Wissenschaft

#UNO veröffentlicht bisher umfassendsten Dürre-Atlas

Passend zum heutigen Beginn der 16. Vertragsstaatenkonferenz zur Bekämpfung von Desertifikation in Riad hat die UNO die bisher umfassendste globale Publikation zu Dürrerisiken und -lösungen veröffentlicht: Der neue World Drought Atlas zeigt in Dutzenden von Karten, Infografiken und Fallstudien, wo und wie stark verschiedenen Gebiete der Erde von Trockenheit und Desertifikation betroffen sind und welche Faktoren dahinterstecken. Er illustriert, wie Dürrerisiken über Sektoren wie Energie, Landwirtschaft, Binnenschifffahrt und internationalen Handel hinweg vernetzt sind und wie sie Kaskadeneffekte auslösen können. Der Atlas bietet aber auch Lösungsansätze und Leitlinien für eine effektivere Bekämpfung von Dürren, Bodendegradation und ihren Folgen.

Das Problem ist nicht neu: Als Reaktion auf die Dürre- und Hungerkatastrophe der 1970er Jahre in der Sahelzone fand schon 1977 in Nairobi die erste UN-Konferenz zur Bekämpfung der Wüstenbildung statt. 1994 trat dann die UN-Konvention zur Bekämpfung der Wüstenbildung (UNCCD) in Kraft – vor genau 30 Jahren. Ziel der Konvention ist es, die fortschreitende Degradierung und Übernutzung der Böden weltweit zu bremsen und damit auch die Wüstenbildung aufzuhalten. Ab dem heutigen Montag, dem 22. Dezember 2024, findet in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad die inzwischen 16. Vertragsstaatenkonferenz der UNCCD statt. Doch anders als der Weltklimagipfel oder die Biodiversitätskonferenz erhält der “Wüstengipfel” gerade in der westlichen Welt weit weniger Aufmerksamkeit – zu Unrecht. Denn auch wenn die Desertifikation und Degradierung der Böden oft schleichend voranschreitet und daher weniger sichtbar ist als Starkregen, Überschwemmungen oder andere Wetterextreme, sind die Folgen dramatisch.

“World Drought Atlas ist ein Weckruf”

Wie es um das Problem der Dürren und seine Ursachen steht, zeigt nun der neue Weltdürreatlas der UN. Die von der UN-Konvention zur Bekämpfung der Wüstenbildung und dem Forschungszentrum der Europäischen Kommission (JRC) herausgegebene Publikation ist die bisher umfassendste globale Publikation zu den Risiken und Ursachen von Dürre, aber auch zu deren Lösung. Der World Drought Atlas zeigt die systemische Natur der Dürrerisiken durch Dutzende von Karten, Infografiken und Fallstudien. Er illustriert, wie Dürrerisiken über Sektoren wie Energie, Landwirtschaft, Binnenschifffahrt und internationalen Handel hinweg vernetzt sind und wie sie Kaskadeneffekte auslösen können. Der Atlas zeigt diese Auswirkungen der Dürre in fünf Schlüsselbereichen – Wasserversorgung, Landwirtschaft, Wasserkraft, Binnenschifffahrt und Ökosysteme. Er enthält zudem 21 Fallstudien aus aller Welt und zeigt, dass kein Land – unabhängig von seiner Größe, seinem Bruttoinlandsprodukt oder seiner geografischen Lage – gegen Dürren immun ist, auch in Europa nicht.

Karte aus dem Dürreatlas
Diese Karte aus dem Dürreatlas zeigt das Risiko für sogenannte “Flash-Dürren”. © UNCCD World Drought Atlas

