Wissenschaft

#Fossil gibt neue Einblicke in die Evolution der Manteltiere

Mit über 3000 Arten sind Manteltiere wie die Seescheiden heute in den Meeren der Welt weit verbreitet. Fossilien dieser wirbellosen Tiere sind allerdings selten, sodass bislang viele Fragen zu ihren Ursprüngen offen blieben. Sie gelten jedoch als eine Schwestergruppe der Wirbeltiere. Ein außergewöhnlich gut erhaltenes, 500 Millionen Jahre altes Fossil zeigt nun, dass bereits damalige Vertreter sesshaft am Meeresgrund lebten und auffallende Ähnlichkeiten zu heutigen Spezies aufwiesen. Die neu beschriebene Spezies Megasiphon thylakos gehörte wahrscheinlich zur Stammgruppe der Manteltiere.

Manteltiere gelten als die engsten wirbellosen Verwandten der Wirbeltiere. Die größte Gruppe mit rund 3000 Arten bilden die Seescheiden. In vielfältigen Farben, Formen und Größen wachsen diese als erwachsene Tiere fest am Meeresboden. Gemeinsam ist ihnen der Grundbauplan mit zwei Siphons, die typischerweise röhrenartig aus dem Körper hervorragen. Durch den einen pumpen sie Wasser in sich hinein und filtern daraus Nährstoffe, durch den anderen geben sie das Wasser wieder ab. Im Larvenstadium schwimmen die Seescheiden dagegen wie Kaulquappen frei durch die Ozeane. Andere Manteltiere bleiben sogar ihr Leben lang mobil. Doch wann im Laufe der Evolutionsgeschichte der Tunikaten hat sich die Sesshaftigkeit der Seescheiden entwickelt? Diese Frage ließ sich bisher mangels aussagekräftiger Fossilien nicht beantworten.

Fund im Museum

Ein Team um Karma Nanglu von der Harvard University in Cambridge hat nun erstmals ein gut erhaltenes Fossil beschrieben, das eindeutig zu den Manteltieren zählt und auf ein Alter von 500 Millionen Jahren datiert wird. Das außergewöhnliche Exemplar, dem die Forschenden den Namen Megasiphon thylakos gaben, stammt aus der mittelkambrischen Marjum-Formation im US-Bundesstaat Utah. Der Artname bezieht sich auf die großen, hervorstehenden Siphons des Tieres und auf den sackartigen Körper – thylakos ist das griechische Wort für Beutel.

2019 entdeckten zwei der Co-Autoren das Fossil im Utah Museum of Natural History und erkannten es als Manteltier. „Das Fossil hat sofort unsere Aufmerksamkeit erregt“, erzählt Javier Ortega-Hernández, einer der Finder. „Die große morphologische Ähnlichkeit von Megasiphon mit modernen Manteltieren war einfach zu auffällig, um sie zu übersehen, und wir wussten sofort, dass das Fossil eine interessante Geschichte zu erzählen haben würde.“

Moderner Körperbau vor 500 Millionen Jahren

Mit Hilfe hochauflösender Bilder des Fossils gingen Nanglu und sein Team dieser Geschichte auf den Grund. Dabei fiel ihnen auf, dass das etwa 3,2 Zentimeter lange Exemplar von dunklen Bändern durchzogen war. Vergleiche mit heute lebenden Schlauchseescheiden (Ciona intestinalis) zeigten, dass es sich dabei um Muskelfasern handelte. „Bei modernen Vertretern führt die Kontraktion dieser Muskeln dazu, dass sich das Tier zusammenzieht und Wasser herausspritzt“, erklärt das Forschungsteam. „Ihr Vorhandensein bei M. thylakos deutet darauf hin, dass sich diese typischen Verhaltensmerkmale von Manteltieren bereits vor etwa 500 Millionen Jahren entwickelt haben.“ Demnach war offenbar bereits der 500 Millionen Jahre alte Vorfahr der heutigen Manteltiere als ausgewachsenes Tier sesshaft und pumpte seine Nahrung durch Siphons in sich hinein.

Für die Einordnung in den Stammbaum der Manteltiere schlagen die Forschenden zwei mögliche Hypothesen vor. „Das wahrscheinlichste Szenario besagt, dass M. thylakos zur Stammgruppe der Tunikaten gehört, was darauf hindeutet, dass der gesamte Unterstamm ursprünglich einen biphasischen Lebenszyklus mit einer frei herumschwimmenden Larve und einem sesshaften Erwachsenen hatte“, schreiben sie. Alternativ wäre es denkbar, dass M. thylakos bereits eine weiter entwickelte Form darstellt, also zur Kronengruppe gehört. In diesem Fall müssten sich Seescheiden allerdings schon 50 Millionen früher als bisher angenommen von anderen Manteltieren getrennt haben.

Weitere Fossilien gesucht

Das wiederum hätte auch Auswirkungen auf die Datierungen im Stammbaum der Schwestergruppe der Manteltiere, der Wirbeltiere: Denn sollten sich die Manteltiere früher als gedacht diversifiziert haben, verschöbe sich auch der Ursprung der Wirbeltiere weiter in die Vergangenheit, wie die Paläontologen erklären. Um solche Hypothesen weiter zu untermauern oder zu widerlegen, fehlen aber bislang fossile Hinweise. Um Klarheit zu gewinnen, planen Nanglu und sein Team, weitere Fossilien aus der Marjum-Formation zu untersuchen. „Diese bislang vergleichsweise wenig untersuchte kambrische Lagerstätte stellt eine potenzielle Quelle für entscheidende evolutionäre und ökologische Erkenntnisse über die Dynamik der kambrischen Welt und die frühe Diversifizierung der Tiere dar“, so das Team.

Quelle: Karma Nanglu (Harvard University, Cambridge) et al., Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-023-39012-4

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