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#Jasmin Ramadans Roman „Auf Wiedersehen“

Im Alter von Ende vierzig sind die Menschen durchschnittlich am unglücklichsten. Das erforschte der Wirtschaftswissenschaftler David G. Blanchflower 2020 in einer Studie, in der er ergründete, in welcher Beziehung Alter und Unglücklichsein zueinander stehen. Er fand her­aus: Das Glück ist u-förmig auf die Lebensjahre verteilt. Den Tiefpunkt erreicht die „Glückskurve“ bei Personen, die sich in der zweiten Hälfte ihrer Vierziger befinden. In europäischen Industrie­nationen, also auch in Deutschland, ist man laut Blanchflowers Studie im Alter von 47,2 Jahren am unglücklichsten.

Das wissen auch die Protagonisten aus Jasmin Ramadans neuem Roman „Auf Wiedersehen“. Darin erzählt die Schriftstellerin und Kolumnistin die Geschichte von sechs Mittvierzigern aus Hamburg. Dass die Autorin, Ende vierzig und in Hamburg lebend, die schon fast klischeehaft überzeichneten ehemaligen Freunde und Partner entlang zweier Vermisstenfälle wieder zu sich und zueinander finden lässt, wirkt dabei wie das Drehbuch zu einer noch nicht verfilmten rasant-romantisch-dramatischen Komödie.

Von Ehe und Tomatenzucht

Marlene, die „CDU-Freundin“, und Linus sind vom Typ schnöde Musterehe und so sehr aufeinander eingespielt, dass jegliche Romantik, Spannung oder auch nur Zärtlichkeit auf den Pfaden der Kindererziehung (sie haben einen Jungen und ein Mädchen), Altersvorsorge und des Alltagsmanagements verloren gegangen ist. Das Butterzitronenthymianhuhn, das sich Linus fast täglich von Marlene wünscht, scheint Symbol dafür zu sein: nur ja keine Experimente. Linus ist vollends zufrieden mit diesem deutschen Kleinfamilientraum, hält seine Ehe „nicht für ein Spektakel, sondern für etwas, bei dem man zur Ruhe kommt“, züchtet Tomaten, nimmt ärztliche Vorsorgetermine doppelt so häufig wahr wie nötig und suhlt sich in einem Leben ohne jegliche Veränderung oder gar Vergänglichkeit.

Jasmin Ramadan: „Auf Wiedersehen“. Roman.


Jasmin Ramadan: „Auf Wiedersehen“. Roman.
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Bild: Weissbooks

Anders Marlene: Sie „führte ihr Leben, indem sie eben vorzugsweise das machte, was sie am wenigsten nicht wollte. Und genau so war ihre Entscheidung für Linus gefallen.“ Dabei war sie meist „gelangweilt und ab und zu wütend, aber nie zu lange. Manchmal war sie sogar gelangweilt davon, dass sie wütend war.“ Sie beendet ihre Ehe, probiert sich als An­gestellte in einem Waxing-Studio aus, schläft mit ihrer zwanzig Jahre alten Tinderbekanntschaft namens Jupiter und ist endlich zufrieden. Für das Paar haben ihre Vierzigerjahre aber ein Happy End parat: Als Marlene Linus bei seiner ehrenamtlichen Arbeit in einem Hospiz besucht und sieht, wie er sich dort rührend um eine kettenrauchende Krebspatientin kümmert, verliebt sie sich zum ersten Mal in ihren Mann.

Weniger spießig sind Nikki und Mats. Nikki, die statt Butterzitronenthymianhuhn lieber fettiges Imbissbrathähnchen isst, spürt ihre 44 Jahre gleich doppelt. Für ihre jahrelange Rolle als „Frau, wegen der Männer ihre Ehe riskieren“, in einer „sexistischen Drecksserie“ fühlt sie sich in ihrem Alter zu unsexy. Und zuvor wurde sie auch noch von ihrem Partner Mats für eine zwanzig Jahre jüngere Influencerin verlassen, die sogar „manchmal beinahe schlagfertig“ ist und jedem Klischee entspricht, das Ältere von der Generation Z haben: keine eigenen Gedanken, nur Replikate der konsumierten digitalen Inhalte und stets auf die Selbstdarstellung im Internet bedacht. Aber für Nikki geht das Leben weiter. Sie lässt die ebenfalls blutjunge Liese bei sich einziehen, die charakterlich der Gegenentwurf zur gedankenleeren Influencerin ist. Statt sich weiterhin als semierfolgreiche Schauspielerin zu betätigen, schreibt Nikki ein vor Jahren begonnenes Drehbuch zu Ende und sitzt schließlich sogar in Cannes, weil die Verfilmung ihres Werks ein Erfolg wird. Als dann auch noch Mats, todunglücklich mit seiner Liaison, an der Côte d’Azur auftaucht, schließt sich auch dieser Kreis.

Kontaktabbrüche und Versöhnungen

Und dann gibt es noch Leila und Ben. Auch sie stehen zunächst vor den Trümmern ihrer Beziehung. Die eigenwillige Schriftstellerin ist nicht gewillt, Bens Launen und Seitensprünge hinzunehmen. Ihr geht es besser ohne ihn. All diese Geflechte aus gescheiterten Freundschaften und Beziehungen, Selbst- und Zueinanderfindungen, rahmt Jasmin Ramadan mit zwei Verlusten, die die Freunde zunächst entzweit haben und nun zusammenbringen. Zum Kontaktabbruch zwischen den Männern führte das Verschwinden von Mats’ Bruder. Doch als die jeweiligen Liebesbeziehungen der drei Männer scheitern, nehmen sie wieder Kontakt miteinander auf und versöhnen sich. Auch Marlene, Nikki und Leila finden wieder zueinander: Nachdem der alkoholkranke Ex-Mann einer Freundin verschwand, stehen die drei Frauen ihr bei. Auf der Beerdigung des Verschwundenen spenden die sechs Protagonisten der gemeinsamen Freundin und einander Trost. Und so schließt sich auch dieser Kreis.

Ob sich der Leser in einem der Klischee-Protagonisten wiederfindet, wird davon abhängen, auf welcher Höhe des Glücks-U er sich befindet. Für alle, die nicht in ihren Vierzigern in einer deutschen Großstadt leben, erscheinen sie dann doch recht platt und stereotyp: die Spießer, der Fremdgeher, der Psycho oder der mit der zu jungen Freundin. Der Spannungsverlauf ist in sich rund, womöglich zu rund. Doch dass Ramadans Geschichten Stoff für die Kinoleinwände sind, zeigte bereits ihr Debüt „Soul Kitchen“, das als Vorgeschichte für Fatih Akins gleichnamigen Film herhielt. Vielleicht sehen wir „Auf Wiedersehen“ ja auch mal auf der Leinwand wieder.

Jasmin Ramadan: „Auf Wiedersehen“. Roman. Weissbooks, Berlin 2023. 285 S., geb., 24,– €.

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