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#Jo Schück: ‚Die Lust auf Bewegtbild scheint mir ungebrochen‘

„Jo Schück: ‚Die Lust auf Bewegtbild scheint mir ungebrochen‘“

Der «aspekte»-Moderator, der auch die Berlinale-Eröffnung moderierte, fände es schade, wenn die Vielfalt flöten ginge.

Sie durften dieses Jahr wieder bei der Berlinale moderieren. Freuen Sie sich, dass Sie seit Jahren dieses Event mitnehmen können?
Na klar, das war in diesem Jahr ein ganz besonders Festival für mich. Zum ersten Mal durfte ich zusammen mit Hadnet Tesfai die Eröffnungsgala moderieren – und das erstmals seit Jahren wieder vor richtig vollem Haus mit Stars aus aller Welt – und nicht zu vergessen mit dem ukrainischen Präsidenten. Eine intensive und schöne Herausforderung – politisch, künstlerisch und nicht zuletzt moderativ. Die Verbindung aus politischem und künstlerischen Zeitgeschehen gepaart mit einem Spritzer Glamour und Unterhaltung liegt mir, mag ich.

Die Internationalen Filmfestspiele Berlin finden im Sony Center in Berlin statt. Immer mehr Geschäfte schließen, Firmen suchen sich neue Räume. Warum ist das Sony Center eigentlich so unbeliebt?
Der geschichtsträchtige Potsdamer Platz, dieses ehemalige Symbol des Kalten Krieges, der geteilten Stadt, hätte ein Platz der menschlichen Begegnung im Herzen Berlins werden können. Stattdessen hat diese namenlose Schießscharten-Architektur inkl. des raumschiffartigen Sony-Centers und der S-Bahnhof-Kathedrale den Ort von jeglichem Charme befreit. Alles wirkt kalt, zugig, eckig. Die Beton-Burgen brauchen nur sich selbst, Menschen wirken unerwünscht. Am wohlsten, neben dem zur Berlinale passabel hergerichteten Palast, fühle ich mich in diesem einen Donut-Laden. Dabei mag ich gar keine Donuts.

Welche Filme sind derzeit besonders interessant?
Viele haben neben dem Wettbewerb die Perlen gefunden: Beispielsweise «Sonne und Beton» nach dem Buch von Felix Lobrecht fand ich sehr sehenswert. Es geht um Armut, Gewalt und Hass unter jungen Leuten im sogenannten Brennpunkt-Viertel Gropiusstadt in Berlin-Neukölln. Der Film schafft das, was Kunst im besten Falle schafft: Empathie für eine Lebenswirklichkeit, die an den meisten vorbeigehen würde. Außerdem: «Tar», ein Film über Machtmissbrauch im Klassik-Betrieb, ist eine Offenbarung, nicht zuletzt wegen einer grandiosen Cate Blanchett, die für diese Rolle zurecht mit dem Oscar nominiert wurde. Und wer Lust auf Popcorn-Kino hat, kann sich auch gut und gerne «The Fablemans» anschauen, ein autobiographische Auseinandersetzung mit seiner eigenen Familie von Steven Spielberg, dem Gewinner des goldenen Ehrenbären fürs Lebenswerk. Es gibt noch etliche andere Empfehlungen, dafür reicht hier aber der Platz nicht. Einfach die letzte Ausgabe «aspekte» schauen.

Man hört immer wieder, dass aufgrund der Corona-Pandemie zahlreiche Produktionsstopps die Filmlandschaft langweilig machten. Geht es inzwischen aufwärts?
Langweilig? Kann ich so nicht bestätigen. Die alte Diskussion, ob das Kino jetzt eigentlich tot ist oder schon wiederbelebt, ebbt natürlich nicht ab. Aber die Lust auf Bewegtbild, unabhängig von der Darreichungsform, scheint mir ungebrochen. Klar hat Corona viel durcheinander gewirbelt und vor allem kleinere Produzenten und Kinobetreiber in Existenznöte versetzt. Geld für Produktionen scheint aber im Großen und Ganzen durchaus da zu sein. Es könnte nur eben besser verteilt sein, damit auch die kleineren und anspruchsvolleren Produktionen mehr vom Kuchen abbekommen. Auch deswegen ist eine Berlinale ja so wichtig, denn hier werden Filme bejubelt, von denen man ansonsten wenig hören würde. Immerhin: 44 deutsche Produktionen beim Festival, so viel wie nie.

