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#Langsam kreist der Sputnik

Langsam kreist der Sputnik

Poliklinik 121, Filiale Nummer 4: An Orten wie diesem will Russland im Immunisierungsrennen gegen das Coronavirus vorpreschen. Die Klinik, ein von Hochhäusern überragter Bau aus hellem Klinker, liegt im Viertel Nord-Butowo, ganz nah am Autobahnring am Rande Moskaus. Draußen verschleiert Schnee das Plattenbaugrau, drinnen messen Krankenschwestern mit Plastikvisier den Eintretenden die Temperatur. Insgesamt übernimmt die Poliklinik mit acht Filialen die Gesundheitsversorgung von knapp einer Viertelmillion Moskauern.

Friedrich Schmidt

In Nord-Butowo hat gerade eine der mittlerweile hundert staatlichen Stellen aufgemacht, an denen man sich in Russlands Hauptstadt kostenlos mit „Sputnik V“ impfen lassen kann, Russlands erstem Impfstoff gegen das Virus. Dessen dritte klinische Testphase soll zwar erst Anfang Mai abgeschlossen sein; zu Sicherheit und Wirksamkeit gibt es bisher nur Eigenverlautbarungen der Verantwortlichen, die Wert darauf zu legen scheinen, jeweils höhere Effektivitätswerte als westliche Impfstoffe mitzuteilen.

Diejenigen, die kommen, schreckt das nicht. „Die Regierung kümmert sich um uns, dafür sind wir dankbar“, sagt die 56 Jahre alte Irina Nesterowa, die auf einer Bank im dritten Stock auf ihre erste Dosis wartet; planmäßig wird ihr drei Wochen später die zweite gespritzt.

Putin macht Werbung

Seit der Zulassung von „Sputnik V“ Mitte August 2020 , noch vor Beginn der dritten und entscheidenden Phase der klinischen Tests, bewerben der Machtapparat samt Präsident Wladimir Putin persönlich Russlands ersten Impfstoff. Man wollte Schnelligkeit demonstrieren, im Rennen gegen Corona, aber auch gegen die geopolitischen Rivalen im Westen, und prahlte, das erste Vakzin weltweit zugelassen zu haben; eigentlich waren, trotz des Kunstgriffs der erst später begonnenen dritten Testphase, Chinesen schneller.




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Wegen Produktionsschwierigkeiten musste der Start von Russlands Impfkampagne allerdings immer wieder verschoben werden. Anfang Dezember befahl Putin eine „großangelegte“ Impfkampagne, die sich zunächst an Risikoberufe richtete. Ende Dezember hieß es, die klinischen Tests hätten ergeben, dass „Sputnik V“ auch für Menschen, die älter als 60 Jahre sind, „sicher und effektiv“ sei, so dass nun auch Ältere geimpft würden. Der 68 Jahre alte Putin hat sich bisher nicht impfen lassen und auf sein Alter hingewiesen. Spätestens mit diesem Montag sollte diese Begründung entfallen, denn jetzt beginnt, wie Putin vorige Woche anordnete, eine „Massenimpfung“.

Zweifelhafte Statistiken

In Nord-Butowo erzählt Irina Nesterowa, eine pensionierte Lehrerin, mit Tränen in den Augen, ihr 82 Jahre alter Vater habe auch sehr auf die Impfung gehofft, sei voller Lebensfreude gewesen. Doch im November sei er an Covid-19 gestorben. Auch ihre Schwester sei schwer daran erkrankt. Für sie als „gesetzestreue Bürgerin“, sagt Nesterowa, habe außer Frage gestanden, dass sie sich impfen lasse, wegen der Sicherheit ihrer Familie und um ihren Beitrag zu leisten, die Lage zu bessern.

Kurz darauf wird Nesterowa in ein Behandlungszimmer gebeten, eine Krankenschwester setzt ihr die Injektion in den linken Oberarm. Kameras des Staatsfernsehens filmen, Fragen werden gestellt und beantwortet, nur alle Zahlen sind Chefsache, in diesem Fall von Moskaus Bürgermeister, Sergej Sobjanin. Der nannte am vergangenen Donnerstag neue Daten: Schon rund 140.000 Moskauer hätten sich impfen lassen.

Bei vielen Beobachtern wecken Russlands Zahlen zum Coronavirus Zweifel. So twitterten die Macher von „Sputnik V“ am vergangenen Montag, in Russland seien schon mehr als eineinhalb Millionen Menschen geimpft worden; das entspräche etwa einem Prozent der Gesamtbevölkerung. Doch unabhängige Fachleute schätzten die Zahl mit Blick auf einzelne Angaben aus den Regionen auf höchstens 300.000.

Die verschwiegenen Corona-Toten

Dieselben Analysten hatten Russlands offiziell relativ niedrige Covid-19-Totenzahl mit Blick auf die Übersterblichkeit etwa drei- bis viermal höher geschätzt als offiziell angegeben. Seit Ende Dezember ist klar, dass sie recht hatten: Da gab die Statistikbehörde Rosstat bekannt, zwischen Januar und November 2020 seien 13,8 Prozent mehr Russen gestorben als in der Vorjahrsperiode, und die für Gesundheit zuständige stellvertretende Ministerpräsidentin Tatjana Golikowa sagte, mehr als 81 Prozent dieser Todesfälle seien mit Covid-19 und den Folgen der Krankheit zu erklären.

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