#Joe Bidens Gipfel: Die Extradosis Klimaschutz
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„Joe Bidens Gipfel: Die Extradosis Klimaschutz“
Von einem schwerkranken, fiebrigen Patienten darf man keine Wunder erwarten. Insofern wäre es mitten in der Corona-Pandemie fast anmaßend, von dem überraschend stark besetzten Klimagipfel, den der amerikanische Präsident bis Freitag anberaumt hat, mehr zu erwarten als das, was Joe Biden in seinem ersten Verwaltungsakt im Oval Office versprochen hatte: die globale Klimadiplomatie wieder in die Spur zu bringen.
Wenig ist das nicht. Die einen katapultieren sich zurück in den Pariser Klimaschutz-Prozess, woraufhin China ankündigt, Biden die Vorreiterrolle streitig zu machen, und Russlands Machthaber spürt, dass da etwas wieder ins Rollen kommt, das er für seine Zwecke nutzen und ihn zugleich aus der Ecke der klimapolitischen Zauderer herausholen könnte.
Ein neuer Aufbruch ist unübersehbar. Und doch besteht für triumphierende Gesten keinerlei Anlass. Auch nicht für die trotzigen Europäer, die sich kurz vor Bidens Gipfel einen Klimakompromiss von 55 Prozent Emissionsverringerung bis zum Jahr 2030 abgerungen haben. Die Entscheidung bleibt rechnerisch hinter ihren Möglichkeiten zurück, auch hinter denen der fahnenflüchtigen Briten.
Die alten Muster sind immer wieder zu erkennen: mit Zahlen und Zielen renommieren und zugleich den Anschein am Leben erhalten, es gehe durchaus etwas voran, was doch oft nicht mehr ist als der alte Klimatrott. So ist Bidens Minimalziel beim Gipfel, die vierzig Länder mit den höchsten Emissionen zu ermutigen, fristgerecht bis zum UN-Klimagipfel in Glasgow Ende des Jahres kurzfristige Klimaziele vorzulegen.
Daran hat es bislang gefehlt. Viele Staaten haben inzwischen zwar zugesagt, bis zur Mitte des Jahrhunderts „Klimaneutralität“ zu realisieren. Dann sollen nicht mehr klimaschädliche Gase freigesetzt werden, wie gleichzeitig durch Klimaspeicher wie Wälder oder andere Maßnahmen kompensiert werden können. Aber 2050 ist weit, zu weit. Gehandelt werden muss jetzt. Der Weltklimarat und zuletzt auch die Weltmeteorologiebehörde haben es klargemacht: Weniger als ein Jahrzehnt – also bis 2030 – bleibt noch Zeit, die globale Mitteltemperatur bei höchstens 1,5 Grad zu halten. Aktuell liegen wir bei etwas mehr als 1,2 Grad über dem vorindustriellen Wert.
Die globale Klimapolitik ist auf Sand gebaut
Das Zeitfenster schließt sich also rasend schnell. Vor wenigen Tagen hat die Internationale Energie-Agentur vorgeführt, wo es klimapolitisch brennt. In diesem Jahr erwartet sie den zweitschnellsten Anstieg von Kohlendioxid in der Luft seit Menschengedenken. Noch steiler nach oben ging die Kurve nur im Jahr nach der Finanzkrise vor mehr als einer Dekade. Und der Ölpreis ist mit jeder Woche, die die Hoffnung auf ein Ende der lähmenden Gesundheitskrise nährt, nur noch höher geklettert.
So gesehen ist die globale Klimapolitik immer noch auf Sand – buchstäblich auf Ölsand und Kohle – gebaut. Wachstum und Emissionen sind weiterhin nicht entkoppelt. Mehr noch: Nicht einmal die eng miteinander verknüpften Umweltprobleme des Planeten – Klimawandel, Luftverschmutzung und vor allem der sich beschleunigende Schwund der Arten – sind bisher ökologisch wie ökonomisch ausreichend zusammengedacht worden. Warum eigentlich nicht? Auch das müssen sich die vierzig Führungskräfte der Klimapolitik auf Bidens Wiedersehensgipfel fragen lassen.
Vierzig Prozent des weltweiten Wirtschaftswachstums hängen davon ab, dass die Menschheit genug intakte Natur erhält, dass sie sich nachhaltig und damit im Ganzen klimaverträglich entwickelt. Die Frage also, wer die Rettung des Weltklimas organisiert und wer mit welchen Zielen an der Spitze steht, ist nicht so entscheidend wie die Einsicht, die die Pandemie (fast) allen Regierungen abgerungen hat: Es ist nicht bloß Grippe, der Planet leidet an einer gefährlichen Systemkrankheit: Vier Grad wärmer, das ist der Emissionspfad, auf den die überhitzte Erde bis Ende dieses Jahrhunderts zusteuert – mit allen tiefen humanökologischen Verletzungen, die dieser erdgeschichtlich einmalige Eingriff mit sich brächte.
Längst sind die Bilder der Krise auf allen digitalen Kanälen zu sehen. Viele davon vermitteln Ausweglosigkeit, weshalb Politiker ihr heute am liebsten mit „positiven Narrativen“ begegnen. Auch auf dem Biden-Gipfel sind sie Thema: die Klima-Innovationen. Ohne Fortschritt geht es ganz sicher nicht, und der atemberaubende Preisverfall sowie die steigende Attraktivität regenerativer Techniken sind ein schöner Beleg dafür.
Doch viele Spekulationen über in der Ferne liegende Lösungen sind im besten Fall Utopien. Oft genug zeugen sie einfach von der auch nach Paris nicht abgelegten klimapolitischen Bequemlichkeit. Im schlimmsten Fall aber sind sie von derselben Qualität wie manche Argumente in der Pandemiebewältigung: Die Vorstellung, allein die Technik stoppe den Klimawandel, dürfte sich als ebenso falsch erweisen wie die Illusion, allein die Anwendung des Grundgesetzes sorge für fallende Infektionszahlen. Nur Klimapolitik mit hohem Wirkungsgrad macht uns immun gegen Spätschäden.
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