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#Kein Briten-TV mehr über 27,5 Grad West?

Dach, Sat-Schüssel; © dieter76 - stock.adobe.com
© dieter76 – stock.adobe.com

Die Position 27,5 Grad West wird gefühlt seit Ewigkeiten für die britischen Inseln als Backup zur DVB-T-Signalzuführung genutzt. Ein Wechsel auf eine neue Satelliten-Position steht kurz bevor … mit fatalen Folgen für die Bevölkerung in weiten Teilen Mittel- und Osteuropas.

Freeview ist die einzige britische TV-Plattform, über die frei empfangbare Fernseh- und Radio-Programme terrestrisch in DVB-T2 ausgestrahlt werden. Die Satelliten-Abstrahlung dient als Backup der Signalzuführung und beinhaltet die wichtigsten Kanäle des Vereinigten Königreichs. Unter den 21 enthaltenen Fernsehprogrammen finden sich fünf Regionalversionen von BBC One sowie die restlichen BBC-Sender ITV1, Channel 4 und 5.

Freeview ist in BISS verschlüsselt

Das Freeview-Paket ist zwar nicht für die Öffentlichkeit bestimmt und deshalb verschlüsselt, hat für uns Kontinentaleuropäer dennoch einige Vorteile. So reicht der auf Intelsat 901 genutzte Ku-Band Spot 2 weiter nach Kontinentaleuropa und erlaubt in Deutschland den Empfang von 60 Zentimeter im Nordwesten bis maximal 90 Zentimeter im Südosten. Sofern man auf Schlechtwetterreserven verzichtet, kann man mit diesem Transponder auch noch in Österreich mit 90er-Schüsseln sehen. Womit zumindest einige britische Programme auch noch dort zu bekommen sind, wo man wegen des stark begrenzten UK-Beams über 28,2 Grad selbst mit sehr großen Antennen chancenlos wäre.

Ku-Band North Sea (Nordsee)Ku-Band North Sea (Nordsee)
© www.telesat.com – Der Ku-Band-Spotbeam 2 des Intelsat 901 reicht weiter nach Kontinentaleuropa als der UK-Beam der Astras auf 28,2 Grad Ost

Der Freeview-Transponder ist in BISS verschlüsselt. Zu seiner Decodierung wird weder ein Modul noch eine spezielle Smartcard benötigt. Man braucht lediglich einen Receiver, der die Eingabe der hexadezimalen BISS-Codes zulässt. Geeignete Geräte findet man im unteren Preissegment für deutlich unter 100 Euro. Die benötigten BISS-Codes findet man im Internet. Hinzu kommt, dass die Briten ihre BISS-Zugangscodes so gut wie nie geändert haben. Womit der Em­pfang von BBC, ITV und Co selbst heute noch mit Geräten erfolgt, die vor Jahren programmiert worden sind.

Geht es 27,5 Grad West an den Kragen?

27,5 Grad West zählt zu den traditionellen Orbit-Positionen. Über sie kamen bereits während der 1980er-Jahre unter anderem CNN und MTV nach Europa. Die einst große Bedeutung dieser Position erschließt sich, wenn man weiß, dass auf ihr, konkret auf 28 Grad West, im Sommer 1965 der erste Intelsat, Typenbezeichnung 1-F1 Early Bird, seinen Betrieb aufgenommen hat. Vor allem während der vergangenen rund 15 Jahre hat die Bedeutung der TV-Satelliten kontinuierlich abgenommen. Was wir auch daran erkennen, dass es auf vielen Orbit-Positionen ziemlich leer geworden ist.

CNN LogoCNN Logo
© CNN – Seit den 1980er Jahren kam CNN über 27,5 Grad West nach Kontinentaleuropa

Glasfaser-Kabel scheinen hier die günstigeren Übertragungsmöglichkeiten zu bieten. Worin auch die Ursache liegt, weshalb Satelliten-Betreiber bei der Erneuerung ihrer Flotten seit geraumer Zeit ziemlich zurückhaltend reagieren. Dies könnte auch bedeuten, dass es der Orbitposition 27,5 Grad West allmählich an den Kragen geht, da der dort geparkte Intelsat 901 2025 das Ende seiner bereits mit einem externen Antrieb verlängerten Einsatzdauer erreichen wird. Jedenfalls könnte uns das nahe Ende des BBC-Empfangs über die alternative Satelliten-Position bevorstehen.

