Wissenschaft

Knochenanalyse enthüllt Vorfahren der eierlegenden Säugetiere

In Australien haben Forschende den fossilen Oberarmknochen eines ausgestorbenen Verwandten der heute noch lebenden Kloakentiere untersucht. Aufbau und Mikrostruktur des Knochens geben Einblicke in die Lebensweise dieses eierlegenden Säugetiers, das zur Zeit der Dinosaurier lebte. Demnach war Kryoryctes cadburyi ähnlich wie die heutigen Schnabeltiere ein semiaquatisches Säugetier, das gut schwimmen konnte, sich aber an Land Höhlen in den Erdboden grub. Der Fund erklärt auch die Evolution der mit den Schnabeltieren verwandten, aber in vielerlei Hinsicht andersartigen Ameisenigel.

Unter den rund 6.000 existierenden Säugetierarten, gibt es nur sehr wenige, die Eier legen. Zu diesen sogenannten Kloakentieren zählen das Schnabeltier (Ornithorhynchus anatinus) und vier Ameisenigelarten (Tachyglossidae), die in Australien und Neuguinea leben. Aus welchem gemeinsamen Vorfahren sich diese kuriose Gruppe der Ursäuger entwickelt hat, ist unter Experten umstritten. Fossilien, die die Evolutionsgeschichte eindeutig belegen könnten, wurden bisher keine gefunden. Zahnvergleiche mit heutigen Säugetieren sind ebenfalls nicht möglich, da die Kloakentiere keine Zähne haben. So bleiben nur Theorien.

Foto eines Ameisenigels auf einem Stein am Ufer eines Gewässers
Ameisenigel sind mit den Schnabeltieren verwandt, leben aber an Land. © bennymarty/iStock

Eine der Hypothesen besagt, dass Ameisenigel aus einem gemeinsamen, Schnabeltier-ähnlichen Vorfahren hervorgegangen sind. Gegen diese Hypothese spricht jedoch, dass sich Aussehen und Lebensweise der heutigen Kloakentiere erheblich voneinander unterscheiden. So sind die stacheligen Ameisenigel Landsäugetiere, die sich von Insekten und Bodenwürmern ernähren. Schnabeltiere leben hingegen semiaquatisch, also sowohl an Land wie auch im Wasser, wo sie bevorzugt wirbellose Bewohner des Süßwassers jagen. Dafür haben sie einen Schnabel, ein wasserdichtes Fell, Schwimmhäute an den Füßen und einen biberähnlichen Schwanz entwickelt. Zusätzlich graben Schnabeltiere sich Höhlen in den Erdboden.

Oberarmknochen verrät Lebensweise

Um mehr über die Evolutionsgeschichte der eierlegenen Säugetiere zu erfahren, haben Forschende um Suzanne Hand von der University of New South Wales in Sydney nun einen einzelnen fossilen Oberarmknochen (Humerus) eines ausgestorbenen Ursäugers näher untersucht. Die Kryoryctes cadburyi genannte Art lebte vor etwa 108 bis 103 Millionen Jahren in der frühen Kreidezeit in Australien und weist morphologische Ähnlichkeiten mit den heute lebenden Kloakentieren auf. Sein Knochen wurde vor rund 30 Jahren in der Fossilienstätte Dinosaur Cove im Süden Victorias gefunden. Das Team um Hand hat diesen Überrest nun detailliert gescannt, seine Mikrostruktur untersucht und die Merkmale mit denen des Schnabeltiers, zweier Ameisenigelarten und 82 anderer lebender Säugetiere verglichen.

Die Analysen ergaben, dass der Oberarmknochen von Kryoryctes cadburyi rund fünf Zentimeter lang war und wahrscheinlich zu einem 2,5 bis fünf Kilogramm schweren Tiere gehörte. In seiner Gesamtform ähnelt der Knochen eher dem des Ameisenigels als dem des Schnabeltieres, wie das Team berichtet. Die größte Ähnlichkeit mit nicht-eierlegenden Säugetieren besteht mit dem Seeotter (Enhydra lutris). Der Knochen von Kryoryctes cadburyi wies jedoch eine dicke Wand und einen kleinen zentralen Hohlraum für das Knochenmark auf – Merkmale, die beim Schnabeltier, aber nicht bei Ameisenigeln zu finden sind. Die Vergleiche mit weiteren Säugetieren ergaben, dass solche kompakten Knochen mit kleinem zentralem Hohlraum typische Merkmale von Säugetieren sind, die semiaquatisch und grabend leben, etwa Nutrias, Bisamratten oder Otter. „Ihre schweren Knochen wirken wie Ballast, sodass sie auf Nahrungssuche leicht tauchen können“, sagt Hand. Die hohe Knochendichte verringert beim Schwimmen den Auftrieb, erschwert jedoch das Laufen an Land, wie die Forschenden erklären.

Zeichnung zeigt eine Rekonstruktion von Kryoryctes cadburyi
Rekonstruktion von Kryoryctes cadburyi, einem eierlegenden Säugetier, das wahrscheinlich während des Zeitalters der Dinosaurier lebte und ein semi-aquatisches, grabendes Leben führte. © Peter Schouten

Hinweise auf gemeinsamen Vorfahren der Kloakentiere

Zusammengenommen legen diese Ergebnisse nahe, dass auch Kryorycytes humerus ein semiaquatisches, grabendes Kloakentier war, ähnlich wie heute das Schnabeltier. Dasselbe galt demnach wahrscheinlich für deren gemeinsamen Vorfahren. „Dies deutet darauf hin, dass die amphibische Lebensweise des modernen Schnabeltiers ihren Ursprung vor mindestens 100 Millionen Jahren hatte, während des Zeitalters der Dinosaurier, und dass Ameisenigel sich aus semiaquatischen Vorfahren entwickelten“, so das Team. Demnach stützen die Erkenntnisse die Hypothese, dass sich auch die landlebenden Ameisenigel aus einem semiaquatischen Vorfahren entwickelt haben, der ähnlich wie ein Schnabeltier lebte. Erst später in der Evolution kehrten die Ameisenigel offenbar zur terrestrischen Lebensweise zurück und entwickelten ein dafür geeigneteres Aussehen, samt leichteren Knochen. Ein solcher Landgang ist ein „extrem seltener“ Vorgang in der Evolutionsgeschichte der Erde, wie das Team betont.

Wann genau das passierte, ist noch unklar. Hand und ihre Kollegen hoffen nun auf weitere Fossilienfunde, um die Evolution der eierlegenden Säugetiere näher eingrenzen zu können. „Sein Oberschenkelknochen könnte, falls er gefunden wird, weitere Hinweise darauf liefern, wie viel Zeit Kryoryctes an Land verbracht haben könnte“, schreiben die Forschenden.

Quelle: Suzanne Hand (University of New South Wales) et al.; Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), doi: 10.1073/pnas.2413569122

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