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#Jüdisches Leben sichtbar machen

Jüdisches Leben sichtbar machen

Es ist ein guter Zeitpunkt, um über jüdisches Leben in Deutschland zu sprechen. Nicht in erster Linie, weil an diesem Montag das Urteil im Halle-Prozess gefällt wird, in dem über eines der schwersten antisemitischen Verbrechen der deutschen Nachkriegsgeschichte verhandelt wurde.

Es ist vor allem deswegen ein guter Zeitpunkt, weil am Freitag Chanukka endete, das jüdische Lichterfest. Gedacht wurde der Wiedereinweihung des zweiten Tempels in Jerusalem. Es ist ein häusliches Fest, die Familie kommt zusammen. In diesem Jahr war das wegen der Corona-Pandemie an vielen Orten nicht möglich.

Chanukka dauert acht Tage. Doch nichtjüdische Bürger bekamen davon auch in diesem Jahr so gut wie nichts mit. Im Zusammenhang mit dem Bund-Länder-Beschluss zum Lockdown wurde über Weihnachten, aber nicht über Chanukka gesprochen.

Das ist traurig, aber nicht überraschend: Die deutsche, jüdisch-christlich geprägte Gesellschaft weiß in der Breite erschreckend wenig über das Judentum, über seine Feste, seine Bräuche, seine verschiedenen Ausprägungen. Bis etwas passiert. Dann ist die Aufregung groß.

Die Magdeburger jüdische Gemeinde entzündet das erste Licht am Chanukkaleuchter im Dezember 2020.


Die Magdeburger jüdische Gemeinde entzündet das erste Licht am Chanukkaleuchter im Dezember 2020.
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Bild: ZB

Als der Attentäter von Halle an Jom Kippur versuchte, die Synagoge zu stürmen, lernte man, dass Jom Kippur der höchste jüdische Feiertag und das Versöhnungsfest ist. Und man lernte, dass Unwissenheit lebensgefährlich ist: Der Schutz der Synagoge in Halle an diesem Tag lief unter „Sicherheitsstufe 6“, an dem Gebäude fuhr nur hin und wieder eine Streife der Polizei vorbei.

Es scheint, als gebe es nur zwei Tonarten, in denen in Deutschland im Jahr 2020 über Juden gesprochen wird: Aufregung und Abwiegelung.

Nach dem versuchten Mord an 51 Juden in der Synagoge von Halle sprachen viele Politiker viele Sätze, die nicht mehr steigerungsfähig waren. Bundesinnenminister Horst Seehofer sagte, es werde alles Menschenmögliche getan, um jüdische Einrichtungen besser zu schützen.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte, er schäme sich dafür, wenn Juden sich nicht sicher fühlten in Deutschland. Mehr Stärke kann man von Worten nicht erwarten. Aber von Taten, die den Worten folgen sollten. Warum aber schilderten dann mehrere Zeugen im Halle-Prozess, dass die Polizei unsensibel mit ihnen umgegangen sei? Dass für die angereisten Polizisten Hotelzimmer gebucht wurden, die traumatisierten Überlebenden aber in eine Notunterkunft sollten?

Sicherheitsvorkehrungen sind Notwendigkeit

Dass jüdische Gemeinden überall in Deutschland davon berichten können, dass zwar ein fachkundiger Mitarbeiter des Landeskriminalamts die Sicherheitsmängel ihrer Gebäude begutachtet, sich aber dann oft kein staatliches Geld findet, um die wenige tausend Euro teuren schusssicheren Fenster und den Wachdienst zu bezahlen? Sicherheitsvorkehrungen an jüdischen Gebäuden sind kein Bonus. Sie sind leider eine Notwendigkeit, um das Gemeindeleben zu erhalten.

Die jüdischen Gemeinden klagen über fehlende Mittel. Gut 94.000 Juden leben in Deutschland. Über jeden müssen der deutsche Staat und die deutsche Bevölkerung froh sein. Seit einiger Zeit wird von Gemeindeverantwortlichen aber darauf hingewiesen, dass dies nur eine „Scheinblüte“ des jüdischen Lebens in Deutschland sei.

Die vereinfachte Einwanderung aus dem Osten, wodurch vor allem russischsprachige Juden nach Deutschland kamen, ist gestoppt. Die Gemeinden überaltern. Das Judentum wird immer unsichtbarer in Deutschland. Auch, weil Juden sich immer seltener trauen, ihren Glauben öffentlich zu zeigen.

Antisemitismus schleicht sich in Debatten ein

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung warnte Juden davor, auf der Straße die Kippa zu tragen. So weit ist es gekommen. Der Leiter der Berliner Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus sprach von einem „antisemitischen Grundrauschen“, das für Juden den Alltag in der Stadt präge.

Jungen Menschen begegnet das Judentum meist in der Schule, mit dem Jahr 1933, und endet mit dem Holocaust. Das Judentum taucht hierzulande hauptsächlich im Zusammenhang mit den Begriffen Opfer und Schuld auf – aber fast nie im Zusammenhang von Alltag. Das sollte möglich sein, ohne auch nur irgendetwas von der deutschen Schuld zu relativieren.

Ein umfassenderes Verständnis von Judentum ist auch deswegen wichtig, weil der Antisemitismus inzwischen in vielerlei Gestalt erscheint und sich regelmäßig aktualisiert. In den vergangenen Jahren ist die Zahl antisemitischer Straftaten stark gestiegen; und dabei ist davon auszugehen, dass bei weitem nicht jede angezeigt wird. Antisemitismus fügt sich geschmeidig in aktuelle Debatten.

So ist es beim Halle-Attentäter, der hinter dem Flüchtlingszuzug eine jüdische Verschwörung sieht. Und so ist es bei den Anti-Corona-Demonstrationen, wo einige Teilnehmer den Judenstern auf der Brust trugen. Hinzu kommt ein Antisemitismus arabisch-muslimischer Provenienz. Es darf der deutschen Gesellschaft nicht egal sein, dass sich das jüdische Leben deswegen immer mehr hinter hohen Zäunen verschanzen muss.

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