Streamingdienste wie Netflix produzieren inzwischen wie mit «Knives Out 2» echte Blockbuster, die aber nicht außerhalb des Dienstes durchstarten. Wird sich dieser Trend noch verschlimmern?
Ja, die Tendenz ist da. Ob das „schlimm“ ist, hängt ja buchstäblich vom Betrachter oder der Betrachterin ab. Dass technologische Innovationen auch die Art der Produktion und des Konsums verändern, finde ich erstmal überhaupt nicht schlimm. Heute hört ja auch niemand mehr Schellack-Platten und trotzdem gibts Musik. Wenn die Vielfalt flöten geht, weil Programmkinos aussterben und die großen Streaming-Dienste kein Arthouse zeigen wollen, dann allerdings haben wir ein Problem.

Netflix beispielsweise machte die Erzählungen von lokalen Geschichten interessant. Muss sich Hollywood öffnen, statt den zehnten «The Fast and Furious»-Film abzudrehen?
Was gibts denn an the «Fast and the Furious» auszusetzen? (lacht). Im Ernst: es ist natürlich vollkommen legitim, sich das reinziehen zu wollen. Außerdem ist es ja nicht so, dass Hollywood nur oberflächlichen Popcorn-Mist produziert. Auch, aber nicht nur. Die erwähnten Spielberg-Filme von «ET» bis «Schindlers Liste» oder «Tar» kommen ja auch aus Hollywood, haben aber trotzdem filmischen und inhaltlichen Anspruch. Aber klar: Alle Produzenten lieben Blockbuster. Und wollen mit ihnen vor allem Geld verdienen. Die zu große Konzentration von Geld und Macht war noch nie eine gute Idee. Das ist im Filmgeschäft nicht anders. Ich finde es spannend, dass durch Streaming uns serielle Formate einiges in Bewegung geraten ist, denken Sie nur an den Erfolg von meiner Lieblingsserie «Better Call Saul»: eine sehr langsam erzählte Geschichte aus Albuquerque mit viel Platz für ausgiebige Charakterentwicklung und hohem ästhetischen Anspruch, das wäre vor 10, 20 Jahren noch undenkbar gewesen.

Deutsche Spielfilme, vor allem die, die durch ARD und ZDF gefördert wurden, haben oft schreckliche Sendeplätze. Warum gibt es für kulturelle Werke kaum gute Programmplätze?
Da fragen sie ein gebranntes Kind. Ich bin «aspekte»-Moderator (lacht).

Wenns nach mir persönlich geht, würden die anspruchsvollen Filme und Sendungen immer zur Hauptsendezeit laufen. Aber nach mir gehts nicht. Wenn man die Leute fragt, sagen fast alle, sie schauen entweder gar kein Fernsehen mehr oder ab und zu Arte. Der Blick auf die Quoten sagt aber was ganz anderes. Ich finde es auf der einen Seite legitim, dass sich eben nicht alle zum Feierabend noch einen anspruchsvollen Film Noir reinziehen wollen, sondern auch etwas leichter Verdauliches. Auf der anderen Seite kann man dem Publikum meiner Meinung nach durchaus ne Schippe mehr zumuten, als das mancher Programmplaner denkt. Und: Sendeplätze werden ja ohnehin bald immer unwichtiger und die Mediatheken sind ja jetzt schon voll mit gutem Zeug. Die Frage ist dann eher: wie findet man das?

Sie moderieren auch das spannende Format «13 Fragen». Über welche Themen können wir uns demnächst wieder freuen? Was muss noch besprochen werden?
Alles. Viel und noch mehr. Tatsächlich mangelt es ja nicht an Themen, sondern vor allem am richtigen kommunikativen Umgang damit. Ich bin deswegen sehr froh, dass sich «13 Fragen» eine solche Fan-Base erspielt hat, die eben den lösungsorientierten Austausch und nicht den konfrontativen Schlagabtausch sucht. Die Themen sind zu ernst, als dass Köpfe-Einhauen eine Option wäre. Streit mit Sinn und Verstand ist da viel besser. Beispiel Rente: Ich habe den Eindruck, vielen ist überhaupt nicht klar, dass das System kurz vorm Zusammenbrechen ist. Die Folge ist gerade online. Außerdem kommen Einbürgerung, Schönheitswettbewerbe, schöne Grüße an Frau Klum!, Umgang mit psychischen Krankheiten und noch viel mehr. Und natürlich werden wir das Over-all-Thema Klimakrise ebenfalls nicht außer Acht lassen. Wir müssen ja schließlich alles erwarten, auch das Gute.

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