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#Langjähriger „Zeit“-Journalist Theo Sommer gestorben

„Langjähriger „Zeit“-Journalist Theo Sommer gestorben“

Theo Sommer war eine Institution. Nicht nur in der Wochenzeitung „Die Zeit“, in deren Redaktion er 1958 (auf Empfehlung von Theodor Eschenburg) eintrat und die er später jahrzehntelang leitete, sondern in der ganzen Republik. Das hatte seine Ursache natürlich in der Bedeutung der „Zeit“ als – zumindest von den sechziger Jahren an, mit Etablierung der sozialliberalen Koalition – linksliberales Leitmedium. Sommer war zwar ein Atlantiker, der Teile seines Studiums in den Vereinigten Staaten absolviert hatte, aber das passte gerade gut zur von Marion Gräfin Dönhoff geprägten außenpolitischen Linie des Blattes, die alles andere als links war. Sommer galt als publizistischer Ziehsohn der Gräfin, den sie denn auch zurückholte, um ihn 1973 zum Chefredakteur der „Zeit“ zu machen, nachdem er zuvor, unter der Regierung Brandt, einige Jahre lang im Bundesverteidigungsministerium gearbeitet hatte.

1973 war Sommer 43 Jahre alt, und er sollte den Chefredakteursposten fast zwanzig Jahre lang bekleiden. Weniger Wechsel war nie. Gräfin Dönhoff, seine Vorgängerin, hatte das Amt nur vier Jahre lang innegehabt, war aber dann auf einen Herausgebersessel berufen worden, und sie selbst suchte, wie gesagt, Sommer als ihren Nachfolger aus. Der um zwanzig Jahre Jüngere hatte den Vorzug, zwar noch im „Dritten Reich“ aufgewachsen zu sein – geboren wurde Sommer 1930 in Konstanz –, aber sich nicht mehr schuldig gemacht zu haben. Aus einer der NS-Eliteschulen, der Ordensburg Sonthofen im Allgäu, war er als Vierzehnjähriger ins normale Gymnasium zurückgekehrt und machte dort just dann Abitur, als die Bundesrepublik 1949 staatliche Selbständigkeit erlangte. Diese biographische Besonderheit verbindet ihn mit anderen prominent gewordenen ehemaligen Napola-Schülern im öffentlichen Leben der Bundesrepublik, so etwa dem Bankier Alfred Herrhausen, dem Politiker Rüdiger von Wechmar, dem Literaturkritiker Hellmuth Karasek, dem Künstler Horst Janssen oder dem Schauspieler Hardy Krüger (der als etwas Älterer Sommers Mitschüler in Sonthofen gewesen war).

Die an den Napolas erlernte Disziplin wurde von diesen Persönlichkeiten verbunden mit einem unbedingten Willen zur Demokratie, weil nur sie eine Berechtigung für die staatliche Weiterexistenz Deutschlands darstellen konnte. Entsprechend groß war deren Skepsis gegenüber der DDR, und damit passte Sommer perfekt ins noch klar westlich orientierte Klima der Politikredaktion der „Zeit“ am Ende der fünfziger Jahre. Zugleich diente er als junges Feigenblatt für diverse bereits im „Dritten Reich“ aktive Journalisten – wie es damals in den meisten deutschen Zeitungen üblich war. Gräfin Dönhoff wiederum trat als Vertreterin des hitlerskeptischen Teils des deutschen Adels auf, und sie machte Sommer zu „ihrem jungen Mann“.

Noch mit über sechzig der junge Mann der Gräfin

Und das blieb er, bis er über sechzig war und sogar noch länger, als er schließlich selbst zum Herausgeber der „Zeit“ aufstieg, dann neben Dönhoff und dem gleich nach seiner Abwahl als Bundeskanzler ebenfalls zum Herausgeber berufenen SPD-Politiker Helmut Schmidt. Dieses Triumvirat amtierte acht Jahre lang, von 1992 bis 2000, gemeinsam, aber es war auch ein Trio von mittlerweile in Ehren ergrauten Publizisten, die journalistisch wenig Überraschendes zu bieten hatten. Aber auch schon wer in den mittleren achtziger Jahren zum regelmäßigen „Zeit“-Leser avancierte, wird sich an die leicht spöttisch konstatierte Absehbarkeit gerade der Sommer’schen Leitartikel erinnern. Und damals, in den Achtzigern, war es Sommer, der als Leiter einer Reise seiner Redaktion in die DDR zustimmte, nach der sich der sozialistische deutsche Staat über schlechte Berichterstattung in der „Zeit“ nicht mehr beklagen musste.

Dass es Sommer gelang, neben seiner Führungsposition in der „Zeit“ noch zahlreiche Bücher zu schreiben, zeugt von seiner Arbeitsorganisation. Das letzte in seiner langen Publikationsreihe erschien 2019, als Sommer beinahe neunzig Jahre alt war, und es holte im Kielwasser des Interesses Helmut Schmidts, dem Sommer ein genauso treuer Adept war wie der Gräfin Dönhoff, noch einmal zu einem großen weltpolitischen Wurf aus: „China First – Die Welt auf dem Weg ins chinesische Jahrhundert“. Damit knüpfte Sommer allerdings auch an die eigene, leider früh vernachlässigte Neugier auf Fernost an, besonders mit Bezug auf Japan. Er war eben immer mehr der Außen- als der Innenpolitiker, eine Tendenz, die auch in seinem Engagement als Vorstandsmitglied der Welthungerhilfe in den Jahren 1992 bis 2004 Ausdruck fand.

Nach seinem Ausscheiden als Herausgeber bei der „Zeit“ im Jahr 2000 blieb Sommer in unterschiedlichsten publizistischen Funktionen aktiv: schreibend, herausgebend, repräsentierend. Selbst zum Thema der Berichterstattung wurde er 2014 anlässlich einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung, die ihm eine Bewährungsstrafe von neunzehn Monaten einbrachte. Es war das letzte Mal, dass Sommer in Deutschland jene überregionale Aufmerksamkeit fand, die er drei Jahrzehnte lang mit seinem verantwortlichen Wirken in der „Zeit“ gelenkt hatte. Nun ist er im Alter von zweiundneunzig Jahren in seiner Wahlheimatstadt Hamburg gestorben.

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