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#Ist das auch unsere Zukunft?

Ist das auch unsere Zukunft?

Amerika, heißt es in Hegels Berliner Vorlesungen über die Weltgeschichte, „ist ein Land der Zukunft; was dort geschieht, ist noch nicht welthistorisch, so wichtig es auch für Europa sein mag, uns geht es nichts an.“ Das war vor knapp zweihundert Jahren.

Jürgen Kaube

Bald danach ging es uns etwas an. Zum einen, weil sich Hegels Voraussetzung auflöste, einem Land komme erst dann welthistorische Bedeutung zu, wenn es als Staat in enger Auseinandersetzung mit anderen Staaten stehe. Amerika erschien ihm als ein ganz mit sich selbst beschäftigtes und ganz der „inneren Kolonisation“ zugewandtes Gemeinwesen. Doch Amerikas Auseinandersetzung mit anderen Staaten erfolgte zunächst eben weniger mittels Kriegen und Eroberungen, sondern durch Handel und Industrie. Nachdem sie reich geworden waren, traten die Vereinigten Staaten nolens volens auch in die Weltgeschichte im Verständnis Hegels ein.

Zum anderen ging und geht Amerika seitdem die Welt an, weil auf ganz merkwürdige Weise vieles von dem, was dort aufkam oder aufblühte, wenig später auch andernorts adaptiert wurde. Die Liste der Beispiele ist so heterogen wie lang, sie reicht von Freiheiten über Technologien bis zur Kultur: vom Hochhausbau über den Konsumentenkredit und die Massenmotorisierung, die Soziologie, den Jazz samt seiner Ableitungen und die Popkultur, bis zur Studentenbewegung, dem Fast Food, dem Neokonservatismus, dem Verlangen nach oder der Kritik an „political correctness“ sowie dem Internet und den Smartphones.

Nach 1945 eine Gewissheit

Vielleicht muss man hier aber präziser formulieren und sagen, dass Amerika oft etwas gar nicht erfunden haben musste, um es doch aufgrund hoher Bereitschaft zum Experiment und massenhaften Ausprobierens zu weltweiter Verbreitung zu bringen. Vieles, aber nicht alles davon lässt sich dem Kapitalismus zuschreiben. Nicht zuletzt nahmen die Vereinigten Staaten auch als Einwanderungsgesellschaft viel von dem vorweg, was beispielsweise in europäischen Staaten erst später auftrat.

Insofern ist Amerika tatsächlich ein Land der Zukunft gewesen, nämlich der Zukunft vieler anderer Länder. Der französische Philosoph Alexandre Kojève hat das 1962 in die Formulierung gefasst, Russen und Chinesen seien inzwischen auch nur noch „arme Amerikaner“. Das war eine zwar kulturell und politisch von gemischten Gefühlen begleitete Diagnose, aber ökonomisch und bei vorökologischer Betrachtung war es eine erwartungsfrohe Perspektive. Nach 1945 jedenfalls konnten große Teile der Welt in der Gewissheit leben, wann immer etwas in den Vereinigten Staaten nachhaltigen Eindruck machte, werde es über kurz oder lang und in einer kulturell adaptierten Form auch außerhalb Amerikas wirksam werden.

Wie kommen mehr als sechzig Millionen Amerikaner auf diese Idee?

Jetzt schauen wir nach Amerika, und viele wären froh, es ginge uns nichts an. Sieht so die Zukunft aus? Während diese Zeilen geschrieben werden, ist der Ausgang der amerikanischen Präsidentenwahl noch offen. Klar ist hingegen schon, dass sie äußerst knapp ausgehen würde. Genau darin liegt heute das eigentliche Verstehensproblem für die meisten europäischen Betrachter.

Das eine ist dabei das Kopfschütteln über Umfrageinstitute, die noch am 1. November Joe Biden in Florida mit drei Prozent und in Pennsylvania mit sechs Prozent vorne sahen, ihm in Wisconsin gar elf Prozent Vorsprung gaben und in Texas reelle Chancen. Demoskopie scheint kein allzu verlässliches Mittel, das Verhalten der amerikanischen Wähler vorauszusehen. In die Enttäuschung vieler, dass es nicht so gekommen ist wie vorhergesagt, mischt sich die Beschämung, schon wieder blauäugig und nicht pessimistisch genug erwartet zu haben.

Doch ganz gleich, wie nun Pennsylvania gewählt hat und ob nun Donald Trump oder Joe Biden die Wahl gewinnen wird und welche Gerichte darüber befunden haben werden – das Rätsel von 2016 stellt sich nicht nur abermals: Wie kommen mehr als sechzig Millionen Amerikaner auf die Idee, Donald Trump solle sie regieren? Es stellt sich auch auf neue Weise. Denn sie hatten nun schon vier Jahre mit diesem Präsidenten hinter sich.

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