#Leicht Erkrankte werden zu lebenden Wracks
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„Leicht Erkrankte werden zu lebenden Wracks“
Der Tod war für sie nie ein Thema, nicht jedenfalls der Tod durch Covid-19. Diese Fälle werden offiziell sorgfältig erfasst: Knapp 78.000 sind es bisher in Deutschland, weltweit haben fast drei Millionen ihr Leben nach einer Infektion mit dem Sars-CoV-2-Erreger verloren. Überlebende mit anhaltenden Beschwerden jedoch wie die 42 Frauen und Männer, die sich zwischen Juli und November vergangenen Jahres nach verheerenden Monaten des Zweifelns, der auszehrenden Qualen und mit Tausenden Fragen ans Fatigue-Centrum der Charité in Berlin gewendet haben, werden nicht offiziell gezählt. Nicht national und nicht weltweit. Sie sind Überlebende, registriert in der Gruppe der inzwischen mehr als 2,5 Millionen „Genesenen“, und sie sind deshalb auch selten ein Thema, wenn über Lockdown oder Lockerungen gestritten wird. Immer noch nicht, seltsamerweise, denn die Summe der Corona-Geschädigten mit „Longcovid“ wird jeden Tag größer.
Die Krankheitslast steigt wie die der Trauernden. Zehn Prozent der Infizierten, das ist die Schätzung, die am häufigsten zu hören ist, leiden noch Monate später an dem „postviralen Syndrom“, zu dem der amerikanische Covid-Berater und Immunologe Anthony Fauci jüngst feststellte, es sei sehr real, und „es ist unglaublich, wie viele der Infizierten an diesem postviralen Syndrom leiden, das der Myalgischen Enzephalitis/Chronischem Fatigue Syndrom erstaunlich ähnelt.“
„Multisymptom“-Leiden auch schon bei Kindern
ME/CFS ist für sich eine große, lange Leidensgeschichte – eine Leidensgeschichte der Betroffenen und der Medizin, auch der Bürokratie. Schon die Schrägstrich-Bezeichnung deutet an, wie bitter um die Anerkennung dieser Krankheit gestritten wurde. Für den Amtsschimmel war sie lange oft bloß Erschöpfung oder im schlimmsten Fall Arbeitsverweigerung, die Mediziner verbuchen es inzwischen immerhin unter neurologischen Leiden. Nach Krankenkassenangaben gibt es etwa 300.000 ME/CFS-Patienten im Land. Neurologisch oder psychisch, „echt“ oder „eingebildet“, der Streit darum hat Jahrzehnte gedauert, nicht nur hierzulande. Beendet ist er keineswegs. Und jetzt schon gar nicht mit dieser Pandemie. Wenn die Beobachtungen des ersten Seuchenjahres nicht täuschen, könnten weltweit Millionen zusätzlich daran erkranken – und die Konflikte um langwierige Therapien und Behandlungskosten die Gesundheitssysteme enorm belasten.
Ein Covid-Patient bei einem Lungenfunktionstest.
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Bild: dpa
Die „Post-Corona-Fatigue“, wie man das Leiden in der Berliner Charité bezeichnet, beschäftigt die medizinische Immunologin Carmen Scheibenbogen mit ihren Kollegen schon seit Monaten. Wer mindestens sechs Monate nach einer Sars-CoV-2-Ansteckung diese unfassbar lähmende Energielosigkeit spürt und mit den begleitenden Dauerschmerzen kaum noch klarkommt, der ist ein Fall für das Fatigue-Zentrum. Vor wenigen Wochen hat die klinische Truppe um Scheibenbogen in einem Preprint auf „medRxiv“ einen wissenschaftlich noch nicht endgültig begutachteten Aufsatz veröffentlicht, der die seit Monaten unter erfahrenen Klinikern gehegte Vermutung bestätigte: Fast die Hälfte von 42 nachweislichen Covid-19-Patienten erfüllte nach Aufnahme alle ME/CFS-Kriterien und erlebte nach einer Infektion den mentalen und metabolischen Absturz, der typisch ist für das Erschöpfungssyndrom.
Das Coronavirus machte sie zu lebenden Wracks. Die Jüngste mit der Diagnose war vierundzwanzig Jahre alt und in guter körperlicher Verfassung vor der Infektion, aber auch über 60-Jährige kann es treffen. Und vor allem: Das Leiden erfasst auch ohne schwere Erkrankung. Im Gegenteil, viele hatten nur milde Covid-Symptome. Wochen nach dem Abklingen der Corona-Atemwegssymptome aber schwächten die ME/CFS-Symptome Körper und Geist: Fast alle litten unter nicht enden wollender Abgeschlafftheit, Gedächtnisprobleme quälten sie immer öfter, mehr als neunzig Prozent litten unter teils heftigen, wiederkehrenden Kopf- und Muskelschmerzen – der Alltag wurde immer unerträglicher statt besser nach einem ausgestandenen Infekt.
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