#Jetzt droht auch noch ein Stromproblem
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„Jetzt droht auch noch ein Stromproblem“
So hatte sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck das nicht vorgestellt: Zwar ist es sein erklärtes Ziel, dass in Deutschland künftig mit Strom statt mit Gas und Öl geheizt wird. Doch was sich dieser Tage in Deutschland abspielt, ist so gar nicht im Interesse des Grünen. Denn die Menschen versuchen nicht nur, eine der von Habeck präferierten Wärmepumpen zu bekommen – samt einem Handwerker, der sie einbaut. In weitaus größerer Zahl versuchen sie, in Baumärkten oder bei Onlinehändlern noch einen Heizlüfter zu ergattern. In vielen Geschäften sind die Geräte inzwischen ausverkauft. Angesichts der geringen Gaslieferungen aus Russland und der Energiesparpläne der Regierung ist offenbar die Sorge groß, sonst im Winter frieren zu müssen.
Eine Statistik, wie viele Heizlüfter in den vergangenen Wochen in ganz Deutschland verkauft wurden, gibt es nicht. Aber die Zahlen der Baumarktkette Hornbach geben einen Einblick: Schon im Zeitraum von Januar bis Juni verkaufte das Unternehmen nach eigenen Angaben doppelt so viele Heizlüfter wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Seit Anfang Juli ziehe die Nachfrage noch mal deutlich an, berichtet ein Sprecher. „Wenn es so weitergeht, dann werden wir am Monatsende bis zu 500 Prozent über dem Vorjahres-Juli liegen.“
Gefahr von Überlastung der Stromnetze
Energiefachleute beobachten diese Entwicklung mit Sorge. „Wenn an kalten Winterabenden millionenfach Heizlüfter angeworfen werden, kann das für das Stromnetz gefährlich werden“, sagt Marco Wünsch, Bereichsleiter Strom beim Analysehaus Prognos. „Selbst wenn nur 10 Prozent der Gashaushalte zusätzlich mit Strom heizen, würde das die Spitzenlast im Netz deutlich nach oben treiben.“ Wünsch macht dazu folgende Rechnung auf: Etwa jede zweite Wohnung in Deutschland wird mit Gas beheizt, das sind rund 20 Millionen. Davon 10 Prozent sind 2 Millionen Wohnungen. Heizlüfter hätten im Schnitt eine Leistung von 2000 Watt. Um zwei kleine Zimmer oder ein größeres warm zu bekommen, brauche es zwei davon. In der Beispielrechnung würden an besagtem Winterabend 8000 Megawatt Strom zusätzlich benötigt. „8 Gigawatt zusätzlich bei einer normalen Höchstlast von 85 Gigawatt: Das ist nicht ohne“, sagt Wünsch. Prognos ist das Institut, das im vergangenen Jahr für das Bundeswirtschaftsministerium die Entwicklung des Strombedarfs bis zum Jahr 2030 prognostiziert hat.
Der Plan B vieler Bürger für den Winter treibt auch die Energieversorger um. „Ein großflächiger und intensiver Einsatz von Heizlüftern würde zu einer extremen Belastung für die Stromnetze, vor allem auf den unteren Spannungsebenen, führen“, warnt ein Sprecher der Stadtwerke München. In einzelnen Bereichen könne dies zu einer Überlastung führen. Ähnlich klingt eine Sprecherin des Energieversorgers EnBW: Im schlimmsten Fall könne es „örtlich begrenzt zu einer Überlastung des lokalen Stromnetzes und damit eventuell auch zu Stromausfällen“ kommen, sagt sie. Besonders in Regionen, in denen der Anteil der Haushalte mit Gasheizung hoch sei, sollten die Kunden die Elektroheizgeräte „nur maßvoll“ einsetzen. Laut dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) ist das Bundesland mit dem höchsten Anteil von Gasheizungen Niedersachsen. 63 Prozent der Wohnungen werden dort so beheizt. Am wenigsten von der Gaskrise betroffen ist mit einem Anteil von 30 Prozent das Saarland.
Das Bundeswirtschaftsministerium hat Anfang vergangener Woche die Übertragungsnetzbetreiber gebeten, das Stromnetz einem weiteren Stresstest zu unterziehen. Es soll geklärt werden, ob es auch unter erschwerten Bedingungen funktioniert. Eine der Annahmen, die das Ministerium geprüft haben möchte, ist eine erhöhte Nachfrage zu bestimmten Zeiten, sprich: eine höhere Spitzenlast. Ob der Ansturm auf die Heizlüfter zu diesem Prüfauftrag geführt hat, lässt das Ministerium offen. Es könne verschiedene Gründe für eine höhere Stromnachfrage geben, sagt eine Sprecherin. Für den Stromverbrauch insgesamt wird in dem Stresstest das Vorkrisenniveau angenommen.
Der FDP kommt die Debatte entgegen. Die Liberalen drängen seit Wochen darauf, die drei noch laufenden Kernkraftwerke in Deutschland nicht wie geplant am Jahresende abzuschalten, sondern sie zumindest im sogenannten Streckbetrieb noch einige Monate länger zu nutzen. Als Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Freitag im Zusammenhang mit der Uniper-Rettung auf die Zukunft der Meiler angesprochen wurde, verwies er auf den Stresstest und die Ergebnisse, die demnächst vorliegen sollen. „Die gucken wir uns mal an.“ Für die Grünen ist das Thema heikel. Nach dem Bau von Flüssiggasterminals und dem Hochfahren von Kohlekraftwerken will Habeck seiner Partei nicht auch noch eine längere Nutzung der Kernkraft zumuten.
„Die privaten Haushalte sind laut EU-Vorgaben geschützt und genießen Priorität bei der Gasversorgung“, betont Julia Verlinden, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag. „Niemand muss Sorge haben, im Winter zu frieren.“ Vom Gebrauch von Heizlüftern rät sie ausdrücklich ab. Diese seien nicht effizient, verbrauchten mehr Energie als klassische Heizungen und seien „extrem teuer“ in der Nutzung. Das Vergleichsportal Verivox teilt diese Einschätzung. Es hat die Betriebskosten von elektrisch betriebenen Ölradiatoren mit denen einer Gasheizung verglichen. Das Fazit fällt eindeutig aus: „Als Gasersatz taugen Radiatoren nicht.“ Der Gaspreis müsse sich von seinem aktuell schon hohen Niveau noch einmal mehr als verdoppeln, damit sich der Betrieb eines Radiators unter dem Strich lohne.
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