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#Streitbar und umstritten

Streitbar und umstritten

Als Sohn einer Engländerin und eines Holländers ist Ian Buruma nicht nur für ein Leben zwischen verschiedenen Kulturen, sondern auch für ein besonderes Interesse an Imperien und Kolonialismus prädestiniert. Aufgewachsen in Den Haag, wurde er durch Be­suche seiner englischen Großeltern angesteckt von der Anglophilie: Das Englische erschien ihm als das Mondäne und Glanzvolle, wie er in seinem Essay „Churchills Zigarre“ schreibt.

Die Englandliebe und regelrechte Anglomanie anderer Europäer von Voltaire bis in die Gegenwart baute Buruma mit weiteren Essays zu seinem vielleicht interessantesten Buch aus, das auf Deutsch unter dem Titel „Europas eng­lischer Traum“ (2002) erschienen ist. Es stellt allerdings nur einen Bruchteil von Burumas breitgefächerten Lebensthemen dar. Nach dem Studium der Sinologie in Leiden und des Films in Tokio wurde er Kulturredakteur bei der „Far Eastern Eco­nomic Review“ in Hongkong. Er schrieb Sachbücher über chinesische Dissidenten und über die weltweite „Stunde null“ 1945 mit besonderem Augenmerk auf den Racheaktionen gegen vormalige Besatzer und deren Kollaborateure, sei es in den Niederlanden oder in Japan. Das Leben der Schauspielerin Yamaguchi Yoshiko, die in China unter Pseudonym zur Filmdiva wurde, machte Buruma zur Grundlage für einen historischen Roman über das moderne Japan („Die drei Leben der Ri Koran“, 2011).

Assimilation zum Über-Dandy

Das Thema angeeigneter, übertriebener „Englishness“ verarbeitete er ebenfalls in einem Roman: „Playing the Game“ (deutsch: „Das Spiel des Maharadschas“) handelt von dem als Ranji bekannt gewordenen Maharadscha von Nawanagar, der als sogenannter „Cambridge-Inder“ zu einem Star-Kricketspieler und Über-Dandy wird. Das Werk hat satirische Stärken, wirkt aber etwas ­geschwätzig und heute bereits antiquiert.

Nach der Jahrtausendwende be­schäftigte sich Buruma, mittlerweile Professor für Menschenrechte und Jour­­nalismus am New Yorker Bard College, in einem vieldiskutierten Essay mit „Okzidentalismus“, also einer klischeebeladenen Auffassung des „Westens“ als Komplementärbegriff zu Edward Saids „Orientalismus“. Die Konfrontation liberaler Demokratien mit weniger liberalen Einwanderern machte Buruma zum Thema seines Buches „Die Grenzen der Toleranz“ (deutsch 2007), einer reportagehaften Unter­suchung des Mordes an dem niederländischen Künstler und Filmemacher Theo van Gogh. Man warf ihm daraufhin Kulturrelativismus und einen beschönigenden Sozialarbeiterblick vor, der dem islamistischen Fundamentalismus und Terrorismus nicht gerecht werde.

Der Fall Ghomeshi

Im Jahr 2017 wurde Buruma Chefredakteur der „New York Review of Books,“ in der er zuvor öfters publiziert hatte. Die Position behielt er nur für kurze Zeit: Nach dem Abdruck eines Artikels des kanadischen Mode­rators und Sängers Jian Ghomeshi, der sich gegen die An­schuldigungen verschiedener Frauen wegen sexueller Misshandlung verteidigte und Rufmord beklagte, regte sich Protest, weil Buruma den Text ohne Absprache insbesondere mit weiblichen Redaktionsmitgliedern publiziert habe. Buruma verteidigte sich seinerseits: Er habe ein Themenheft über #Metoo-Täter gemacht, die nur in den sozialen Medien, nicht aber von der Justiz verurteilt worden seien – und werde dafür nun selbst an den Pranger gestellt. Ghome­shi war von mehr als zwanzig Frauen beschuldigt, in fünf vor Gericht verhandelten Fällen aber freigesprochen worden; mit einer Frau hatte er sich außer­gerichtlich geeinigt. Darüber, ob Buruma bei der „New York Review“ freiwillig oder unter Druck von oben gekündigt hat, gibt es verschiedene Darstellungen. Mehr als hundert prominente Unterstützer protestierten gegen seinen Weggang.

Buruma selbst engagierte sich im Sommer 2020 mit anderen Intellektuellen für mehr Liberalität in der Debattenkultur. Inzwischen betätigt er sich wieder als Journalist. Jüngst warnte er vor religiösen Fanatikern in der amerikanischen Politik. Am heutigen Dienstag feiert er seinen siebzigsten Geburtstag.

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