Nachrichten

Jürgen Klopp reagiert auf Gerücht über Trainer-Comeback in Rom

„You’ll never walk alone“ lautet das Meta-Thema seines Trainerlebens. Als Coach bei Mainz 05, Borussia Dortmund und vor allem beim FC Liverpool begleitete ihn der romantische Fußball-Gassenhauer auf all seinen Wegen. Bei der Verleihung des Fairplay-Preises des deutschen Sports in Wiesbaden bevorzugte es Jürgen Klopp allerdings, als Solist den privaten Eintritt durch die Hintertür zu wählen – und genauso geräuschlos verließ der Geehrte die Rotunde des Biebricher Schlosses später auch wieder, ohne Umweg ans Buffet.

In den zweieinhalb Stunden dazwischen ließ der 57-Jährige Humor und Charme aufblitzen; zeigte, warum er der Mann für den Mittelpunkt ist. Plötzlich stand er im Raum. Und füllte ihn: auffällig schlank, gut trainiert, im hellen Anzug zum dunklen Shirt. Dann dröhnte sein lautes Lachen, dann blitzten seine polierten Zähne – und schließlich nahm er mit Wortwitz und hintergründigen Gedanken Stellung zu Sport und Gesellschaft – und sein Publikum für sich ein.

„Wollt ihr mir den Preis wirklich geben?“

Zunächst zweifelte er aber. „Fairplay-Preis? Für mich? Für was?“ waren Klopps spontane Gedanken, als ihm der Sonderpreis vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und dem Verband Deutscher Sportjournalisten (VDS) angetragen wurde. Sein Wirken als Trainer kam ihm zu selbstverständlich vor, als dass er dafür geehrt werden wollte.

Als dann sein Antritt als globaler Fußball-Chef bei Red Bull bekannt wurde, fragte er noch mal: „Wollt ihr mir den Preis wirklich geben?“ Man wollte. Weil er Maßstäbe gesetzt habe, wie ihn der Jury-Vorsitzende Manfred Lämmer würdigte. Trotz seiner Leidenschaft habe Klopp immer eine faire Haltung bewahrt und stets Respekt gezeigt. Und das in einer Branche, der man angesichts der enormen Kommerzialisierung einen rasanten Werteverfall nachsage.

„Wollt ihr mir den Preis wirklich geben?“ Jürgen Klopp wird in Wiesbaden geehrt.
„Wollt ihr mir den Preis wirklich geben?“ Jürgen Klopp wird in Wiesbaden geehrt.dpa

Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass Klopp bisweilen übermäßig emotional agierte. Mal ging beim Jubeln seine Brille zu Bruch, mal zog er sich dabei einen Muskelfaserriss zu. Und oft geriet er mit Schiedsrichtern und Offiziellen aneinander. „Bleibt’s entspannt am Spielfeldrand“, die ebenfalls ausgezeichnete Initiative von Antenne Bayern und Bayrischem Fußball-Verband, passte jedenfalls nicht ganz zu Klopps Wirken.

Alleine in seiner Bundesliga-Zeit summierten sich Geldstrafen wegen Meckerns gegen ihn auf gut 50.000 Euro. Und in England wurde es nicht besser. Doch so aufbrausend er im Eifer des Gefechts agierte, so gewinnend konnte er danach auch stets einlenken.

„Dafür kommst du heute ins Gefängnis“

Vor allem sein Abgang nötigte Anerkennung ab. Klopp kündigte im Januar 2024 freiwillig seinen Rücktritt als Teammanager beim FC Liverpool zum Saisonende an, „weil ihm die Energie ausgeht“, wie er damals bekannte. „Das Mindeste, was ich euch schulde, ist die Wahrheit“, lautete seine Botschaft an die Fans.

Nach neun Jahren voller Hingabe überließ er ein bestelltes Feld, führte seinen Nachfolger Arne Slot vorbildlich ein – und bereitete so den Boden für den Gewinn der englischen Meisterschaft im Jahr eins nach Klopp – den er an diesem Wochenende in Liverpool ausgiebig mitfeiern wird. „Du hast deinen Arbeitsplatz in einem Top-Zustand hinterlassen“, lobte Rockmusiker Campino seinen Freund Jürgen als Laudator per Video-Botschaft.

DSGVO Platzhalter

„Ich nehme den Preis an“, sagte Klopp halb feierlich, halb scherzend. „Mit dem bisschen, was ich kann, so weit zu kommen, ist schon außergewöhnlich“, witzelte er mit der ihm eigenen bescheidenen Eitelkeit. Und fügte noch an:„Ich wollte immer nur der Trainer sein, den ich mir als Spieler gewünscht hätte“. Für die harten Methoden von einst, „bis der erste kotzt“, die zu seiner aktiven Zeit üblich waren, „kommst du heute ins Gefängnis“.

