#Kastrierte Kompetenz
Inhaltsverzeichnis
„Kastrierte Kompetenz“
Von einem Gesetz zu erwarten, dass es dastehe wie ein herrlicher Bau, gestaltet nach klaren Ideen, wäre naiv. Zu viele Kräfte wirken während eines Gesetzgebungsprozesses auf die Legislative ein. So dürfte denn auch die Novelle des Denkmalschutzgesetzes, die von der nordrhein-westfälischen Landesregierung vorangetrieben wird, am Ende wie ein vielfach umgebautes Haus aussehen.
Das heißt aber nicht, dass im Gesetzentwurf, den das Landeskabinett am 2. März beschlossen hat, nicht eine Leitidee zu erkennen wäre, die sich mit den Begriffen Pragmatismus und Deprofessionalisierung beschreiben ließe. Und die missfällt den Verbänden der Denkmalpflege, die nun abermals zu Stellungnahmen aufgefordert waren. Gegenüber dem Referentenentwurf, den das zuständige Ministerium mit den buntgemischten Zuständigkeiten für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung im vergangenen Sommer vorgelegt hatte, wurde aus ihrer Sicht wenig verbessert.
Tiefgreifende Einschnitte
Hauptkritikpunkt ist und bleibt die geplante Entmachtung der Fachämter, die bei den Landschaftsverbänden Rheinland und Westfalen-Lippe angesiedelt sind. Sie beraten die Unteren Denkmalschutzbehörden in den Kommunen, die häufig unterbesetzt sind und deren Mitarbeiter nicht in jeder Spezialdisziplin kompetent sein können. Die kommunalen Behörden müssen laut Entwurf künftig kein Benehmen mehr mit den Fachämtern herstellen, denen darüber hinaus das Recht genommen werden soll, ihrerseits die Eintragung eines Gebäudes auf der Denkmalliste zu beantragen. In der Praxis würde diese Regelung bedeuten, dass weisungsbefugte Mitarbeiter der betreffenden Stadt oder Gemeinde darüber entscheiden, ob ein Bau unter Schutz gestellt wird oder abgerissen beziehungsweise umgebaut werden darf. Man kann sich leicht vorstellen, welchen Einflussnahmen durch Kommunalpolitik und kommunale Unternehmen sie ausgesetzt sein werden.
Außer dieser dramatischen Reform der Verfahren in der Baudenkmalpflege (für Bodendenkmale gelten andere Regeln) sind auch inhaltlich tiefgreifende Einschnitte geplant. Das beginnt mit einer bemerkenswerten Akzentverschiebung im ersten Paragraphen des Gesetzes. Dort wird als Aufgabe der Denkmalpflege an erster Stelle die wissenschaftliche Erforschung genannt, außerdem die Wissensverbreitung über Denkmale und erst dann deren Schutz. Abschließend folgt der Satz: „Dabei ist auf eine sinnvolle Nutzung hinzuwirken.“
Die Rechtmäßigkeit muss bezweifelt werden
Der Entwurf wird noch konkreter, was die künftigen Entscheidungskriterien der Denkmalschützer angeht. Es ist das ganze Arsenal aktueller Maximen der Immobilienwirtschaft: „Belange des Wohnungsbaus, des Klimas, des Einsatzes erneuerbarer Energien sowie der Barrierefreiheit“ sollen angemessen berücksichtigt werden. Gegen diese sachfremden Maßgaben bringen die Verbände vor, dass nur 1,5 Prozent des Gebäudebestandes denkmalgeschützt seien, dass mit dessen energetischer Ertüchtigung das Weltklima also nicht gerettet werden kann, ganz abgesehen davon, dass man auf die Gesamtenergiebilanz historischer Gebäude schauen solle.
Nach allgemeiner Einschätzung zielt die Landesregierung mit ihrem Entwurf unausgesprochen auf die Bauten der Nachkriegszeit, deren Denkmalwert immer häufiger erkannt wird. Vor allem große Wohnungsgesellschaften treibt die Sorge um, dass Abriss, Sanierung oder Nachverdichtung von großen Siedlungen erschwert werden könnten.
Die Kirchen stehen vor einer ähnlichen Herausforderung: Viele Gotteshäuser, die in den fünfziger bis siebziger Jahren errichtet wurden, werden nicht mehr benötigt. Sie sind teuer im Unterhalt, und eine Umnutzung ist schwierig. Werden sie unter Denkmalschutz gestellt, sind Abriss und anschließender Verkauf des Grundstücks unmöglich. Wohl um die Glaubensgemeinschaften davor zu schützen, sieht der Entwurf für sie eine Sonderstellung vor. Sie sollen gegen die Unterschutzstellung von Gebäuden, „die der Religionsausübung dienen“, direkt bei der Obersten Denkmalbehörde, also dem Heimatministerium, Beschwerde einlegen können. Das Ministerium soll dann unter Wirkung des sogenannten Sakralausschusses entscheiden. Diesem Ausschuss mit beratender Funktion werden nach den Vorstellungen der Landesregierung jeweils zwei Vertreter der betroffenen Kirche und der Denkmalbehörden angehören. Mit anderen Worten: Die Kirchen bekommen ziemlich freie Hand im Umgang mit ihrer Bausubstanz aus der Nachkriegszeit.
Dass diese Sonderbehandlung rechtlich zulässig ist, muss bezweifelt werden. Wie es überhaupt eine unglückliche Idee ist, für die Lösung von Problemen mit Bauten einer einzelnen Epoche das gesamte bewährte System der Denkmalpflege in Frage zu stellen.
Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.
Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.
Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.