“Dieser World Drought Atlas ist ein Weckruf”, sagt Ibrahim Thiaw, Exekutivsekretär der UNCCD. “Er erinnert uns daran, dass Dürren keine Grenzen kennen und keine Region oder kein Land, unabhängig von ihrem Entwicklungsstand, gegen ihre Auswirkungen immun ist. Er erinnert uns auch daran, dass unsere Handlungen weitreichende Konsequenzen haben – für uns alle. Je mehr die Welt miteinander vernetzt wird, desto mehr teilen wir auch die Risiken.” So zeigen Klimadaten, dass Dürren seit dem Jahr 2000 um 29 Prozent zugenommen haben und schon jetzt zu den teuersten und tödlichsten Naturgefahren der Welt gehören. Prognosen zufolge könnten bis zum Jahr 2050 drei von vier Menschen weltweit von Dürre betroffen sein. „Desertifikation ist nicht nur ein Problem in weit entfernten Regionen wie der Sahara, sondern betrifft auch Teile Europas, insbesondere den Mittelmeerraum”, kommentiert Kathleen Hermans vom Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO) in Halle an der Saale. In Spanien sind rund drei Viertel des Landes von Desertifikationsrisiken betroffen, während in Portugal über die Hälfte des Landes gefährdet ist und in Italien fast 60 Prozent der Fläche eine mittlere bis hohe Anfälligkeit aufweisen.

Vernetzte Ursachen, aber auch Lösungen

Die Ursachen der zunehmenden Dürren sind komplex. So spielt zum einen der Klimawandel eine Rolle, weil durch ihn in einigen Gebieten immer häufiger die Niederschläge ausbleiben oder sich intensive Trockenperioden zunehmend mit Starkregen abwechseln. In vielen Fällen sind es jedoch die menschlichen Eingriffe in Landschaft und Böden, die zu Degradierung der Böden, Wassermangel und Austrocknung führen. „Menschliche Aktivitäten treiben Dürren und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft voran oder verschärfen sie. Dies wird im Atlas deutlich dargestellt und basiert auf wissenschaftlicher Literatur und Beispielen aus der ganzen Welt”, sagt Marthe Wens vom Institut für Umweltstudien der Freien Universität Amsterdam. Ein Beispiel ist die Übernutzung des Grundwassers und anderer Wasserressourcen durch die intensive Landwirtschaft oder den Tourismus. Aber auch Abholzung von Wäldern und Überweidung der Böden trägt zur Desertifikation und Dürren bei, wie der Dürreatlas aufzeigt. So stellt er beispielsweise dar, wie die von uns in Europa genutzten Produkte durch ihre globalen Lieferketten die Auswirkungen von Dürren in weit entfernten Regionen verschärfen und Wasserstress verursachen können.

Der Dürreatlas beschreibt aber auch konkrete Maßnahmen und Wege, um die Austrocknung und systemischen Dürrerisiken zu reduzieren und betroffenen Regionen bei der Anpassung zu helfen. Konkret sehen die Experten dabei Ansatzpunkte in drei Kategorien. Die erste betrifft Maßnahmen im Bereich Governance, beispielsweise durch bessere Frühwarnsysteme, Mikroversicherungen für Kleinbauern, Preissysteme für Wasserverbrauch und ähnliches. Ein zweiter Ansatzpunkt ist das Landnutzungsmanagement, bei dem nicht nachhaltige Praktiken beispielsweise in der Landwirtschaft vermieden werden und durch resilientere Formen wie die Agroforstwirtschaft ersetzt werden. Auch die Renaturierung von Flächen kann der Austrocknung entgegenwirken. Der dritte Maßnahmenkatalog bezieht sich auf die Wassernutzung: Indem beispielsweise Abwasser konsequenter wiederverwendet wird und Wasser gespart wird, kann das Absinken des Grundwasserspiegels und die Übernutzung der natürlichen Wasserresourcen eingedämmt werden. „Der World Drought Atlas fordert Regierungen, Wirtschaftsführer und Entscheidungsträger auf allen Ebenen heraus, radikal zu überdenken, wie sie Entscheidungen treffen und Dürrerisiken managen“, sagt Thiaw. „Ich fordere alle Nationen und insbesondere die Vertragsparteien der UNCCD auf, die Erkenntnisse des Atlas ernst zu nehmen. Auf der UNCCD COP16 könnten die Vertragsparteien den Lauf der Geschichte hin zu einer Dürre-Resilienz ändern. Nutzen wir den Moment mit dem Wissen, dass der Atlas den Weg zu einer widerstandsfähigeren Zukunft für alle weist.“

Quelle: United Nations Convention to Combat Desertification (UNCCD); World Drought Atlas

 

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