Intelsat 901 auf 27,5 Grad West im Detail

Wir sind der Frage nachgegangen, wie es um den alten Intelsat 901 tatsächlich bestellt ist. Neigt sich bei einem Satelliten der Treibstoffvorrat dem Ende zu, wird dieser gewöhnlich nicht mehr so exakt auf Position gehalten, wie man es von neuen Satelliten gewohnt ist. Dementsprechend machen sich auch stärkere Signalstärke-Schwankungen im Laufe von 24 Stunden bemerkbar. Denn wie schon mehrfach berichtet, stehen die Satelliten im geostationären Orbit nicht wie angenagelt still, sondern führen eine in sehr kleinem Rahmen gehaltene elliptische Bewegung aus. Sie macht sich außerhalb des Zentrums der Ausleuchtzone in Signalstärke-Schwankungen von bis zu rund 2 dB bemerkbar. Davon merkt man bei Intelsat 901 gar nichts.

Signalstärkeverlauf 27,5 Grad Ost, Freeview-TransponderSignalstärkeverlauf 27,5 Grad Ost, Freeview-Transponder
©Auerbach Verlag / Thomas Riegler – Der 24-Stunden-Signalstärkeverlauf des Freeview-Transponders auf 27,5 Grad West zeit einen außergewöhnlich geradlinigen Verlauf

Unsere 24-Signalstärke-Beobachtung brachte einen Kurvenverlauf hervor, der nahezu der mit einem Lineal gezogenen Linie entspricht. Die beobachteten jeweils kurzfristigen Schwankungen von kaum mehr als 0,3 dB innerhalb von 24 Stunden waren jedenfalls äußeren Einflüssen, Stichwort Wetter, zuzuschreiben. Damit bestätigten sich auch die mehrfach gehörten Gerüchte, dass es dem Satelliten allgemein schlecht gehe, nicht. Ganz im Gegenteil. Bei ihm meint man es eher mit einem brandneuen Satelliten zu tun zu haben. Selbst die täglichen Bewegungen des 2001 gestarteten Intelsat 901 sind um einiges geringer als bei deutlich jüngeren Satelliten. So gesehen erschließt sich zumindest uns keine unmittelbare technische Notwendigkeit, weshalb Freeview schnell den Satelliten wechseln müsste.

Wechsel auf Telstar 12

Im Januar 2024 wurde das Freeview-Paket parallel zu Intelsat 901 auch auf den auf 15 Grad West positionierten kanadischen Telstar 12 Vantage aufgeschaltet. Der Satellit wurde im November 2015 gestartet und hat so noch etwa die Hälfte seiner vorgesehenen Einsatzdauer vor sich. Telstar 12 Vantage verfügt über 12 Ausleuchtzonen für Nord- und Südamerika, Afrika und Europa. Der Europe- and Middle East-Beam erinnert an die Widebeams der Eutelsat-Satelliten und deckt mehr als ganz Europa und den gesamten Mittelmeerraum ab. Über ihn sind einige Transponder aktiv. Auch Radio und Fernsehen.

Nicht jedoch der Freeview-Transponder. Dieser nutzt den Nordsee-Spotbeam, dessen Signal-Maximum sich über die Britischen Inseln und Norwegen erstreckt. Seine 50-dBW-Grenze, sie würde den Empfang bereits unter 60 Zentimeter Durchmesser ermöglichen, erstreckt sich quer über den deutschen Sprachraum, etwa auf der Linie Berlin-Zürich. Der Empfang sollte, auch außerhalb (etwa in Österreich), mit kleinen Schüsseln keine Herausforderung darstellen. Sie könnten sogar kleiner sein, als man sie jetzt noch für Intelsat 901 benötigt.

