#Kinder sind nicht „Motor des Ausbruchs“
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„Kinder sind nicht „Motor des Ausbruchs““
Obwohl sich die „britische“ Mutante des Corona-Virus in den Niederlanden viel schneller ausbreitet als erwartet, sollen Kindertagesstätten und Grundschulen am nächsten Montag wieder öffnen. Das hat die Regierung dem Parlament mitgeteilt. Auch die nächtliche Ausgangssperre, die vorige Woche zu schweren Krawallen geführt hatte, steht zur Disposition. Das Fachleutegremium, das die Regierung berät, ist in dieser Frage gespalten. Mehrere Mitglieder halten die Maßnahmen für verfrüht und warnen stattdessen vor einer dritten Welle, welche die zweite noch übertreffen werde.
Thomas Gutschker
Politischer Korrespondent für die Europäische Union, die Nato und die Benelux-Länder mit Sitz in Brüssel.
Schon jetzt ist die Hälfte der neuen Infektionen auf die hoch ansteckende Variante zurückzuführen, die sich auch unter Kindern und Schülern stärker verbreitet als der „Wildtyp“ des Virus. Anfang des Jahres hatte die niederländische Gesundheitsbehörde (RIVM) den Anteil der britischen Mutante B 1.1.7 noch auf ein bis fünf Prozent der Neuinfektionen geschätzt – auf Grundlage von genetisch entschlüsselten positiven Corona-Tests. Vorige Woche führte die Behörde schon ein Drittel der Neuinfektionen darauf zurück. Nun teilte Gesundheitsminister Hugo de Jonge dem Parlament mit, dass es bei allen Infektionen seit dem 26. Januar sogar die Hälfte sei.
Reproduktionszahl 1,27
Damit breitet sich die Variante trotz der Einschränkungen weit schneller aus als erwartet. Vor zwei Wochen hatte die Gesundheitsbehörde einen Anteil von 50 Prozent erst für die dritte Februarwoche prognostiziert. Nach den neuen Angaben liegt die Reproduktionszahl für die Mutante bei 1,27; das bedeutet, dass 100 Infizierte 127 weitere Personen anstecken. Für den Wildtyp wird der Reproduktionswert nur mit 0,85 angegeben. Die britische Variante ist somit 50 Prozent ansteckender.
Weil der Wildtyp in der Rückschau noch dominiert, sind die Neuinfektionen weiter zurückgegangen, zuletzt um 10 Prozent im Vergleich zur Vorwoche. Damit nähert sich die Regierung dem Wert, von dem an sie Lockerungen in Aussicht gestellt hat. Die Mehrheit der Fachleute im sogenannten Outbreak Management Team empfahl deshalb am Wochenende, Kindertagesstätten und Grundschulen aus sozialen Erwägungen heraus wieder zu öffnen. Eine Minderheit hält die Risiken hingegen für zu hoch, weil Ende Februar die Infektionskurve wieder stark ansteigen werde und sich die Intensivstationen der Krankenhäuser nur langsam leerten.
Dem Druck der Eltern gebeugt
Der Gesundheitsminister wies in seinem Brief an das Parlament selbst auf die Risiken hin. Das allgemeine epidemiologische Lagebild sei nach wie vor „sehr besorgniserregend“. Die Öffnung der Grundschulen und Kinderbetreuungseinrichtungen werde in jedem Fall zu mehr Einträgen dort führen. „Kinder können das Virus weitergeben, und diese Weitergabe wird voraussichtlich etwas schneller erfolgen als bei der ,alten‘ Variante“, schrieb de Jonge, „aber es gibt keine Anzeichen dafür, dass Kinder in gleicher Weise eine Rolle spielen wie bei der normalen Grippe, wo sie der Motor eines Ausbruchs sind“.
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Man folge in der Abwägung der sozialen Folgen dem Rat der Mehrheit des beratenden Gremiums. Die Regierung beugt sich damit offenkundig dem hohen Druck von Eltern, die Betreuung jüngerer Kinder wieder zu ermöglichen.
Auch die nächtliche Ausgangssperre steht zur Disposition. Sie war zunächst bis zum 10. Februar verhängt worden, also Mitte kommender Woche. Aus den Kabinettsberatungen heißt es nun, die Sperre könne aufgehoben werden, es sei denn, die Infektionen stiegen bis dahin stark an. Die Bürgermeister, die für die Sicherheit in den 25 Polizeibezirken des Landes verantwortlich sind, mahnten die Regierung am Dienstag, die Konsequenzen mitzubedenken. „Man kann das nicht jetzt stoppen und dann in ein paar Wochen wieder zurücknehmen“, sagte der Vorsitzende des Gremiums Hubert Bruls, Bürgermeister von Nimwegen.
Geschönte Impfstatistik?
Gesundheitsminister de Jonge geriet derweil wegen der Impfstatistik in die Kritik. Die Niederlande liegen im EU-Vergleich mit Bulgarien auf dem letzten Platz. Doch am Sonntag wiesen sie plötzlich eine Zahl aus, die um 120.000 über dem Wert des Vortages lag. Bei näherem Hinsehen zeigte sich, dass es eine Schätzung auf Grundlage der gelieferten Impfdosen war, nicht mehr – wie bisher – die Zahl der tatsächlich gemeldeten Geimpften. Das waren nämlich nur 176.000 statt 344.000, also gerade mal die Hälfte.
De Jonge behauptete, dass die tatsächliche Zahl höher liege, weil Krankenhäuser und Pflegeheime erst verspätet meldeten – deren Interessenverband wies das umgehend zurück. Nun will er untersuchen lassen, ob Personen „versehentlich doppelt gezählt“ wurden. Die tägliche Statistik weist seit Montag geschätzte und gemeldete Impflinge aus.
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