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#Jeder kämpft für sich allein

Jeder kämpft für sich allein

Bund und Länder sind mit ihrem Vorhaben gescheitert, die rund 400 Gesundheitsämter in Deutschland ausreichend für den Kampf gegen die Corona-Pandemie auszurüsten. Bis zum 31. Dezember sollten 90 Prozent der Gesundheitsämter miteinander vernetzt sein, um die Kontakte von Corona-Infizierten leichter nachverfolgen zu können und die Entstehung von Hotspots zu verhindern. Dies sollte über die digitale Plattform Sormas geschehen, die vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) schon vor Jahren im Kampf gegen die Ebola-Epidemie entwickelt wurde. Eine Umfrage der F.A.Z. unter allen 16 deutschen Gesundheitsministerien zeigt nun: Von diesem Ziel einer umfassenden digitalen Vernetzung ist Deutschland noch weit entfernt.

Corinna Budras

Den Beschluss für den Rollout hatten Bund und Länder auf der Ministerpräsidentenkonferenz am 16. November getroffen, also rund acht Monate nach dem ersten Lockdown im Frühjahr. Damit sollen die Beschäftigten in Gesundheitsämtern „von unnötigem Aufwand“ entlastet werden. Mit der Überforderung von Gesundheitsämtern werden viele Beschränkungen begründet, die zur Bekämpfung der Corona-Pandemie verhängt wurden. Bis zum 15. Januar sollen die Bundesländer berichten, wie weit sie mit diesem Vorhaben gekommen sind. Bayern zeigte sich anfangs entschlossen, die Zielvorgabe zu übertreffen. Dort hat man die Gesundheitsämter sogar verpflichtet, „umgehend bayernweit“ einheitlich das digitale Programm Sormas zu verwenden.

10 Stunden je Fall – und viel überflüssige Arbeit

Die Dringlichkeit für eine bundesweite Einführung betonen auch der Innovationsverbund Öffentliche Gesundheit, die Björn Steiger Stiftung und ein Zusammenschluss von deutschen Technologiemanagern (CIO Corporate Citizens) in einem Zehn-Punkte-Plan zur Entlastung der Gesundheitsämter. Darin rechnen sie vor, dass der Arbeitsaufwand je Fall bei bis zu 10 Stunden liegt, wobei ein großer Teil auf die analoge Übermittlung eigentlich digital vorliegender Daten entfalle.

In der Umfrage der F.A.Z. zeigt sich jedoch keine große Eile mehr. Die Bereitschaft der Bundesländer, diesen Beschluss umzusetzen, zerbröselt. Sachsen und Sachsen-Anhalt etwa weisen darauf hin, dass der Beschluss zur Sormas-Einführung allenfalls eine „Empfehlung“ sei, die keine rechtliche Bindung entfalte. Der Freistaat setzt weiter auf eine eigene Lösung, während Sachsen-Anhalt lapidar mitteilt: Einige Gesundheitsämter arbeiten damit, andere nicht. Brandenburg hat keinen blassen Schimmer, wie viele Gesundheitsämter schon angeschlossen sind. Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums erklärt aber: „Die flächendeckende Einführung ist vorgesehen.“

In Hessen nutzen vier Gesundheitsämter die Software, vier weitere „sind im Aufbau“, in Niedersachsen sind es zwölf. Auch diese beiden Bundesländer berichten von Schwierigkeiten, den Gesundheitsämtern die Nutzung vorzuschreiben. Dort zeigt man sich allerdings zumindest offen für einen flächendeckenden Rollout des digitalen Systems, das von vielen Fachleuten als ausgefeilt, praktisch und einfach zu nutzen beschrieben wird. Andreas Meyer-Falcke, Chief Information Officer von Nordrhein-Westfalen, bekräftigt, wie nötig es sei, ein einheitliches System zu nutzen: „Wir können keine weltumspannende Seuche mit lokalen Lösungen bekämpfen.“ NRW und das Saarland liefern ihre Zahlen nächste Woche.

Keine Zeit für Innovation

Thüringen zählt auf, dass zumindest Stand Anfang Dezember von den 22 Gesundheitsämtern sieben Sormas schon nutzen, vier weitere hätten die Einführung bis zum Jahresende vorgesehen. Für die restlichen Gesundheitsämter wird das Fehlen von Sormas insbesondere mit der hohen Arbeitsbelastung durch die Pandemie begründet. Das dürfte auch anderen aus der Seele sprechen: In Schleswig-Holstein gibt es mit dem Gesundheitsamt in Husum bisher nur eins, das es gerade einführt. Was die restlichen Behörden angehe, sei der Ersatz der etablierten Geschäftsmanagementsysteme durch Sormas während der laufenden Pandemie „nicht darstellbar“.

Auch Bayern kommt nicht ansatzweise so voran, wie Ministerpräsident Markus Söder (CSU) dies ursprünglich vorhatte. Ein Ministeriumssprecher sagte, dass inzwischen 19 von insgesamt 76 Gesundheitsämtern in Bayern Verträge zur Einführung von Sormas abgeschlossen haben. Nun wird der 1. Februar als nächstes Datum genannt.

Im Vergleich dazu sind die Stadtstaaten Berlin und Bremen geradezu übereifrig mit der Einführung: In Bremerhaven wird schon seit Mai 2020 mit Sormas gearbeitet, in Bremen beginnt die Nutzung am 4. Januar. Der Berliner Senat hat im April die Einführung festgelegt. Aktuell wird Sormas in fünf Bezirken im Probe-Echtbetrieb eingesetzt und in drei weiteren Bezirken parallel zur vorhandenen Lösung erprobt, wie ein Senatssprecher erklärte. Die Einführung in weiteren Bezirken werde erfolgen. Das HZI selbst nennt auf seiner Internetseite 95 Gesundheitsämter, die mit Sormas arbeiten – von rund 400.

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