Klopp erinnerte an seine Anfangsphase als Trainer bei Mainz 05, als die Videoanalyse noch im Vor- und Zurückspulen einer VHS-Kassette bestand. „Extrem nervig“ – und in einer verblüffenden Diskrepanz zu den heutigen Möglichkeiten der Datenanalyse dank Künstlicher Intelligenz (KI), über die Daniel Memmert, Professor an der Sporthochschule Köln, in einem Impulsvortrag referierte.

„Mit 23 hab ich in der Kneipe gekellnert“

„KI vereinfacht ganz viele Dinge“, sagte Klopp, verwies aber darauf, dass letztlich der Mensch zähle – und entscheiden müsse. „Wer die richtigen Fragen stellt, bekommt die richtigen Antworten.“ In Mainz habe man Spielern die zweite oder dritte Chance gegeben, die woanders als gescheitert galten – mit Erfolg. „Die Menschen brauchen mehr Zeit zur Entwicklung“ schlussfolgerte Klopp und betrachtete die rasende gesellschaftliche Beschleunigung und der Ausbildung hin zu Turbo-Abitur und Bachelor mit 23 als Fehlentwicklungen: „Mit 23 hab ich noch in der Kneipe gekellnert.“

Seine Thesen zum Alltag decken sich mit seiner Selbsteinschätzung als „the normal one“, mit der Klopp in Liverpool von Anfang an die Herzen eroberte. „Ich kam als normaler Mensch, ich bin immer noch ein normaler Mensch“, sagt der 57-Jährige heute, bekennt aber auch: „Ich lebe nur kein normales Leben.“

Klopp arbeitet inzwischen als „Global Head of Soccer“ bei Red Bull.
Klopp arbeitet inzwischen als „Global Head of Soccer“ bei Red Bull.AFP

Mit allgemeiner „Lust aufs Leben“ lässt sich auch sein Rückzug ins Halbprivate verstehen. „Ich baue ein Haus irgendwo in der Gegend“, kokettierte der Neu-Wiesbadener und verriet, dass darin ein großes Trophäenzimmer geplant war – und eine kleinere Kleiderkammer. „Lass uns tauschen“, schlug er seiner Frau Ulla vor, „weil du wirst weiter Klamotten kaufen, aber Trophäen gibts keine mehr.“

Denn im Trainingsanzug auf dem Fußballplatz sehe er sich einfach nicht mehr. Karriere wirklich beendet? „Es ist alles gut, so wie es ist. Vielen Dank für die Anerkennung.“ Weiter sagte er: „Ich hatte drei coole Vereine. Und so viele Stationen wird es nicht mehr geben.“

„Künstliche Intelligenz lieber als keine Intelligenz“

Seinen kolportierten Wechsel zu AS Rom kommentierte er damit, dass er ihn nicht mehr kommentiere. „Rom ist doch auch eine wundervolle Stadt“, sei ihm jüngst untergejubelt worden. Dazu gebe es aber nicht mehr zu sagen. Sieben Jahre Mainz 05, sieben Jahre Borussia Dortmund, neun Jahre FC Liverpool. An allen Orten wirkte er erfolgreich, sportlich und emotional.

Nie wurde er entlassen, stets ist er von sich aus gegangen: „Ich musste immer in mich reinhören.“ Und das halte er noch immer so. Nach einer halbjährigen Auszeit heuerte er als „Global Head of Soccer“ bei Red Bull an, ist für das Netzwerk der Teams von Leipzig bis New York zuständig. „Ich arbeite sehr viel“, sagte er. Dennoch habe er mehr Zeit, da nicht mehr alle drei Tage ein Spiel anstehe.

Neben seiner Pointendichte überzeugte Klopp mit der Stringenz seiner Haltung. „Einigermaßen ordentlich durchs Leben gleiten“ nahm er als Alltags-Weisheit seiner Mutter mit, genau wie „ein bisschen Glück ist auch nicht schlimm“. Den Bezug zwischen KI und der aktuellen Weltpolitik stellte er in einem bissigen Nebensatz her: „Künstliche Intelligenz ist mir lieber als keine Intelligenz.“ Zudem appellierte an die richtige Einordnung der Chancen durch KI in der Medizin: „Wir können alles diagnostizieren, aber nicht alles heilen.“

Schließlich nahm sich Klopp noch ausgiebig Zeit für Fotos. Vor allem mit dem elfjährigen Noah Steinert: „für die Mama“. Der Schüler wurde mit dem Fairplay-Preis ausgezeichnet, weil er bei einem Crosslauf seinem gestürzten Freund Karl Sauerbrey half und ihn auf Kosten eigener Siegchancen ins Ziel begleitete. Wahre Größe, Herz und Charakter zählen eben mehr als jeder Pokal. You’ll never walk alone.

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!