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#Kanon und Kanonen

Kanon und Kanonen

Als Emil Bührle, Sohn eines Pforzheimer Finanzbeamten, im Sommer 1890 geboren wird, ist Pablo Picasso neun Jahre alt, gilt als Wunderkind und hat gerade den „Picador“ fertig gemalt, der heute als sein erstes Werk bezeichnet wird. Picasso geht früh nach Barcelona und malt 1903 ein bläuliches Bild, das die katalanische Stadt bei Nacht zeigt. Im Ersten Weltkrieg lebt Picasso in Paris und auch in Rom, 1917 malt er eine aus Farbflächen zusammengesetzte „Italienerin“. Emil Bührle, der Philosophie und Kunstgeschichte studiert hat, wird 1914 Offizier; der Krieg, sagt er später, habe aus dem Träumer, der er war, einen Mann gemacht, der schnelle Entscheidungen treffen kann.

Oft führen diese Entscheidungen auf Umwegen zum Tod. Als Mitglied des Freikorps Roeder ist der junge Emil Bührle an der blutigen Niederschlagung der Novemberrevolution in Deutschland beteiligt. 1924 wird er Geschäftsführer der Schweizer Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon, die auf sein Anraten hin eine Firma mit insolventen Patenten für eine 20-Millimeter-Kanone kauft. Bührle ist jetzt Waffenhersteller; je schlechter es für die Welt läuft, desto besser läuft es für ihn. 1929, im Jahr der Weltwirtschaftskrise, liefert er an die chinesische Bürgerkriegsregierung 120 Kanonen, kurz danach auch Waffen für Chinas Gegner Japan. Oerlikon beliefert alle, England, Frankreich, die spanischen Republikaner, für die Picasso sein berühmtes Antikriegsbild „Guernica“ malt – und Nazi-Deutschland.

Der reichste Mann der Schweiz

Der Krieg bringt aberwitzig viel Geld in die Kassen, auch die Heimat des Wahlschweizers freut sich: Von 1941 bis 1944 zahlt Bührle 100 Millionen Franken Steuern. Er ist bald der reichste Mann der Schweiz, kauft Kunst, ist sagenhaft spendabel, das Zürcher Theater will allerdings 1941 eine Zuwendung von immerhin zwei Millionen Franken nicht haben; man nehme kein „Blutgeld“. Im gleichen Jahr malt Picasso das Stillleben „Blumen und Zitronen“, das wie eine Erinnerung an südlichere Tage wirkt. Er verbringt die gesamte Besatzungszeit von 1940 bis 1944 in seinem Pariser Atelier in der Rue des Grands Augustins.

Porträt des Waffenfabrikanten Emil Bührle im Jahr 1943


Porträt des Waffenfabrikanten Emil Bührle im Jahr 1943
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Bild: dpa

Auch Bührles Kunsthändler sind in Paris unterwegs. Auf dem internatio­nalen Kunstmarkt ist viel los, viele Juden sind gezwungen, ihre Sammlungen zu verkaufen, um ihre Flucht zu finanzieren. Bührle kauft ein, Monets, Impressionisten, der Moment ist günstig für ihn. In der Schweiz müssen minderjährige Mädchen aus Heimen in einem seiner Betriebe unbezahlte Zwangsarbeit leisten. Sein Imperium verdient Geld auch mit einer deutschen Fabrik für Maschinengewehre, in der KZ-Insassinnen zur Arbeit gezwungen wurden.

1944 wird Pablo Picasso Mitglied der Kommunistischen Partei und bleibt es bis zu seinem Tod – eine interessante Ausstellung im Kölner Museum Ludwig widmet sich gerade diesem politischen Picasso, seiner sehr unterschiedlichen Wahrnehmung in Ost und West („Der geteilte Picasso“, bis zum 30. Januar).

Ein dunkles Haus voll lichter Kunst

Nach dem Krieg hat Bührle Ärger. Einige Werke in seiner Sammlung sind als Raubkunst identifiziert worden, der jüdische Kunsthändler Paul Rosenberg fordert Werke zurück.

Picasso, der Kommunist, zeichnet eine Taube, die zum weltweiten Friedenssymbol wird, das Erkennungsbild aller Pazifisten. Bei Bührle laufen die Geschäfte wieder gut, er liefert jetzt Waffen für den Koreakrieg, die Amerikaner hatten ihn ohnehin schon 1947 von der schwarzen Liste gestrichen, weil sie Flugabwehrraketen von ihm brauchen. Neun der dreizehn als Raubkunst identifizierten Werke seiner Sammlung, die Bührle zurückgeben muss, erwirbt er einfach noch mal: Geld ist nicht das Problem. 1953 kauft Emil Bührle Picassos „Blumen und Zitronen“, ein Jahr später Picassos „Italienerin“, 1955 dann dessen Frühwerk „Barcelona bei Nacht“. Als der Waffenfabrikant im darauffolgenden Jahr an Herzversagen stirbt, wird ein Fünftel seiner Kunstsammlung, gut 180 Werke, in eine Stiftung eingebracht und ab 1960 in einem Privatmuseum ausgestellt, einem dunklen Haus voll lichter Kunst.

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