Wissenschaft

#Potentes Gegengift für Neurotoxine von Schlangen entwickelt

Schlangengifte töten jährlich tausende Menschen, weil gängige Gegengifte nur sehr speziell wirken und nicht immer verfügbar sind. Biomediziner sind nun dem Ziel, ein universelles Gegengift für alle Schlangentoxine zu entwickeln, einen großen Schritt nähergekommen. Sie entwickelten einen synthetischen Antikörper, der die Giftstoffe gleich mehrerer tödlicher Schlangen neutralisiert. Nach demselben Prinzip können nun weitere Antikörper gegen andere Schlangentoxine hergestellt werden, die zusammen ein breit wirksames und leicht herstellbares Gegengift bilden können.

Viele Schlangen verwenden Gifte, um Feinde auszuschalten oder Beute zu machen. Weltweit sterben jährlich bis zu 138.000 Menschen an einer Vergiftung infolge eines Schlangenbisses, vor allem in afrikanischen und asiatischen Ländern. Die bislang verfügbaren Gegengifte bestehen aus Antikörpern, die aus dem Blut von immunisierten Tieren gewonnen werden und meist nur gegen ein spezielles Schlangengift wirken. Diese Technik rettet seit Jahrzehnten Menschenleben, hat jedoch gravierende Nachteile. Zum einen ist die Produktion in Tieren aufwendig und liefert Gegengifte mit schwankender Qualität. Zum anderen können die Antikörper beim Menschen schwere Nebenwirkungen auslösen und wirken nur in relativ hohen Dosierungen und spezifisch für jeweils nur ein bestimmtes Gift.

Antikörper gegen mehrere Toxine gesucht

Forschende suchen daher seit Längerem nach einer einfacheren und zuverlässigeren Technik, die ein Gegengift mit breiterer Wirkung gegen mehrere Toxine hervorbringt. Ein Team um Irene Khalek vom Scripps Research Institute in Kalifornien hat dafür Nervengifte verglichen, die von zahlreichen Schlangen in Afrika, Asien und Australien produziert werden, darunter Elapiden wie Kraits, Kobras und Schwarzen Mambas. Deren Gifte bestehen jeweils aus einer Mischung verschiedener Proteine, darunter solche aus der Gruppe der sogenannten langkettigen Dreifinger-α-Neurotoxine, wie die Biomediziner feststellten. Diese Proteine haben eine bestimmte Molekülstruktur gemeinsam, die einen guten Angriffspunkt für ein „universelles“ Gegengift darstellt.

16 dieser Toxine stellten Khalek und ihre Kollegen im Labor her, um sie genauer zu untersuchen. Dafür entwickelten sie eine Screening-Plattform, mit der sie 60 Milliarden verschiedene synthetische Antikörper daraufhin testeten, ob sie an einen oder mehrere dieser Giftstoffe binden können. Solche monoklonalen Antikörper basieren auf dem Design menschlicher Antikörper und können im Labor künstlich hergestellt werden. Dieser Herstellungsweg ist deutlich einfacher als die Produktion in Tieren und liefert in der Regel verträglichere Antikörper. Das Screening ergab knapp 4.000 Antikörper, die an eines der Schlangengifte binden. 16 der synthetischen Antikörper passten sogar auf gleich fünf dieser Toxine. „Wir konnten den sehr kleinen Prozentsatz der Antikörper identifizieren, die mit all diesen verschiedenen Toxinen reagierten“, sagt Khalek. Einer dieser Antikörper namens 95Mat5 stach dabei heraus, weil er besonders stark an die Giftsubstanzen binden konnte.

Erster Schritt zum universellen Gegengift

Um die Wirkung dieses Antikörpers weiter zu testen, verwendeten die Forschenden Mäuse, denen sie sowohl 95Mat5 als auch tödliche Dosen der verschiedenen Toxine oder komplette Toxinmischungen aus den Schlangen verabreichten. Tatsächlich neutralisierte dieser Antikörper in allen Mäusen die Nervengifte, so dass die Tiere nicht starben und nicht einmal Lähmungserscheinungen zeigten, wie die Wissenschaftler berichten. Anschließende Strukturanalysen ergaben, dass der Antikörper die Giftproteine daran hindert, an den Rezeptor zu binden, der bekanntermaßen für die Nervenlähmungen verantwortlich ist. Das funktioniert, weil der Antikörper dem Rezeptor strukturell sehr ähnlich ist, wie das Team berichtet.

„Die Entdeckung und Entwicklung von 95Mat5 ist ein wichtiger erster Schritt in der Entwicklung eines universellen Gegengifts auf monoklonaler Basis, da es einen der gängigsten und giftigsten Bestandteile des Schlangengifts wirksam neutralisiert“, schreiben Khalek und ihre Kollegen. Gegen das Gift von Vipern – der zweitwichtigsten Gruppe an giftigen Schlangen – wirkt der Antikörpers 95Mat5 allerdings nicht, sondern nur gegen die Giftcocktails der Elapiden. Für ein „universelles“ Gegengift gegen alle Schlangengifte oder zumindest alle häufigen Toxinklassen müssten daher wahrscheinlich vier bis fünf Antikörper kombiniert werden, schließen die Biomediziner. Dafür wollen sie nun nach demselben Prinzip drei weitere synthetische Antikörper gegen Elapiden- und Vipern-Gifte entwickeln und herstellen. „Wir glauben, dass ein Cocktail dieser vier Antikörper möglicherweise als universelles Gegengift gegen jede medizinisch relevante Schlange auf der Welt wirken könnte“, sagt Khalek.

Quelle: Irene Khalek (Scripps Research Institute) et al., Science Translational Medicine, doi: 10.1126/scitranslmed.adk1867

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