#Klimaaktivisten fühlen sich verraten
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„Klimaaktivisten fühlen sich verraten“
In Lützerath wollen sie mit den Grünen nichts mehr zu tun haben. „Viele Menschen hier vertrauen schon lange nicht mehr darauf, dass die Politik irgendwas löst“, sagt die Klimaaktivistin Mara Sauer, die seit einem Jahr in dem kleinen rheinischen Dorf an der Abbruchkante lebt. „Was die Grünen uns als Erfolg verkaufen, ist keiner. Es ist ein Verrat an Idealen.“
Sauer meint den Kompromiss, den die Grünen gerade mit dem Energiekonzern RWE geschlossen haben. Nordrhein-Westfalen soll acht Jahre früher aus der Braunkohle aussteigen, im Jahr 2030 statt im Jahr 2038. Im Gegenzug darf RWE an die Kohle unter Lützerath. Das heißt: Das Dorf wird abgerissen.
Fürs Klima ist das gut und schlecht. Einerseits bleiben so langfristig gesehen 280 Millionen Tonnen Kohle in der Erde, wie die nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerin Mona Neubaur an der Seite von Vizekanzler Robert Habeck stolz anführte. Andererseits wird jetzt erst mal mehr Braunkohle gefördert und verfeuert.
Von einerseits und andererseits wollen Klimaaktivisten allerdings nichts hören. „Die Klimakrise macht keine Kompromisse“, sagt zum Beispiel Linda Kastrup von Fridays for Future. Das Argument kennen sie bei den Grünen. Sie sagen dann: Die Klimakrise macht auch keine Demokratie. In der gehören Kompromisse aber dazu. In Zeiten von Krieg und Energieknappheit auch solche, die wehtun.
Kleines Dorf, großes Symbol
Die Grünen wollen verhindern, dass die Deutschen im Winter frieren – und verlieren dabei ihre Verbündeten von der Klimabewegung. Bei ihrem Parteitag in Bonn wollen die jungen Leute von Fridays for Future sie mit ihrem geballten Zorn aus Bannern und Sprechchören konfrontieren. Denn Lützerath ist zwar ein winziges Dorf, aber ein riesiges Symbol der Klimabewegung.
Sogar Greta Thunberg war schon da. Im Gegensatz zu den deutschen Aktivisten hat sie auch eine Antwort darauf, wie man für Energiesicherheit sorgen könnte, ohne alle Klimaziele zu brechen: Atomkraftwerke. „Wenn sie schon laufen, glaube ich, dass es ein Fehler wäre, sie abzuschalten und sich der Kohle zuzuwenden“, sagte die Gründerin von Fridays for Future in der ARD und stellte sich damit im Ampelstreit gewissermaßen auf die Seite der FDP.
Die Grünen versuchen das als „schwedische Perspektive“ abzutun, doch Thunbergs Pragmatismus ist unangenehm für sie. Denn er zeigt: Die Partei verscherzt es sich lieber mit den Klimaaktivisten als mit den Atomkraftveteranen in den eigenen Reihen. Die sehen nämlich ihr Lebenswerk bedroht.
In Lützerath brauchen sich Grüne jedenfalls erst einmal nicht mehr blicken zu lassen. „Was hat es für einen Zweck, mit denen zu reden?“, fragt die 25 Jahre alte Geographie-Studentin Sauer. „Die brechen doch eh ihre Versprechen. Sobald sie an die Macht kommen, ist plötzlich alles anders.“ Die Aktivisten erinnern sich noch genau, wie Neubaur im Wahlkampf zu Besuch kam und ihre Solidarität versicherte. Nun lässt ausgerechnet sie Lützerath abreißen.
In Lützerath üben sie schon den Widerstand
„Die Grünen repräsentieren uns nicht“, sagt auch Dibia Udushesheri von Fridays for Future in Nordrhein-Westfalen. Aus Aachen kommt der 19-Jährige oft nach Lützerath und übernachtet im Dorf.
Richtige Lützerather gibt es hier schon länger nicht mehr. Sie wurden seit 2006 in die Nachbarschaft umgesiedelt. Dafür haben mehr als hundert Braunkohlegegner aus ganz Deutschland sich den winzigen Ort angeeignet. „Ein Kunstwerk“, wie einige von ihnen sagen – Graffitis, Baumhäuser und eine „Küfa“, eine Küche für alle. Das wollen sie nicht widerstandslos aufgeben.
Baumhäuser in Lützerath
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Bild: Lucas Bäuml
Deshalb üben sie hier für den Ernstfall. Sie machen Rollenspiele und simulieren die Räumung. Schon zehntausend Leute haben eine Erklärung unterschrieben, in der es heißt: „Wenn die Landesregierung Lützerath räumen und abreißen will, werde ich vor Ort sein und mich der Zerstörung in den Weg stellen.“
Dann könnte es wieder Bilder geben wie aus dem Hambacher Forst: jede Menge Polizei, die Aktivisten aus den Baumhäusern zieht. Nur, dass die diesmal nicht auf die schwarz-gelbe Landesregierung schimpfen, sondern auf die schwarz-grüne.
„Schon immer handeln die Grünen anders, als sie reden“, sagt Dibia Udushesheri und verweist auf den Dannenröder Forst, den die hessischen Grünen für eine Autobahn räumen ließen. So wie viele aus der Klimabewegung ist er überzeugt: „Politiker werden uns als Bewegung nicht weiterbringen.“
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