Telstar 12 Vantage (Telesat)Telstar 12 Vantage (Telesat)
© www.telesat.com – Einige Transponder arbeiten über den Europe and Middle East Beam des Telstar 12 Vantage. Seine Signalstärken bleiben teilweise unter den Erwartungen

Doch Telstar 12 Vantage verfügt über weitere Ausleuchtzonen, die sich wie schmale Bänder über Europa erstrecken. Namentlich sind dies der Med West-Beam, dessen 57-dBW-Maximum sich von Frankreich über Deutschland bis Schweden erstreckt und der Med Central-Beam, in dessen Zentrum sich der deutsche Sprachraum, mit Ausnahme von Nordwest-Deutschland, befindet. An ihn schließt der Med East-Beam an, der den Balkan und die Ukraine im Zentrum hat. Selbst die 53-dBW-Randzone des Middle East North-Footprints reicht noch nach Südosteuropa.

Genial-gemeines Konzept

Die Europa-Ausleuchtzonen des Telstar 12 Vantage sind wohldurchdacht und so ausgelegt, dass sie trotz ihrer Größe, nur sehr kleine Zielgebiete erreichen können. Grundsätzlich gilt festzuhalten, dass jeder dieser Europa-Ausleuchtzonen für sich alleine betrachtet aufgrund seiner enormen Signalstärken das Potenzial hätte, in ganz Europa mit zumindest einem Meter Durchmesser empfangbar zu sein. Doch die Transponderbelegung dieser Ausleuchtzonen zielt nicht darauf ab, große Reichweiten zu erreichen.

Das merken wir alleine beim britischen Freeview-Transponder. Dieser wird auf 15 Grad West auf 11,043 GHz vertikal (44 100, 9/10, DVB-S2/QPSK) ausgestrahlt. Auf 11,014 GHz vertikal ist auf dem genau über uns befindlichen Med Central-Beam ein Datenkanal aufgeschaltet. Dieser belegt mit einer Symbolrate von 107 140 eine enorme Bandbreite und überdeckt somit auch den auch schon recht breiten Freeview-Transponder zur Gänze. Damit können wir hier zwar im Spektrum klar und deutlich im Bereich der gewünschten Frequenz klar einen Transponder erkennen, aber eben nicht den mit den britischen Fernsehprogrammen.

Med Central Beam, North Sea Beam, Freeview TransponderMed Central Beam, North Sea Beam, Freeview Transponder
©Auerbach Verlag / Thomas Riegler – Die Grafik zeigt, wie der auf dem Med Central-Beam ausgestrahlte, sehr breite Datenkanal den UK-Transponder zur Gänze überdeckt

Die Belegung auf benachbarten oder gleichen Frequenzen auf derselben Ebene auf nebeneinander liegenden Ausleuchtzonen hat zur Folge, dass die Übertragungen nur im absoluten Zentrum der Footprints zu empfangen sind. So lässt sich wirkungsvoll unterbinden, dass Kontinentaleuropäer außerhalb der Reichweite des UK-Beams auf 28,2 Grad Ost in den Genuss der beliebten britischen TV-Kanäle kommen können. So brauchen sich die Engländer auch weiter keine großen Gedanken zu machen, laufend ihre Codierung zu aktualisieren.

Wann erfolgt die Abschaltung auf 27,5 Grad West?

Für uns Mitteleuropäer ist der vermutet bevorstehende Wechsel des Freeview-Transponders eine Katastrophe. Denn so werden wir ein für allemal von BBC, ITV und weiteren ausgesperrt. Für die Skandinavier wird hingegen der Empfang um einiges leichter als bisher. Was sie durchaus freuen wird, da in den nordischen Ländern Englisch als Zweitsprache noch viel mehr verbreitet ist als bei uns. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass uns hier noch einige Überraschungen erwarten. Zunächst dürften wir noch etwas Schonfrist haben. Denn sollte es wirklich zu einem Satellitenwechsel kommen, müssen die Empfangsstationen im Vereinigten Königreich erst darauf umgerüstet werden. Erst danach kann die Abschaltung auf 27,5 Grad West erfolgen. Oder es kommt doch noch alles anders.

Text: Thomas Riegler / Redaktion: Felix Ritter

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  • SatSchuesselDach: © dieter76 – stock.adobe.com

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Thomas Riegler

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