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Langer Marsch

Niemand weiß genau, was die Elefantenherde so aufgeschreckt hat, dass sie vor einem halben Jahr das Mengyang-Naturreservat im Süden Chinas verlassen hat. Seither sind die 15 Asiatischen Elefanten mehr als 500 Kilometer weit gelaufen, haben auf ihrem Weg Felder verwüstet und Dörfer in Aufruhr versetzt, bis sie schließlich Anfang Juni die Außenbezirke der Provinzhauptstadt Kunming erreichten.

Friederike Böge

Politische Korrespondentin für China, Nordkorea und die Mongolei.

„Mir ist kein anderes Beispiel bekannt, in dem diese Tiere so weit gelaufen sind“, sagt der Verhaltensforscher Dingzhen Liu von der Beijing Normal University. Über die Gründe kann auch er nur spekulieren. Vermutlich habe die wachsende Population und ihr schrumpfender Lebensraum sie dazu gebracht, nach neuen Nahrungsquellen Ausschau zu halten, sagt Liu der F.A.Z. Die Zahl der wild lebenden Asiatischen Elefanten in China ist zwischen 2006 und 2018 aufgrund des wirksamen Vorgehens gegen Wilderer von 170 auf knapp 300 gewachsen. Zugleich ist ihr Habitat um rund 40 Prozent geschrumpft. Das Mengyang-Naturreservat, aus dem sie aufbrachen, sei aber von der Fläche her eigentlich ausreichend.

Inzwischen dürfte das Verhalten der noch immer umherirrenden Tiere von einem ganz anderen Faktor beeinflusst sein: Stress. „Darüber bin ich wirklich besorgt“, sagt Verhaltensforscher Liu. Die Herde ist in China zu einem Medienspektakel geworden. Jeder ihrer Schritte wird rund um die Uhr auf der Website des Staatsfernsehens übertragen. Kameradrohnen schwirren über ihren Köpfen. Menschenmengen versammeln sich entlang ihrer Route. Hinzu kommen die Bemühungen der Polizei und der örtlichen Behörden, die Elefanten von bewohnten Gebieten fernzuhalten. Mit Dutzenden Müll- und Lastwagen und Tonnen von Lebensmitteln sollen sie zur Umkehr bewegt werden. Hunderte Polizisten sind an der Aktion beteiligt. Inzwischen, glaubt Liu, hätten die Behörden allerdings dazugelernt und hätten verstanden, wie sie die Tiere beruhigen könnten. Als Beleg dafür sieht er eine Szene, die vergangene Woche auch international Aufmerksamkeit erregte: Die Elefanten legten sich in einem Wald außerhalb der Millionenstadt Kunming zum Schlafen flach auf den Boden.

Die Elefanten erreichten Anfang Juni die Außenbezirke der Provinzhauptstadt Kunming.


Die Elefanten erreichten Anfang Juni die Außenbezirke der Provinzhauptstadt Kunming.
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Bild: dpa

In diesen Tagen hat sich in Kunming eine Arbeitsgruppe aus Wissenschaftlern und Behördenvertretern gebildet, um über Wege zu beraten, die Elefanten in ein geeignetes Habitat zu manövrieren. Eine zwischenzeitlich erwogene Betäubung der Tiere zum Transport wurde offenbar wieder verworfen. Eine freiwillige Rückkehr in das Mengyang-Naturreservat hält Liu für relativ unwahrscheinlich, nicht nur wegen der großen Entfernung, sondern auch wegen des Erinnerungsvermögens der Tiere, die dort offenbar eine „unglückliche Erfahrung“ gemacht hätten. Als Herde isoliert von einer größeren Population würden es die Tiere aber schwer haben, vermutet der Forscher. Ein Problem könnte sein, dass die Elefanten inzwischen ihr Fressverhalten geändert haben. Sie haben sich daran gewöhnt, sich von Mais und Zuckerrohr zu ernähren.

Schäden von mehr als einer Million Dollar

Schon jetzt haben sie auf ihrer Wanderschaft nach offiziellen Schätzungen Schäden von mehr als einer Million Dollar verursacht. Konflikte zwischen Elefanten und Bauern haben in China zugenommen. Inzwischen gibt es sogar eine Versicherung, die solche Schäden abdeckt – allerdings dürfte sie kaum einer der Geschädigten abgeschlossen haben.

Das Drama um die Wanderschaft der Elefanten hat in China pünktlich zur UN-Biodiversitätskonferenz eine Debatte über besseren Artenschutz hervorgerufen. Die Konferenz soll im Oktober ausgerechnet in Kunming (allerdings weitgehend virtuell) stattfinden, was zu Scherzen Anlass gab, die Elefanten seien in die Provinzhauptstadt gelaufen, um dort in eigener Sache eine Petition einzureichen. Es gibt Forderungen, einen ersten Nationalpark speziell für Elefanten einzurichten.

Seit 2015 sind in China in einem Pilotprojekt zehn Nationalparks ausgewiesen worden, die in den vergangenen Monaten eröffnet wurden. Das Verbot zum Handel mit Elfenbein gilt als Erfolgsgeschichte für den Artenschutz in China. Die Landwirtschaft frisst sich allerdings immer tiefer in die südchinesischen Urwälder. Kautschuk- und Teeplantagen sowie Medizinkräuter nehmen im Mengyang-Naturreservat immer größere Flächen in Anspruch und verändern das dortige Ökosystem. Straßen, Schienen, Staudämme und andere Infrastrukturprojekte zerschneiden die Waldgebiete in immer kleinere Flächen. Im Mai wurde berichtet, dass eine weitere Elefantenherde das Reservat verlassen habe. Sie machen sich zur Zeit am Botanischen Garten der chinesischen Wissenschaftsakademie zu schaffen.

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