. „Wenn Sie wissen wollen, warum Pfizer dem zugestimmt hat, dann lautet die Antwort ‚Nahliel‘“, schrieb Schwartz-Altshuler kürzlich in einem Zeitungsbeitrag. „Pfizer testete den Impfstoff an vierzigtausend Menschen, bevor er verteilt wurde – Israel macht es möglich, mehrere Millionen zu testen.“

Das Gesundheitsministerium hat vor, eine weitere digitalisierte Datenbank mit den Daten der rund 550.000 israelischen Corona-Infizierten aufzubauen. Israel gilt als ideales Testfeld für Pfizer. Durch die Pflicht zur Mitgliedschaft in einer der vier quasistaatlichen Krankenkassen mit entsprechender digitaler Datenaufnahme lässt sich die ganze Bevölkerung analysieren. Da diese Krankenkassen über das ganze Land verteilt Impfungen in den eigenen Praxen und Krankenstationen organisieren, geht es schnell.

Schon 2018 hatte die israelische Regierung beschlossen, die medizinischen Daten aller gut neun Millionen Israelis für Unternehmen und die Wissenschaft in anonymisierter Form online zur Verfügung zu stellen. Dazu sollten die seit mehr als zwei Jahrzehnten gesammelten Gesundheitsdaten zusammengeführt werden, die das Land von mehr als 98 Prozent der Bevölkerung besitzt. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wollte damit die israelische Wirtschaft im Bereich digitale Gesundheit stärken, deren Potential er 2018 auf viele hundert Milliarden Dollar schätzte. Bislang ist dieses Geschäftspotenzial in Israel Beobachtern zufolge auch wegen datenschutzrechtlicher Unklarheiten weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Damals wie heute habe die Regierung diese Pläne vorangebracht, ohne die Patienten zu fragen, kritisiert Shwartz-Altshuler.

Ein Dienst an der Allgemeinheit

Wie die Daten geschützt werden, führt auch der Pfizer-Vertrag nicht genauer aus. Die jeweils erhobenen Datengruppen seien so spezifisch, dass die Aussage, es handele sich nur um „statistische Daten“, problematisch sei. Klar scheint: Die einmal weitergegebenen Daten kommen nicht mehr zurück. Punkt 7.8 des Vertrages untersagt Pfizer zwar, diese Daten für andere Felder außerhalb der öffentlichen Gesundheit zu verwenden, doch wird im Vertrag offenbar nicht verhindert, dass Pfizer die Daten auf andere Krankheiten anwenden darf. Ein früherer ranghoher Mitarbeiter des Gesundheitsministeriums nannte die Datenweitergabe Anfang Januar „unerhört“.

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Für die Regierung in Jerusalem scheint es das wert zu sein. „Als Teil der Vereinbarung mit Pfizer entschieden wir, dass Israel zum weltweiten Vorbild für die schnelle Impfung eines ganzen Landes wird“, sagte Netanjahu im Januar. „Israel wird mit Pfizer und der ganzen Welt die statistischen Daten teilen, die helfen, Strategien zu finden, um das Coronavirus zu schlagen.“ Im Vertrag zwischen Pfizer und Israel steht vereinbart, dass die auf den übermittelten Daten beruhenden Forschungsergebnisse in einem von Experten überprüften medizinischen Fachmagazin veröffentlicht und so dereinst auch der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden. 

Vorläufige Daten jedenfalls bieten Grund zu Optimismus. Ein Krankenhaus in Ramat Gan gab am Montag bekannt, dass 100 von 102 untersuchte Angehörige des Krankenhauspersonals eine Woche nach der zweiten Biontech-Impfung eine sechs- bis zwölffache Zunahme an Antikörpern gegen das Coronavirus im Blut aufwiesen. 

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